Für Lübbeckes Bürgermeister ist die Ampel in Berlin bereits „abgewählt“

Lübbecke. Der Empfang der Stadt Lübbecke anlässlich des 453. Blasheimer Marktes wird dem diesjährigen Festredner Hans-Ulrich Jörges vermutlich lange in Erinnerung bleiben. Denn der mittlerweile 72-Jährige, für seine markigen Text- und Wortbeiträge bekannte Journalist, erlebte auf der Bühne das, wovor sich jeder Redner fürchtet: Je länger seine Ansprache dauerte, umso weniger hörten ihm die rund 500 Gäste im vollen Festzelt Meier’s Deele zu. Am Ende war das Gemurmel der Gäste so laut, dass der politische &bdquo;Journalist des Jahres“ 2004 und langjährige Angehörige der Stern-Chefredaktion sowie Kolumnist des Magazins trotz Mikrofonverstärkung kaum noch zu hören war. Gewohnt pointiert und treffsicher präsentierte sich zunächst Kabarettist Bernd Gieseking nach der offiziellen Begrüßung. 2024 sei ein &bdquo;irres Jahr“ und er frage sich angesichts des Wahlausgangs in Thüringen und Sachsen: &bdquo;Haben wir dafür die Wiedervereinigung gemacht?“ In diesem Zusammenhang fragte er: &bdquo;Darf die CDU mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht reden?“ Und: &bdquo;Ist Olaf Scholz der bekannteste Kanzler der SPD oder aller Zeiten?“ Zudem beschäftige ihn die Frage, ob man mit einem Mitglied der AfD Fahrstuhl fahren dürfe oder ob es dann nur noch bergab gehe? Gieseking bezeichnete die Proteste der Bauern als &bdquo;deutsche Antwort auf die Kapitolerstürmung“ in Washington. Klima-Kleber könne man ja von der Straße reißen, &bdquo;aber so ’nen Trecker kriegste da nicht weg“. Auch an den Parteichefs Sahra Wagenknecht (BSW) und Christian Lindner (FDP) arbeitete der Mindener sich ab. Wagenknecht sei der neue Lindner. Obwohl – so ganz stimme das ja nicht: &bdquo;Sie gewinnt Wählerstimmen.“ Wie auch immer: &bdquo;Wir Deutschen jammern immer.“ Mut zum Nein sagen Diesen Faden nahm Lübbeckes Bürgermeister Frank Haberbosch auf, der meinte: &bdquo;Unsere Probleme sind lösbar“, seien im Grunde &bdquo;Luxusprobleme“. Zugleich verwies er auf andere Länder. Die kämen nicht nur mit weniger Gesetzen aus, sondern seien auch vorbildlich hinsichtlich der Pünktlichkeit ihrer Bahn, der kontrollierten Zuwanderung und der Finanzierbarkeit von Kitaplätzen. Die Politik müsse allerdings auch einmal &bdquo;den Mut haben, Nein zu sagen“. Lesen Sie auch: Messertat auf Blasheimer Markt angekündigt: SEK nimmt polizeibekannten Mann fest Angesichts der jüngsten Landtagswahlergebnisse sagte Haberbosch: &bdquo;Die Ampel-Koalition darf sich als abgewählt betrachten.“ Die Stimmabgabe der Bürger bezeichnete er als Stoppschild: &bdquo;Bis hierhin und nicht weiter.“ Als Beispiel dafür, dass viele Menschen sich von Politik und Medien entfremdeten, nannte der Bürgermeister, dass zu viel politische Energie für die Geschlechterfrage aufgebracht werde. Die Zensus-Daten von 2022 zeigten, dass deutschlandweit von insgesamt 82 Millionen nur 969 eingetragene diverse Menschen lebten und 1.259 ohne Angabe zum Geschlecht. Es werde zu viel &bdquo;Tamtam darum gemacht, als seien sie der Mittelpunkt der Welt“. Auch auf das 1.250-jährige Bestehen der Stadt Lübbecke, ging Haberbosch ein. Verglichen mit den Sorgen und Nöten, die Menschen in dieser Zeitspanne gehabt hätten, wirkten die heutigen Probleme &bdquo;mickrig“. Zugleich finde er, dass in all diesen Jahren viel richtig gemacht worden sei in der Stadt. Abschließend wies er darauf hin, dass mit Hilfe von Christel Droste vom Stadtarchiv ein Kalender erschienen sei. Dieser biete 1.250 Jahre Geschichte in einer limitierten Auflage von 1.250 Stück zum Preis von 12,50 Euro. &bdquo;Irrwitzige Bürokratie“ Was haben der ehemalige Außenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), Wolfgang Kubicki (FDP) und Wolfgang Bosbach (CDU) gemeinsam? Sie haben beim Blasheimer Marktempfang launige Festreden gehalten, die beim Publikum gut ankamen. Davon konnte in diesem Jahr keine Rede sein. Zu Beginn konzentrierte Hans-Ulrich Jörges sich auf Berlin, die &bdquo;Hauptstadt des Wahlversagens“, weil die Bundestagswahl von 2021 in einigen Bezirken Berlins in diesem Jahr wiederholt werden musste. Auch der um neun Jahre verzögerten Eröffnung des Flughafens BER, einer Schule ohne einen einzigen regulär ausgebildeten Lehrer und der Reparatur einer Rolltreppe, an der 25 Behörden beteiligt seien, widmete sich der in Berlin lebende Festredner. Eingeleitet mit Begriffen wie &bdquo;Staatsversagen“ und Aussagen wie &bdquo;Unsere großen Zeiten haben wir hinter uns“, reihte Jörges dann ein Negativ-Beispiel ans andere. Die Spanne seine Aufzählung reichte von &bdquo;irrwitziger Bürokratie“ und Kanzler- und Minister-Bashing über Kindesmissbrauch durch Geistliche bis zu Mördern und Totschlägern auf freiem Fuß. Das ganze Staatsversagen sei ohne Politikversagen nicht denkbar, so Jörges, der damit vereinzelte Pfiffe und Zwischenrufe wie &bdquo;Was soll das denn?!“ auslöste. Es änderte sich aber nichts auf der Bühne. Jörges zog seine Aufzählung weiter und immer weiter durch. Am Ende hörten ihm nicht einmal mehr die prominentesten der prominenten Gäste zu. Einen vom Bürgermeister mit Lübbecker Spezialitäten gefüllten Präsentkorb gab es für Jörges trotzdem. Der sagte, als er zwischen den Produkten eine Flasche Bier entdeckte: &bdquo;Das brauche ich jetzt auch.“ Mehr zum Thema: Blasheimer Markt 2024 in Lübbecke: Alle Informationen zur Kirmes im Überblick

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