Alle suchen, nur die wenigsten finden: So steht es um den Wohnungsmarkt in Minden

Minden. Monatelang hat Renate Kreil-Ehmen bei ihren Spaziergängen Häuser gemustert und Grundstücke erkundet. Wie es wohl wäre, dort zu leben? Deuten leere Fenster auf Leerstände? Wie wäre die Sicht vom Balkon? Wo sind Einkaufsmöglichkeiten? Bekannte und Freunde hat sie eingespannt, Anzeigen im Mindener Tageblatt durchstöbert und neue Bauprojekte intensiv verfolgt. Bei ihr zu Hause liegen auch heute noch die Broschüren von Maklerbüros und Projektplanern. Am Ende hat die 77-Jährige eine neue Wohnung gefunden. &bdquo;Zwischendurch hatte ich schon aufgegeben“, sagt sie heute im Rückblick. Was sie besonders bewegt: Obwohl sie zeitlich ungebunden und finanziell beweglicher als viele andere Seniorinnen war, schien es lange schier unmöglich, etwas Passendes zu finden. Allerdings hat ihr die Zeit der Suche auch geholfen: Am Ende wusste sie sehr genau, was sie wollte und was nicht. Denn leicht fiel ihr die Veränderung nach 40 Jahren nicht, in denen sie mit ihrem Mann in einem großen Innenstadthaus gelebt hatte. Alle suchen kleine Wohnungen Kleine, bezahlbare Wohnungen, möglichst auch seniorengerecht und barrierearm sind in Minden Mangelware - wie fast überall. Überhaupt ist das Thema &bdquo;Wohnen“ beim Heimat-Check Mindens Schandfleck; nur den Öffentlichen Personennahverkehr bewerten die Beteiligten insgesamt noch schlechter. Die niedrigsten Bewertungen bekommt der Wohnungsmarkt in Minden Innenstadt (4,78) und Rechts der Weser (4,82). Im Umland schneidet Hille am besten ab (5,61 Punkte). &bdquo;Wir brauchen mehr günstigen Wohnraum“ schreiben viele der Teilnehmenden und immer wieder der Hinweis: &bdquo;Zu wenig seniorengerechte preisstabile Mietwohnungen.“ Oder, noch spezifischer: &bdquo;mehr städtischer Wohnungsbau, nicht nur für wohlhabende Senioren auf Filetgrundstücken.“ Die letzte Bemerkung dürfte sich an die Investoren richten, die gerade große Projekte planen oder umsetzen. Die Eigentumswohnungen am Königswall beispielsweise, die - inzwischen auf Eis liegenden - Pläne für ein Mehrfamilienhaus am Weserglacis, oder auch die schon existierende Siedlung hinter dem Preußen-Museum mitten im Glacis: Tolle Wohnlage, gute Ausstattung, aber das hat auch seinen Preis. Und &bdquo;preisstabil“? Auch Vermieter wissen schließlich, wie eng der Markt ist. Mit dem neuen Mindener Mietspiegel könnte es gut sein, dass die Mieten weiter steigen. Schließlich wird alles teurer. Und auch höhere Grundsteuern, die gerade erwogen werden, werden Mieter irgendwann zu spüren bekommen. Was kann die Stadt tun? Wenn man den Kommentaren im Heimatcheck folgt, ist der Markt für einige auch deswegen eng, weil Menschen davor zurückschrecken, bei großen renditeorientierten Wohnungsgesellschaften einzuziehen. Die Stadt Minden selbst hat keinen direkten Einfluss auf dem Wohnungsmarkt - mehr. 2005 entschied der Mindener Rat, die seit 1949 bestehende städtische Wohnungsgesellschaft zu verkaufen. Damals war die finanzielle Lage der Stadt desolat, neben den rund 3000 Wohnungen veräußerte die Politik seinerzeit beispielsweise auch ihre Kapitalanteile an den Stadtwerken und die EMR-Gesellschaftsanteile. &bdquo;Sozial verträglich“ sei der Verkauf, so das Urteil der Verwaltung damals. Nachzulesen in der Vorlage für die Entscheidung im Rat. Wichtig zu wissen: 2005 war der Wohnungsmarkt entspannt, die Kommune sah das Bereitstellen von Wohnraum nicht mehr als Aufgabe der Daseinsvorsorge an. In Minden wohnen Reich und Arm getrennt. Die Stadt liegt mit Platz vier unter den 153 Städten weit vorn, die das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung daraufhin untersucht hat. Auch diese Existenz von &bdquo;armen“ Vierteln beeinflusst die Auswahlmöglichkeiten der auf ersten Blick scheinbar zahlreichen Angebote auf einschlägigen Wohnungsportalen. Wer sich selbst zur Mittelschicht zählt, wird nicht ohne Not dorthin ziehen. Keine direkte Einflussmöglichkeit Eine direkte Einflussmöglichkeit hat die Stadt Minden nicht. Eine eigene Wohnungsgesellschaft neu zu gründen oder gar die Wohnhaus zurückzukaufen ist utopisch - nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch wegen des vielen Personals, das dafür benötigt wurde. Unterm Strich sei auch fraglich, ob eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft günstiger vermieten könnte - auch die dürfte ja keine Verluste machen, betont Mindens Beigeordneter für Städtebau und Feuerschutz, Lars Bursian. Minden setzt stattdessen auf Flächenentwicklung, darauf, gemeinsam mit Investoren Gebiete für Wohnungsbau bereitzustellen. Nicht überall dauert das so lange wie bei der &bdquo;Klimaschutzsiedlung“, und auch sozialer Wohnungsbau wird dabei verwirklicht, wie beispielsweise an der Roßbachstraße. Doch die Zahl der Bauanträge geht deutlich zurück, so Bursian; gerade im Bereich privater Wohnungsbau. Die Zinswende und die schwierige Konjunkturlage wirken sich da ebenso aus wie die zunehmende Personalknappheit gerade in Ausbaugewerken. &bdquo;Günstiger Wohnraum entsteht auch durch Umzugsketten“, so Bursian. Jahrelang habe es sich für Bauherren nicht gelohnt, in Minden günstigen Wohnraum zu schaffen - das Land, zuständig für entsprechende Förderungen, schätzte die Marktsituation in der Stadt als &bdquo;entspannt“ ein und sah keinen Anlass für Fördergelder. Inzwischen allerdings lohne sich dieses Segment auch wieder, und so würden beispielsweise Projekte wie das Mehrgenerationenhaus an der Viktoriastraße möglich. Hier entstehen öffentlich geförderte neben nicht geförderten Wohnungen in einem Komplex. Minden ist in den letzten Jahren fast explosiv gewachsen - um rund 5000 Menschen auf über 85.000 Einwohner. Dafür sind die umliegenden Gemeinden geschrumpft. Kommunales Engagement auf dem Wohnungsmarkt mache auch aus diesem Grund bestenfalls als regionales Projekt Sinn, so Bursian. Aus der Politik kommt immer mal wieder die Anregung, Tauschprojekte wie &bdquo;Jung kauft Alt“ aufzulegen. Eine solche Tauschbörse hält Bursia aus verschiedenen Gründen für kaum realisierbar, unter anderem wegen der hohen Einwohnerzahl Mindens. Haus verkaufen, Wohnung mieten Renate Kreil-Ehmen wollte genau das tun: Ihr Haus aufgeben und Platz für eine Familie machen. Aber nicht um jeden Preis. Bei den ersten Wohnungsbesichtigungen versuchte sie jedes Mal, in Gedanken all die Möbel zu platzieren, die sie ihr Leben lang begleitet hatten, mit denen Erinnerungen verbunden waren an glückliche Zeiten. Heute sagt sie: &bdquo;Man muss sich trennen können.“ Sie hatte bald eine Liste mit Kriterien: Ein Stellplatz fürs Auto beispielsweise. Keins der Angebote kam dem nahe, was sie sich wünschte. Mal war alles perfekt bis auf den Balkon, der über einer Tankstelle lag oder den Blick auf die Rückwand eines Supermarktes bot, mal zeigte der Makler eine Wohnung, die in Wirklichkeit gar nicht auf dem Markt war. Bei einem Mehrfamilienhaus, das noch im Bau war, fehlte ihr die Information, welche Geschäfte im Erdgeschoss untergebracht werden - &bdquo;über einem Wettbüro möchte ich nicht wohnen.“ Mal war der Zuschnitt zwar &bdquo;wunderschön“, doch es gab ein paar Stufen. &bdquo;Das sollte doch jetzt für immer sein, und wer weiß, was ist, wenn meine Knie mal nicht mehr wollen.“ Irgendwann entschied sie: &bdquo;Ich möchte eine Wohnung haben, bei der ich keine Kompromisse schließen muss.“ Sie wollte in der Stadt bleiben, in &bdquo;ihrem“ Viertel, wo sie so lange mit ihrem Mann gelebt hatte und wo er heute auch sein Grab ist. Wo der &bdquo;Fußgänger“ und der Wochenmarkt nur einen Katzensprung entfernt sind. Mitten in dem Quartier, wo sie verwurzelt ist.

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