Knöllchen auf Supermarkt-Parkplatz: Zockt eine Firma Bad Oeynhausener Autofahrer ab?

Bad Oeynhausen. Schnell noch das Hundefutter beim Tierbedarfsladen besorgen, ein Schnäppchen beim Discount-Baumarkt nebenan jagen oder als Stärkung Gutes von gestern in der kleinen Bäckerei schnabulieren: Bad Oeynhausener Kunden schätzen den Einzelhandel am Alten Rehmer Weg 22 vor allem für seine niedrigen Preise. Doch der günstige Einkauf kann teuer werden. Ein Aufpreis von 30 Euro schlägt zu Buche, sollte man in der Eile vergessen, die Parkscheibe richtig und gut sichtbar im Auto zu platzieren. Grund dafür sind Kontrolleure, die im Auftrag einer Rostocker Firma für &bdquo;Parkraummanagement“, wie es auf ihrer Website heißt, Strafzettel ausstellen. Eigentlich ist der Kundenparkplatz für 90 Minuten kostenfrei. Allerdings muss dafür – darauf weisen eigens aufgestellte Schilder der Firma hin – unbedingt eine Parkscheibe mit der korrekten Ankunftszeit ausgelegt werden. Übersieht man die Schilder, hat man keine Parkscheibe zur Hand oder sie schlichtweg vergessen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man zur Kasse gebeten wird. Die Kontrolleure tragen Westen mit Firmenlogo und knipsen Beweisfotos der Fahrzeuge, deren Fahrer gegen die Parkplatzvorschrift verstoßen haben. Sie notieren das Kennzeichen, füllen einen Strafzettel mit Zahlungsaufforderung und -informationen sowie einer Vorgangsnummer aus und heften ihn an die Windschutzscheibe. Die Geschäfte können nichts dafür, verlieren aber Kunden Der Zorn der Kunden, die oft nur für wenige Minuten ihr Fahrzeug abgestellt haben, entlädt sich vor Ort, aber vor allem online bei den Geschäften. Zahlreiche wütende Rezensionen mit schlechtester Bewertung - ein oder zwei Sterne - beziehen sich auf die &bdquo;Abzocke“, wie viele Kunden es empfinden. &bdquo;Für mich gibt es ihren Baumarkt nicht mehr“, schreibt einer. &bdquo;Mich sehen die Geschäfte um den Parkplatz herum nicht wieder“, ein anderer. Die Praktik der privaten Parkraumkontrolle ist auch in anderen Städten bekannt – und soll oftmals ausuferndes Fremdparken verhindern, das etwa Supermärkte Kunden kostet, die keinen Parkplatz finden. Die beauftragen dann private Firmen. Hier allerdings könnte der Fall anders liegen. Denn die Geschäfte am Alten Rehmer Weg können für die Parkplatzkontrolleure nichts, haben mit der Beauftragung eines solchen Unternehmens nicht das Geringste zu tun und sind schon gar nicht an den Einnahmen aus den Knöllchen beteiligt. Sie ärgern sich selbst über die Kontrollen. So heißt es aus der Zentrale des Tierbedarfsladens etwa: &bdquo;Unsere Franchise-Partnerin steht in regelmäßigem Austausch mit den Eigentümern und hat bereits mehrfach darum gebeten, die private Parkraumkontrolle abzuschaffen – bisher leider ohne Erfolg.“ Einige Geschäfte versuchen Schadensbegrenzung, der Tierbedarfsladen verteilt sogar kostenlose Parkscheiben. Beim Baumarkt findet sich am Eingang ein beinahe verzweifelt wirkendes Hinweisschild, dass die jeweiligen Geschäfte nicht zuständig seien. Mutmaßliche Eigentümer antworten nicht auf NW-Anfrage Aber wer dann? Dafür muss man die komplexen Besitz- und Vertragsverhältnisse verstehen. Die Gebäude samt Grundstück gehören nämlich nicht etwa den Geschäften, die dort firmieren. Sie pachten sie lediglich von den Eigentümern, NW-Recherchen zufolge einer großen Immobiliengesellschaft. Genau wie die Parkraummanagement-Firma kommt sie aus Rostock. Die Parkplatzfläche ist im Zweifelsfall nicht Teil des Pachtvertrags der jeweiligen Geschäfte. Für die Eigentümer heißt das, dass sie die Parkplätze anderweitig verpachten können. An dieser Stelle kommt die Parkraummanagement-Firma ins Spiel: Sie kann den Parkplatz pachten und Umsatz mit den Knöllchen erwirtschaften. Das ist eine Win-Win-Situation für die Eigentümer und die Parkraummanagement-Firma. Auf der Strecke bleiben dann allerdings die Betreiber der Geschäfte und ihre wütenden Kunden. Diese Vertragskonstellation liegt nahe und darum bat die NW die Eigentümer bereits am 9. Oktober schriftlich um Stellungnahme. Bis Redaktionsschluss blieb die Anfrage unbeantwortet. Nach Recherchen der NW arbeiten in Bad Oeynhausen zwei Parkraum-Kontrolleure in unregelmäßigen Intervallen in Zweistundenschichten, in der schätzungsweise knapp zehn Knöllchen ausgestellt werden. Selbst wenn nicht alle bezahlt werden, weil die Forderung aus Kulanz oder Irrtum zurückgezogen wird, ist man bei einem Knöllchen-Umsatz von rund 400 Euro – jeden Tag. Lesen Sie auch: Unklare Park-Regeln? Ärger um Parkplatzfirmen in OWL Rechtlich nicht unumstritten Aber ist das Verteilen privater Knöllchen überhaupt zulässig? Hier weiß der Bad Oeynhausener Rechtsanwalt Paul Marcus Martin Rat. Er warnt Betroffene davor, sich leichtfertig auf Online-Ratschläge oder gar eine Rechtsberatung durch die sogenannte Künstliche Intelligenz zu verlassen: &bdquo;Wenn man im Internet liest, ,das musst Du auf keinen Fall zahlen’, sage ich nur: Vorsicht!“ Eigentümer könnten grundsätzlich frei über die Bewirtschaftung ihrer Parkflächen verfügen – also auch entscheiden, eine Vertragsstrafe zu verhängen, wenn sich Autoparker nicht an die Bedingungen halten. Der Jurist nennt das &bdquo;Vertragsfreiheit“ zwischen Vertragsparteien. Dass man mit dem Parken aber überhaupt ein Vertragsverhältnis eingehe, &bdquo;muss aus den Umständen heraus ersichtlich sein“, so Paul Marcus Martin. Dafür könnten zahlreiche und gut sichtbare Schilder sorgen. Gerade hier hinge die Rechtssicherheit jedoch von vielen kleinen Details ab. Auf den Schildern am Alten Rehmer Weg etwa steht geschrieben: &bdquo;Für widerrechtlich geparkte / abgestellte Fahrzeuge wird nach Paragraph 858 BGB eine Vertragsstrafe von mindestens 30 Euro erhoben. Alle weiteren Angaben entnehmen Sie den ausgehängten AGB.“ Paul Marcus Martin: &bdquo;Was bedingt denn das ,mindestens’? Erhöht sich die Strafe im Fünfminuten-Takt? Oder im 14-Tage-Takt?“ .responsive23-awA7sNhBfryD2tGD-map-parkraumkontrolle { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-awA7sNhBfryD2tGD-map-parkraumkontrolle { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-awA7sNhBfryD2tGD-map-parkraumkontrolle { padding-top: 142.86%; } } Praxis ist möglicherweise sittenwidrig Auch müssen die erwähnten AGB – die allgemeinen Geschäftsbedingungen – eindeutig sein und dürften keine Klauseln enthalten, mit denen man als Vertragspartner nicht rechnen könne. Abschleppen etwa könne als Klausel angreifbar sein, denn mit einer so unverhältnismäßigen Maßnahme einen Autofahrer zu belangen, der die Parkzeit eines gewöhnlichen Parkplatzes überschreitet, sei kaum zu erwarten. Da sei das Gesetz eindeutig auf Verbraucherseite. &bdquo;Unklarheiten gehen zulasten des Verwenders“, so der Anwalt. Und Verwender ist in diesem Fall der, der die AGB aufsetzt. Bliebe noch die Frage, ob die Vertragskonstellation nicht als solche auf den Prüfstand gehört. &bdquo;Man kann darüber streiten, ob das vielleicht sittenwidrig ist“, sagt Paul Marcus Martin, &bdquo;wenn die Gewinnerzielung nur dadurch entsteht, dass bei der Parkraumbewirtschaftung Vertragsstrafen anfallen.“ Wenn also wirklich – wie es den Anschein hat – der Eigentümer die Fläche an ein Unternehmen verpachtet, das dadurch Geld verdient, dass Autofahrer in die Park-Falle tappen, könnte die Geschäftspraxis über eine &bdquo;moralische Unanständigkeit“ hinausgehen. Aber die Hürden, eine Sittenwidrigkeit nachzuweisen, sind dem Rechtsanwalt zufolge hoch. Dafür bräuchte es &bdquo;Strengbeweise“ wie Sachverständigengutachten, Urkunden, Zeugen – ein &bdquo;Anscheinsbeweis“, also, dass der gesunde Menschenverstand keinen Zweifel zulasse, genüge nicht. Betroffene sollten sich im Zweifelsfall anwaltlich vertreten lassen, gerade wenn vielleicht schon Mahn- oder Inkassogebühren drohten. Das werden vermutlich die wenigsten Kunden der Geschäfte am Alten Rehmer Weg tun. Für sie bleibt bloß die Faust in der Tasche – oder beim nächsten Mal der Griff zur Parkscheibe. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

Meistgelesen