Viele Fotos vom Theaterspektakel: 1.250 Jahre Lübbecker Stadtgeschichte mit Spannung und Humor

Lübbecke. Als kultureller Höhepunkt des Jubiläumsjahres gab es auf dem Marktplatz ein ganz besonderes Spektakel. Unter der Regie von Mario Holetzeck stellten alle Beteiligten die vermutlich aufwendigste Theater-Inszenierung seit Lübbeckes Bestehen auf die Beine: 1.250 Jahre Geschichte Lübbeckes wurden in sieben Episoden gezeigt und spürbar erlebbar gemacht. Als &bdquo;Liebeserklärung an unsere Stadt“, so hieß es im Vorfeld. Und das traf es auf den Punkt, denn es steckte viel Herzblut in der spektakulären Aufführung. Vor der eindrucksvollen Mauer des Burgmannshofes auf dem Marktplatz erwartete die Zuschauer ein wirklich unvergessliches Open-Air-Erlebnis bei freiem Eintritt. Man musste nur schnell genug sein und sich die Karten vorher sichern. Alle drei Veranstaltungstage waren dann auch mit rund 1.500 Zuschauern komplett &bdquo;ausgebucht“. Zwei Stunden vor Spielbeginn wurde &bdquo;zum Aufwärmen“ schon mal mit einem bunten Vorprogramm und Gastronomieangeboten gestartet. Das Stück sollte etwa zwei Stunden und 30 Minuten dauern, inklusive 40 Minuten Pause – es wurde dann etwas länger, was aber hauptsächlich an dem langen tosenden Applaus des Publikums zum Schluss lag. Interviewserie zum Stadtjubiläum: Stadtarchivarin sagt &bdquo;Lübbecke bedeutet für mich Heimat“ Bekannte Schauspieler führten durch das Lübbecker Theaterspektakel Das war nicht nur eine Marketingidee: Menschen, die in Lübbecke zu Hause sind, schlüpften in die verschiedenen Rollen und Kostüme. Für manche war diese Zeitreise spürbar bewegend und das übertrug sich auch auf die Zuschauer. Insgesamt 60 agierten als Laienschauspieler. Wobei &bdquo;Laien“ der falsche Ausdruck ist. Denn mit ihrer Spielfreude liefen sie fast den beiden Profis den Rang ab. Das Stück entstand durch die Lübbecker Kulturmanagerin Linda Kowsky in Zusammenarbeit mit Mario Holetzeck, dem langjährigen Schauspieldirektor des Staatstheaters Cottbus, mit der Dramaturgin Franziska Fuhlrott und der Choreografin Gundula Peuthert (beide aus Dresden). Die Kostüme entwickelte Barbara Nestler aus Hamburg. Bis die Idee Realität wurde, dauerte es fast zwei Jahre. Zwei Monate lang fanden dann die zahlreichen Proben, hauptsächlich in der Aula der ehemaligen Jahn-Realschule, mit den Lübbecker Laiendarstellern, Musikern, Tänzern und vielen ehrenamtlichen Helfern statt. Die zwei bekannten Schauspieler Stefanie Höner und Oliver Seidel, die an zahlreichen Theater- und TV-Produktionen mitgewirkt hatten, führten durch die bunten Epochen. Sie symbolisierten den Kampf &bdquo;Gut gegen Böse“: Gabriel in himmlisch blauem Gewand und ein weiblicher Luzifer in teuflischem Rot. Aber es handelte sich nicht um eine Komödie. Wer davon ausging, wurde positiv überrascht von der Tiefe und Bandbreite – eher um eine bewegende historisch fundierte &bdquo;Zeiten-Revue“. Mehr zum Thema: Lübbecke feiert 1.250. Geburtstag: Was für das Jubiläumsjahr geplant ist Nicht nur Lübbecker waren beim Theaterspektakel Die Stimmung des Publikums vor Beginn war geprägt von Vorfreude. Zwei Zuschauerinnen aus Rahden berichteten, dass sie gespannt darauf wären, was sie erwartet. Und merkten die große Bühne an: &bdquo;Da passen wohl alle drauf.“ Ja, die Bühne . . . Mit ihren verschiedenen Ebenen und verkleidet mit Stoffen, auf denen Steine aufgedruckt waren, wirkte sie so, als wenn sie schon immer dort unter der Linde vor der Mauer gestanden hätte. Sie verschmolz mit ihrer Umgebung und war deshalb genau die richtige Plattform für die Darstellenden. Auch eine Nebelmaschine kam später zum Einsatz. Der Gong schlug, pünktlich ging es auch gleich los – mit einem Wortgefecht zwischen den beiden &bdquo;Moderatoren“, das aber ostwestfälisch startete: &bdquo;Und sonst?“ – &bdquo;Muss ja“. Im Hintergrund dieser Anfangssequenz aus dem Mittelalter wurden die Bürger positioniert und bewegten sich auf Anweisungen von Gabriel und Luzifer wie Marionetten. Dazu spielte der Barde eine eindeutige Blues-Melodie. Lesen Sie auch: Bei welchem historischen Ereignis Lübbeckes Bürgermeister gern dabei gewesen wäre 1.250 Jahre Lübbecke - mal lustig und mal ernst auf der Bühne Es gab immer wieder während des Stückes Modernes zu sehen und auch zu hören. Das nahm die Schwere und brachte das Publikum zwischendurch zum Lachen. Zum Beispiel auch die &bdquo;Investition in den Klimaschutz“, mit der sich Widukind auseinandersetzen musste. Und es wurden Bürgerrechte eingefordert, mit &bdquo;guten Infrastrukturen“. Oder: &bdquo;Richtig foltern – aber mit Popcorn“ bei der Suche nach dem passenden Scharfrichter. Der &bdquo;Schwarze Tod“, der 1350 wütete, sorgte dagegen für Betroffenheit. Strafte Gott die Menschen so für ihre Sünden? Oder brachte ein Sternennebel die Pest? Dieser Wechsel von lustig zu ernsthaft und wieder zurück sorgte für einen wirklich gelungenen Spannungsbogen – das Publikum fieberte mit. Weiter ging es mit Ablassbriefen und einer weiblichen Version von Martin Luther, der/die einem ängstlichen Priester entgegnete: &bdquo;Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.“ Auch während des 30-jährigen Krieges litten die Menschen in Lübbecke unter den Folgen. Die Dänen würden &bdquo;Lübbecke die Haare vom Kopf fressen“ und in der St. Andreas Kirche wurden Noten zu Schwertern geschmiedet. Stieg man da noch durch? Lübbecke befand sich seit dem Westfälischen Frieden erst unter preußischer, später dann unter französischer, ab 1814 wieder unter preußischer Verwaltung. Zur Verdeutlichung wurden auf der Bühne die Wappen der umliegenden Dörfer gezeigt. Napoleon erhielt einen aufgeblasenen Schwimmring und wurde ins Exil abgeschoben. Dazu sang ein Kinderchor &bdquo;Kein schöner Land in dieser Zeit“. Auch aus der Interviewserie: Gewohl-Unternehmer: &bdquo;Lübbecke ist für mich Heimat, Wurzel und Ausgangspunkt“ Bis ein Laib Brot in Lübbecke 260 Milliarden Mark kostete Nach der verdienten Pause ging es 1842 weiter mit der Industrialisierung: Dampfmaschinen, Zeitung, Bier, Zigarren, Bahnanschluss, Beleuchtung. Das alles machte aus Lübbecke eine moderne Stadt. Ab 1914 bestimmte der Kriegsalltag die Stadt zwischen Feldpostsäckchen und Nagelbuch, der Marktplatz wurde zum Kriegslager. Danach tanzte man auch hier erleichtert Charleston, die Kleider wurden kürzer und alles immer teurer, bis ein Laib Brot 260 Milliarden Mark kostete. Dann lieber in Naturalien bezahlen, zum Beispiel 1923 sechs Eier für zwei Karten zur Premiere von &bdquo;Wilhelm Tell“ – das erste Stück der Freilichtbühne Nettelstedt. Für einen richtigen Kloß im Hals sorgten anschließend die Darstellungen auf der Bühne zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Auch Namen von Lübbecker Bürgern mit brauner Vergangenheit wurden aufgerufen und der Antisemitismus aufgezeigt. Es gab eine berührende Szene zwischen Vater, Tochter und dem verstorbenen Großvater, die klugerweise auf einseitige Darstellung und Schuldzuweisung verzichtete. Der siebte und letzte Akt zeigte, wie Lübbecke zur Verwaltungshauptstadt der britischen Besatzungszone bestimmt wurde. Da gab es viel Unmut, auch weil viele Bürger ihre Wohnungen und Häuser verlassen mussten. Der Schwarzmarkt blühte und ebenso wieder die Hoffnung auf bessere Zeiten. Lesen Sie auch: 1.250 Jahre Lübbecke: Eine Stadt rüstet für ein stolzes Jubiläum Akteure und Publikum singen beim Lübbecker Theaterspektakel gemeinsam Zum Schluss sah man ein altes Paar auf der Bank unter der Linde sitzen, das liebevoll in Erinnerungen schwelgte: &bdquo;Das Leben muss gelebt werden. Heute, morgen . . .“. Dann erschallte eine Hymne der &bdquo;Neuen Deutschen Welle“: das Lied &bdquo;Rosemarie“ von Hubert Kah. Besonders die Textzeile &bdquo;Ich bin jetzt König dieser Stadt“ wurde lauthals von allen Akteuren gesungen. Und auch das Publikum stimmte begeistert mit ein. In der Schlussszene fragte Luzifer Gabriel, ob sie sich wiedersehen würden. In der Zukunft . . . Vielleicht würde es dann ja auch eine belebte Fußgängerzone geben. Oder ein bewaldetes Wiehengebirge . . . Und ob Gabriel sich als Bürgermeister aufstellen lassen wollte? &bdquo;Aber jetzt wird erst mal gefeiert!“ Langer, tosender Applaus und Standing Ovations waren der Dank des Publikums für die besondere schauspielerische Leistung aller Darbietenden und auch für das herausragende Drehbuch, gebündelt in ergreifenden Episoden. &bdquo;Toll, was die auf die Beine gestellt haben“, fasste es eine Zuschauerin zusammen. Zum Thema: Foto-Zeitreise durch die Lübbecker Stadtgeschichte

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