Straßenausbau: Beiträge für Anlieger werden nun doch nicht sinken

Lübbecke. Mit knapper Mehrheit hatte der Bauausschuss im Juni entschieden, die Anwohner an Straßen, die erstmalig hergestellt werden, finanziell bei den Anliegerbeiträgen zu entlasten. Dem vorausgegangen war ein Antrag der CDU. Doch die Freude war verfrüht. In geheimer Abstimmung hat der Rat am Donnerstag entschieden, dass es bei der bisherigen Kostenverteilung von 90 Prozent Anlieger - 10 Prozent Stadt bleibt. Die CDU hatte in ihrem Antrag dafür plädiert, dass die Kommune 30 Prozent der Kosten übernimmt. Für die Anlieger ist die Entscheidung bitter. In der Bürgerfragestunde waren etliche Bürger vertreten, die von einem Straßenausbau betroffen sind und teils fünfstellige Summen zu zahlen haben. Ein Anwohner der Niederbrake erklärte, dass es die Straße seit 1954 gebe, jetzt hätten die Anlieger die Nachricht über den Ausbau bekommen. Es hätte keine Möglichkeit gegeben, Rücklagen zu bilden, etwa die Hälfe der Anwohner seien Rentner. Insbesondere für die Älteren sei es schwierig, diese Summen zusammenzubekommen. "Es wird einem doch immer dazu geraten, Eigentum für das Alter zu bilden. Doch das wird jetzt zur Belastung. Die Summe hängt wie ein Damoklesschwert über uns", so der Redner. Für seine Worte erhielt er Applaus von weiteren Bürgern. Bürgermeister Frank Haberbosch verbat sich allerdings Beifall. Er wünsche ebenso auch keine Missfallsbekundungen, denn die Ratsmitglieder sollten unbeeinflusst entscheiden können. Das konnten sie auch, denn über die Neufassung der Erhebung von Erschließungsbeiträgen wurde ohnehin geheim abgestimmt. "Das kann zum Verkauf des Hauses führen" Das Verwaltungsoberhaupt verwies in der Einwohnerfragestunde darauf, dass die Bürger angeschrieben würden, wenn die Straße ausgebaut werde und es in der Regel einen Vorlauf von vier Jahren gebe. Zudem gebe es Härtefallregelungen und die Möglichkeit, zinsgünstige Ablöseverträge über zehn Jahre abzuschließen. Eine Anwohnerin des Wettlager Weges merkte an, dass die Anlieger erst 2021 informiert worden seien, dass 2023 der Ausbau anstehe. Zudem sei die Wettlage eine Durchfahrtsstraße, an der jahrelang nichts gemacht wurde. Jetzt solle die Straße auf Kosten der Anlieger hergestellt werden. Das könne dazu führen, dass der eine oder andere sein Haus verkaufen müsse. Das Straßenausbauprogramm werde laufend fortgeschrieben, da könne es im Einzelfall vorkommen, dass später informiert würde, so Haberbosch. "Die Baukosten sind um elf Prozent gestiegen" Bevor geheim über den Antrag der CDU sowie einen weitergehenden Antrag von Lübbecke Konkret (LK) abgestimmt wurde, meldeten sich die Fraktionen zu Wort. CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus-Jürgen Bernotat erklärte, dass seine Fraktion den Antrag im Mai für noch nicht erschlossene Straßen auf den Weg gebracht habe, die jetzt ausgebaut werden sollen und zum Teil sogar schon 70 Jahre alt wären. Gemäß dem Antrag sollte der Anliegeranteil um 20 Prozent reduziert werden, das auch vor dem Hintergrund der guten finanzielle Lage der Stadt. Die Bürger hätten keinen Einfluss auf den Ausbauzeitpunkt gehabt, in den vergangenen drei Jahren seien die Baukosten aber um gut 11 Prozent gestiegen. Die Anlieger jetzt zu entlasten, sei daher keine Ungleichbehandlung gegenüber Bürgern, die früher für den Straßenausbau zur Kasse gebeten wurden. Der neue Vomhundertsatz sollte ab 1. Juli gelten sowie rückwirkend für alle Baumaßnahmen, die zum Zeitpunkt des Beschlusses der geänderten Satzung noch nicht abgerechnet wurden. Laut Verwaltung wäre das für Straßenausbauten ab 2017 der Fall gewesen. Die 30-Prozent-Regelung wäre eine gute Möglichkeit, die Bürger zu entlasten, ohne die Allgemeinheit zu belasten. Dass die Stadt aktuell darüber nachdenke, wie sie ihr Geld anlegen könne, dem Bürger aber nichts zurück gebe, "das ist unanständig", so Bernotat. Die Grünen schlossen sich dem CDU-Antrag an. Lübbecke Konkret konnte sich dem Ansinnen anschließen, stellte aber wie schon im Bauausschuss den Antrag, dass die Anlieger rückwirkend bis zum 1. Januar 2012 von der neuen Kostenverteilung profitieren sollen. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde das mittelfristige Straßenausbauprogramm auf den Weg gebracht. Die Verwaltung äußerte hier aber bereits Zweifel, ob in diesem Fall überhaupt noch eine Rechtssicherheit gegeben sei, da die älteren Maßnahmen bereits abgerechnet wurden. "Betrachtung kann nicht an Grundstücksgrenzen enden" SPD-Stadtverbandsvorsitzender Andreas Schröder wies auf einen Antrag der SPD auf Landesebene auf Verjährungsfrist von Ausbaukosten hin, der allerdings von der derzeitigen Landesregierung abgelehnt worden sei. Darauf war die SPD von einem Bürger in der Fragestunde angesprochen worden. Schröder: "Wir sehen als SPD in erster Linie die Bürger, die in der Vergangenheit bereits zum jetzigen Satz ihre Ausbaukosten bezahlt haben." Den Lübbecker Sozialdemokraten seien die Sorgen und Nöte der Bürger - insbesondere der weniger betuchten - eine Herzensangelegenheit. "Wir nehmen Ihre Lage durchaus ernst", wandte sich Schröder an die Bürger. Die SPD habe das Für und Wider einer Kostensenkung ausführlich diskutiert und die Argumente abgewogen. "Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass unsere Betrachtung nicht an ihren Grundstücksgrenzen enden kann. Vielmehr müssen wir die Interessen aller Bürger im Blick haben." Die SPD stehe für den einstimmigen Beschluss, mit den Versäumnissen beim Straßenausbau ein für alle Mal aufzuräumen und die bisher nicht erschlossenen Straßen sukzessive fertigzustellen. Und die SPD stehe auch für Kostenverteilung von 90 zu 10, die mit dem Beschluss ebenfalls festgeschrieben wurde. Die vorgeschlagene Anpassung von 70 zu 30 sei aus Sicht der SPD ungerecht gegenüber der Allgemeinheit und dem Steuerzahler. Denn diese würden an der Wertsteigerung der anliegenden Grundstücke nicht partizipieren. Die einen würden noch abzahlen und durch den höheren Steueranteil noch einmal zur Kasse gebeten. Auch angesichts der guten Kassenlage der Stadt könne man nicht einfach mal "Fünfe gerade sein lassen". Die Stadt sei kein anonymes Sparbuch, von dem mal eben etwas abgebucht werden könne. "Die Stadt sind wir alle." Das Geld solle nicht in Anliegerstraßen investiert werden, sondern zukunftsweisend für alle, so Schröder abschließend. Kritisch gesehen wurde der CDU-Antrag auch von der Verwaltung mit Verweis auf die langfristigen finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt. Bei einer weniger guten Haushaltssituation könne das Rad nicht einfach zurück gedreht werden. Bei der geheimen Abstimmung votierten 26 Ratsmitglieder gegen den weitergehenden Antrag der LK, sieben waren dafür. Die Abstimmung über den Antrag der CDU ergab mit 18:18 Stimmen eine Pattsituation, womit der Antrag auf eine neue Kostenaufteilung als abgelehnt gilt. Das eigentlich 39-köpfige Gremium kam nur auf 36 Stimmen, da drei Ratsmitglieder aus den Reihen von CDU und Grünen fehlten.

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