Lübbecker Zigarre „Erntekrone“ schaffte es 1968 sogar ins Werbefernsehen

Lübbecke. Die Zigarrenfabrik August Blase AG in Lübbecke gehörte einst zu den Platzhirschen in Deutschland. Das Unternehmen beschäftigte 6.400 Mitarbeiter im Jahr 1937. Der Boom der Zigarrenfabriken begann Mitte des 19. Jahrhunderts und hielt mehr als 100 Jahre an. Erst in den 1960er-Jahren verschwanden zahlreiche Zigarrenfabriken und ihre Marken vom Markt. Doch Ostwestfalen blieb das Mekka der Zigarrenindustrie bis heute. In der &bdquo;Westdeutschen Wirtschaft“ schrieb der damalige Blase-Geschäftsführer Peter Wimmer: &bdquo;Als 1957 das Maschinenverbot zur Zigarrenherstellung endlich aufgehoben wurde, konnte man (Anm. d. Red.: bei Blase) ohne größere Schwierigkeiten zum Maschineneinsatz übergehen und den durch rein manuelle Arbeitsweise bedingten hohen Belegschaftsstand erheblich herabsetzen (. . .) Die Folge: ein Überangebot an Zigarren, scharfer Konkurrenzkampf, Massensterben kleinerer Betriebe, Rückgang von damals über 3.000 deutschen Zigarrenfabriken auf rund 360 heute (Anm. d. Red.: 1968).“ Hinzu kam der Siegeszug der Zigarette. 1965 stand es nach dem Tod von August Blase nicht gut um die Zigarrenfirma. Horst Benz, damaliger Chef der Mindener Firma Melitta, rettete das Unternehmen und investierte darin. Aus der Blase AG wurde die Blase GmbH. Das hielt bis 1980 – da wurde Blase in Dannemann umbenannt, weil die Dannemann-Produkte eine enorme Bekanntheit und Beliebtheit erreicht hatten. 1988 wurde schließlich das Unternehmen an den heutigen Besitzer, die Schweizer Burger Gruppe, veräußert. Es war nicht leicht, sich auf dem Markt zu positionieren Doch einen Schritt zurück: Blase hatte nicht nur &bdquo;Erntekrone“ und &bdquo;Dannemann“ als Zugpferde im Programm, sondern insgesamt eine enorme Markenvielfalt – wobei die einzelnen Tabakmischungen sehr oft verschieden waren. Sumatra, Brasilien, Havanna und sogar deutsche Tabakbeimischungen füllten das Deckblatt. Wie konnte sich eine Firma wie Blase im Markt behaupten? 1968 setzten sie kurzzeitig auf das Werbefernsehen. Das teure Unterfangen wurde jedoch nicht lange betrieben. Hinzu kamen weitere verkaufsfördernde Maßnahmen wie Aschenbecher, Streichhölzer, Zahlteller, Werbeaufsteller mit Markenlogos und Zeitungsanzeigen etwa in der Bildzeitung. Und ein – im Nachhinein seltsam anmutendes – Rezept war es offensichtlich, eine schier unüberschaubare Markenvielfalt herauszubringen, die der Endkunde letztendlich gar nicht mehr durchblicken konnte, die ihn aber zum Kauf anregen sollte. Blase hatte beim Deutschen Marken- und Patentamt die kuriosesten Namen angemeldet, die heute keine Chance mehr für ein Produkt hätten. Die bekannteste Marke neben &bdquo;Dannemann“ war jahrelang die &bdquo;Erntekrone“ aus dem Jahr 1926. Von Collofino bis Silencium Hier einige Beispiele für angemeldete Namen, die aber letztlich nicht alle verwendet wurden: 1896: La Bella Marquesa, 1901: Stahl und Eisen, 1911: Collofino, 1914: Bastonett, 1922: Wolff Hamburg Zigarrenfabriken, 1925: Havillos, 1925: Agrippinas, 1931/33: Die leichte Bruns, 1932: Havilla, 1932: Attaché, 1934: Tropenexpress: 1934: Erntekrone Nr. 5 mit Logo, 1935: Deutsche Einheit, 1936: Tehaco, 1937: Schwarze Kunst, 1938: Hasilos, 1939: Charutos Dannemann (mit Bild), 1939: Companhia de Charutos Dannemann, 1942: Admos, 1949: Plantagenperle, 1950: Alte Herrlichkeit, 1951: Ultima Ratio (mit Bild), 1951: Honor Urbis (mit Bild), 1951: Geheimfach (Bild), 1951: Lucullus, 1955: Silencium, 1959: Gildemann, 1960 Attaché (mit Bild). Die meisten Markennamen wurden um die Jahrtausendwende gelöscht, darauf weisen die Online-Einträge des Patentamts München hin. Zeitzeugen berichten, dass es sogar Bestrebungen gegeben haben soll, eine Melitta-Zigarre zu etablieren. Auch interessant: Erfindergeist in Lübbecke: Louis Barre war Braupionier der kleinen Stadt Atlas-Zigarren wurden bei Blase exklusiv für Tabakwarenhändler hergestellt, die dem Atlas-Verbund angehörten. Der Verbund wurde 1950 in Essen gegründet. 1975 feierte Blase das 25-jährige Jubiläum der beliebten Marke gemeinsam mit der Atlas Vertriebs GmbH, die von den Händlern getragen wurde. In den 1980er-Jahren lief die Marke Atlas langsam aus. Im Fachhandel bekannte Namen waren unter anderem: Atlas Fortschritt 407, Atlas Brasil, Atlas, Atlas 400, Atlas Sumatra Lichte Miskleur, Atlas Schwarze Riesen 80, Atlas Olympia 30, Atlas Maduro 300, Atlas Nr. 152 Cigarillos, Atlas Jubiläums Serie Sumatra Nr. 1. Zusammenarbeit seit den 1930er-Jahren Über die Jahre gab es eine enorme Auswahl an Zigarren und Zigarillos unter dem Namen Dannemann. Auf einer Rechnung von 1942 der damaligen Dannemann & Co. Bremen (Deutsche Companhia de Charutos) hieß es &bdquo;Nr. 55“. Interessant an der Rechnung war, dass zum Warenwert von 30 Mark noch ein &bdquo;Kriegszuschlag“ von 30 Mark kam. Blase und Dannemann arbeiteten schon in den 1930er-Jahren zusammen. In den 1970er-Jahren, also unter dem Eigentümer Melitta, hießen die Zigarren &bdquo;Coronitas“, &bdquo;Sumatra Menor Superior“, &bdquo;Coronel“, &bdquo;Sempar“ und &bdquo;Palmas da Bahia“. Preiswerte Sondereditionen für Edeka und einige Kuriositäten Die August Blase GmbH produzierte auch für Edeka eine Handelsmarke. Unter den Namen &bdquo;Wappenkrone“ und &bdquo;Tropicana“ waren die Zigarren aus Lübbecke jahrelang in Deutschland präsent. Der Werbespruch der Wappenkrone kam schlicht daher: &bdquo;Die gute Zigarre“, hieß es einfach. Die Wappenkrone Maduro 205 kostete 20 Pfennig pro Stück, die Maduro 305 lag bei 30 Pfennig. Die &bdquo;Brasil 405“ lag bei 40 Pfennig. Das Spitzenprodukt für die Edeka, die Tropicana 80, kostete 80 Pfennig. Lesen Sie auch: Traditionsunternehmen in Lübbecke: Wie Gerlach die Fußpflege revolutionierte Kostenbewusste Raucher entschieden sich oft für &bdquo;Fehlfarben-Zigarren“. Diese wurden von fast allen Zigarrenherstellern angeboten. Warum? Rabatte von bis zu 50 Prozent waren bei Zigarren zweiter Wahl möglich. Im Archiv von Blase/Dannemann finden sich reichlich Produktnamen, die zwar eine gestalterische Umsetzung bekommen haben, wie &bdquo;Ackerfleiß“, &bdquo;Jägerbrauch“, &bdquo;Postrecht“, &bdquo;Rechtsgebrauch“, &bdquo;Tageskurs“ und als Highlight von allen &bdquo;Reineburg“ – die aber nie hergestellt wurden. Über ein ausgewähltes Produktangebot verfügte ein Lübbecker Geschäft. Wer Kunde im Tabak- und Zeitschriftenladen Lückermann in der Langen Straße war, bekam dort eine Spezialedition: Zigarillos in einer besonderen &bdquo;Lückermann Kiste“.

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