Personen-Karussell im Lübbecker Stadtrat dreht sich weiter

Lübbecke. Seit der Kommunalwahl 2020 kommt der Lübbecker Stadtrat nicht zur Ruhe. Das Personen-Karussell dreht sich weiter und weiter. Nachdem die SPD und die Wählergemeinschaft Lübbecke (WL) ihre klare Mehrheit im Rat verloren hatten, bildete sich ein neues Mehrheitsbündnis, bestehend aus CDU, Grünen, FDP und Linkspartei. Ausgelegt auf fünf Jahre, hielt das neue Bündnis zwei Wochen. Dann stieg die CDU aus, weil die Verantwortlichen vor Ort den einstimmigen Beschluss des CDU-Bundesparteitags von 2018 in Hamburg ignoriert hatten, der Koalitionen mit AfD und Linken ausschließt. Als Einzelratsmitglied saß für die Linke damals Tanja Behring im Lübbecker Stadtrat. Die wurde 2023 unter anderem wegen nicht gezahlter Mitgliedsbeiträge aus ihrer Partei ausgeschlossen. Der Aufforderung der Linkspartei, für die sie 2020 in den Stadtrat eingezogen war, ihr Ratsmandat in Lübbecke niederzulegen, ist die schon zuvor fraktionslose und seit ihrem Ausschluss auch parteilose Behring bis heute nicht nachkommen. Das verärgerte nicht nur ihre Partei, sondern auch viele Ratsmitglieder. Noch turbulenter war es personell im Jahr davor zugegangen. Nachdem zum 1. Februar 2022 Grünen-Urgestein Heinrich Stenau wegen Unzufriedenheit mit der inhaltlichen Linie die Fraktion verlassen hatte, um als fraktionsloses Ratsmitglied weiterzumachen, folgte wenige Wochen später Kerstin Wöbbeking Stenaus Beispiel. Auch sie kehrte der Grünen-Fraktion den Rücken und blieb dem Stadtrat als fraktionsloses Einzelmitglied erhalten. Unzufrieden mit dem Zustand der Partei Mit Wöbbeking war bereits das dritte Mitglied des Lübbecker Stadtrates ausgeschert. Den Anfang hatte CDU-Ratsherr Henrich Oevermann gemacht. Der war seit Längerem so unzufrieden mit dem Zustand seiner Partei und der Fraktionsführung durch Klaus-Jürgen Bernotat (&bdquo;Zusammenarbeit unmöglich“), dass er die CDU-Ratsfraktion verließ und sich mit den FDP-Ratsherren Andreas Eickmeier und Bernd Kleine-Tiemann zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammenschloss, um weiterhin Anträge einbringen zu können. Wie der sachkundige Bürger Friedrich Schrewe, beendete auch Ralf Kleine-Tiemann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Lübbecker Rat, Anfang dieses Jahres seine Mitgliedschaft bei den Liberalen. Inzwischen ist Kleine-Tiemann in die SPD eingetreten und für die SPD-Fraktion als sachkundiger Bürger aktiv. Die Sozialdemokraten wollen ihn für die Kommunalwahl im Herbst offiziell als Ratskandidat aufstellen. Für Kleine-Tiemann ist kürzlich Hendrik Meier in die FDP-Fraktion nachgerückt. Die hat – wie die Grünen-Fraktion – einen Aderlass hinter sich und besteht mittlerweile nur noch aus Meier und dem Fraktionsvorsitzenden Andreas Eickmeier. Denn Henrich Oevermann, der noch immer CDU-Mitglied ist und bleiben will, hat gerade die Fraktionszusammenarbeit mit den Liberalen im 39 Köpfe zählenden Lübbecker Stadtrat beendet. Damit beträgt die Zahl der fraktionslosen Einzelratsmitglieder jetzt fünf: Neben Oevermann gehören Bernd Sasse-Westermann (Lübbecke Konkret), Tanja Behring, Heinrich Stenau und Kerstin Wöbbeking dazu. &bdquo;Frischer Wind“ dringend notwendig Warum Oevermann bereits zum zweiten Mal einer Fraktion den Rücken kehrt, begründete er im Gespräch mit nw.de unter anderem mit mangelnder Kommunikation. Ende März etwa hatte der SPD-Bürgermeisterkandidat Philipp Knappmeyer den Fraktionsvorsitzenden von FDP, WL und LK Ideen für eine Belebung der Innenstadt vorgestellt. WL, FDP und LK hätten sich in den zurückliegenden Jahren in allen wichtigen Fragen als verlässliche Partner erwiesen, merkte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Schröder anschließend an. Andreas Eickmeier kündigte bei diesem Treffen seine Unterstützung für den Kandidaten Knappmeyer an. Was dieser an Ideen für die Innenstadt vorgetragen habe, &bdquo;klingt nach einem Plan, der den nötigen Ehrgeiz mitbringt. Und Philipp ist zuzutrauen, Lübbecke in die Zukunft zu führen“. Von dieser klaren Positionierung Eickmeiers für den SPD-Kandidaten habe er aus der Zeitung erfahren, moniert Oevermann. Zudem favorisiert er selbst den Bürgermeister-Kandidaten der CDU, Bent-Maria Grote. Während Knappmeyer Dezernent der Stadtverwaltung sei, könne Grote als Mann von außen &bdquo;frischen Wind“ für Lübbecke bringen. Zweifel an Mandats- und Demokratieverständnis Frischer Wind sei dringend notwendig, sagt Oevermann, da die Stadtverwaltung sich nicht als Dienstleister der Bürger verstehe und der Rat sich bei Entscheidungen am Ziel Wiederwahl orientiere statt am Gemeinwohl. Statt parteitaktisch zu agieren, hätte der Rat inhaltlich &bdquo;mehr erreichen können“, so Oevermann. Als Paradebeispiel für Fehlentscheidungen führt Oevermann im Zusammenhang mit dem geplanten Grundschulneubau in Blasheim das Lehrschwimmbecken für mehr als vier Millionen Euro an. Für ihn ist das &bdquo;Geldvernichtung“. Mit der Summe für das Lehrschwimmbecken hätte man über Jahre den Offenen Ganztag finanzieren können. Mit seinem erneuten Ausscheren aus einer Fraktion und seinen Äußerungen über Rat und Verwaltung hat Henrich Oevermann diverse Ratsmitglieder nachhaltig verärgert. Die Rede ist von zweifelhaftem Mandats- und Demokratieverständnis Oevermanns, der offensichtlich keine Mehrheitsbeschlüsse akzeptieren könne. Sauer stößt zudem auf, dass Oevermann das erforderliche Ringen um Kompromisse und Mehrheiten, das ganz normal sei in einem demokratischen Prozess, offenbar nicht akzeptieren könne. So jemand habe im Stadtrat eigentlich nichts verloren. Stand heute will Oevermann im Herbst ohnehin nicht mehr kandidieren.

Meistgelesen