Paketbotin getreten? Rechtsanwalt aus dem Raum Lübbecke steht selbst vor Gericht

Lübbecke. Ein Rechtsanwalt in einem Gerichtssaal ist beileibe nichts Ungewöhnliches, wohl aber, dass er selbst auf der Anklagebank Platz nehmen muss. So wie jetzt ein Jurist aus dem südlichen Lübbecker Land, der sich wegen Körperverletzung und Beleidigung vor Gericht zu verantworten hatte. Der Mann soll eine Paketbotin (26) aus Rahden tätlich angegangen sein und zudem beleidigt haben. Das Ganze aus Ärger über ein verspätetes Paket. Zugetragen hatte sich der Vorfall im September 2023. Der Mann wartete auf eine Lieferung und hatte wohl mit dem Zustelldienst geklärt, dass er sie nicht mehr annehmen würde, wenn sie bis zum Wochenende nicht da sei. Als die Zustellerin montags mit dem Schuhkarton großen Päckchen bei ihm ankam, verweigerte der Rechtsanwalt die Annahme und soll die Frau unter Worten wie &bdquo;verpiss dich“ durch einen Griff in den Nacken unsanft hinausbefördert haben. Auch von einem Tritt ins Gesäß war die Rede. Die Zustellerin hatte daraufhin die Polizei zum Grundstück gerufen und zudem einen Arzt aufgesucht, der ihr ein Attest ausstellte. Den Juristen hatte im Nachgang zu dem Vorfall ein Strafbefehl über 2.000 Euro erreicht. Gegen den legte er Einspruch ein. Zudem hatte die Verteidigerin des angeklagten Rechtsanwaltes auf eine Einstellung des Verfahrens mit Möglichkeit der Privatklage verwiesen. Dagegen wiederum hatte die Geschädigte Beschwerde eingelegt und die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm gab ihr wegen der &bdquo;herausragenden Stellung des Beschuldigten als Organ der Rechtspflege“ Recht. Nicht die erste Verhandlung in der Sache Ergo trafen der Angeklagte und die Geschädigte bereits im August 2024 vor dem Lübbecker Amtsgericht wieder aufeinander. In dieser Verhandlung räumte der Jurist zwar das eine oder andere &bdquo;unschöne Wort“ gegenüber der Zustellerin ein, den Tritt in den Po aber bestritt er mit der Begründung, dass er ein lädiertes Knie habe (die NW berichtete). Das Ganze hätte auch längst vom Tisch sein können, wenn der Beschuldigte im August 2024 Richter Stoltes Vorschlag, das Verfahren gegen eine Zahlung von 1.000 Euro einzustellen, zugestimmt hätte. Aber nein. Er hielt der Paketbotin noch vor, die Geschichte nicht richtig erzählt zu haben. Somit ging das Verfahren in eine weitere Runde und diesmal wurden auch noch die Auszubildende des Rechtsanwaltes sowie eine Polizistin und ein Polizist gehört, die seinerzeit zu dem Grundstück des Anwalts rausgefahren waren. Lesen Sie auch: Körperverletzung und Beleidigung: Rechtsanwalt steht in Lübbecke vor Gericht Wie schon im August sah sich der angeklagte Rechtsanwalt im Grunde selbst als Opfer. Er habe das Paket nicht angenommen und der Zustellerin im Hausflur gesagt, sie solle jetzt rausgehen und &bdquo;da macht sie noch die wilde Maus“. Das sei doch Hausfriedensbruch, wenn sie der Aufforderung nicht nachkomme. Er habe sie nicht geschlagen und auch nicht getreten und &bdquo;verpissen“ sei nicht sein Sprachgebrauch. &bdquo;Vielleicht habe ich gesagt, ,mach dich vom Acker’.“ Was die Paketbotin im Gerichtssaal schilderte Die Aussage der Paketzustellerin nahm sich da ganz anders aus. Sie habe im September 2023 im Büro des Rechtsanwaltes eine Mitarbeiterin gefragt, ob sie hier ein Paket zustellen könne. Die verspätete Zustellung sei auch nicht ihre Schuld gewesen. Da sei der Jurist gekommen und habe gesagt, dass sie sich verpissen solle. &bdquo;Ich habe nur noch gefragt, ,ob es nicht auch etwas freundlicher’ geht.“ Daraufhin habe er sie im Nacken gepackt und zur Tür hinaus geschubst und sie auch noch beleidigt, wobei er auch auf ihre Nationalität anspielte. Sie habe in der Folge Schmerzen im Nacken sowie über dem Steißbein gehabt. Im ärztlichen Attest, das vor Gericht verlesen wurde, war unter anderem von einer Blockade im Nacken die Rede. Ob der Rechtsanwalt ihr tatsächlich auch ins Gesäß getreten hat, konnte die 26-Jährige auf Nachfrage von Richter Stolte nun nicht mehr zweifelsfrei sagen. &bdquo;War das denn ein starker Schlag ins Gesäß?“, wollte der Richter wissen. &bdquo;Nein“, sie habe nur etwas &bdquo;gespürt“, antwortete die Paketzustellerin. &bdquo;Haben Sie dies als übergriffig empfunden?“, hakte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft nach, was die 26-Jährige mit einem klaren &bdquo;Ja“ beantwortete. Die als Zeugin geladene Auszubildende (20) des beschuldigten Anwalts bekam nach eigener Aussage die Streitigkeiten wegen des Paketes mit. Es sei sicher nicht angenehm für sie als Auszubildende, dass sie in der Sache nun vor Gericht erscheinen müsse, aber sie müsse eine Aussage machen, zeigte der Richter Verständnis für die Situation der Auszubildenden im zweiten Lehrjahr. Sie sei gerade in der Küche am Kaffee kochen gewesen, als die Botin kam, erzählte die 20-Jährige. Die beleidigenden Worte des Rechtsanwaltes, die sich auf die Herkunft der Botin bezogen, bewertete die junge Frau durchaus als ein &bdquo;bisschen rassistisch“. &bdquo;Jedenfalls nicht schön.“ Von körperlichen Übergriffen auf die Botin habe sie jedoch nichts direkt mitbekommen. Sie habe die Frau aber schreien gehört, vermutlich vor Schmerz. Im Verlauf der Verhandlung bestätigten die als Zeugen geladenen Polizisten, die im September 2023 zu dem Einsatzort gefahren waren, die Darstellungen der Botin sowie der Auszubildenden. So habe Erstere ihnen gegenüber geäußert, verbal beleidigt und vom Beschuldigten unsanft vor die Tür gesetzt worden zu sein. Die Auszubildende sagte den Polizisten gegenüber damals aus, die Streitigkeiten so erlebt zu haben, wie sie sie nun auch im Prozess schilderte. &bdquo;Derartige Behandlung muss sich niemand gefallen lassen“ Auch weil der Angeklagte nicht vorbelastet war, schlug Richter Stolte der Staatsanwaltschaft vor, das Verfahren wegen Körperverletzung einzustellen. Denn es gab ja noch die Beleidigung bei der Tat, für die ein Urteilsspruch zu fällen war. Die Beleidigung sah die Vertreterin der Staatsanwaltschaft gegeben. Die junge Frau habe nur ihren Job machen wollen und niemand müsse sich eine derartige Behandlung gefallen lassen, die zumal noch zweifelsfrei rassistisch gewesen sei. Dafür sei der Angeklagte auch zur Rechenschaft zu ziehen und ein Urteil zu sprechen. Sie hoffe, dass ihm eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 50 Euro zu denken gebe. Wohl nicht: Der Verurteilte bestritt zum Abschluss erneut die Vorwürfe. Das Ganze sei &bdquo;ein Witz in Tüten“ mit &bdquo;einem hohen Unterhaltungswert“. Richter Stoltes Urteil entsprach im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwältin, jedoch als eine &bdquo;Verwarnung mit Strafvorbehalt“, da die Geldstrafe von 1.500 Euro zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Dem Rechtsanwalt wurde zudem auferlegt, der Paketbotin ein Schmerzensgeld von 800 Euro bis zum 31. Dezember zu zahlen. Der Rechtsanwalt muss zudem die Kosten des Verfahrens tragen. Er kündigte noch im Gerichtssaal an, gegen das Urteil Berufung einlegen zu wollen.

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