
Hüllhorst-Oberbauerschaft. Eine Spaziergängerin zeigt sich fassungslos. Seit Jahrzehnten wohne sie in Oberbauerschaft, der Anblick der Kahlflächen, die sich am Südhang des Wiehen seit Kurzem auftun, sei einfach nur fürchterlich. „Wie Streichhölzer liegen die Bäume da“, sagt sie. Auch auf der Südseite des Wiehen wird nunmehr die dramatische Lage offensichtlich. Das Sterben der Fichten.
Eine Kahlfläche reiht sich an die andere
Rund ein Drittel der Nadelbaumart im Wiehengebirge ist bereits zerstört. Jahrzehnte haben die Fichten Wind und Wetter getrotzt, doch die Trockenheit der letzten Jahre hat die Bäume derart geschwächt, dass der Borkenkäfer, der sich in die Rinde bohrt und die Saftstromleitungen der Bäume unterbricht, ein leichtes Spiel hat. Ein Gegenmittel gegen den gefräßigen Schädling, der sich zur Plage entwickelt hat, gibt es nicht.
Pessimisten geben der Fichte noch fünf Jahre
Pessimisten würden der Fichte noch fünf Jahre geben, sagte unlängst erst Revierförster Jürgen Rolfs aus Pr. Oldendorf. Die Pessimisten könnten recht haben. Allein von September bis November 2020 wurden im Wiehengebirge allein im Lübbecker Land 70 Hektar Holz (20.000 Festmeter) geschlagen. Jetzt geht es auf der Südseite weiter.
Eine Fläche von 50 bis 60 Sportplätzen
Bereits 300 Meter westlich der Bundesstraße B 239 geht es mit den Abholzungen im Bereich Niedringhausen los. Ihre Spuren hinterlassen haben die Motorsägen auch oberhalb des Hofes Oevermann, und dann geht es westlich entlang der Oberbauerschafter Straße immer so weiter. Eine Kahlfläche reiht sich an die nächste. „Insgesamt müssen rund 40 Hektar Wald abgeholzt werden“, sagt der Revierförster. Das entspreche einer Fläche von etwa 50 bis 60 Sportplätzen.
Vor sechs Wochen wurde mit den Abholzungen begonnen, noch etwa zwei Wochen werde es so weitergehen. Eine Naturfreundin hatte sich bei der NW gemeldet und gefragt, ob es nicht eigentlich verboten sei, vom 1. März bis 30. September Bäume zu entfernen? Denn in diesem Zeitraum schützt das Bundesnaturschutzgesetz nistende Vögel. Diese Regelung gelte nur im öffentlichen Raum wie Parkanlagen und in heimischen Gärten, nicht aber im Wald, sagt der Förster. „Wir haben extra noch vor der Zeit mit den Abholzungen begonnen und setzen auch auf die Intelligenz der Waldbewohner.“ Die würden sich angesichts des Lärms und der Unruhe in ruhigere Bereiche des Waldes zurückziehen.
Totholz könnte auf die Wege stürzen
Die Bäume, die entfernt werden, sind bereits abgestorben. „Wir überlegen intensiv“, sagt der Förster, „vielleicht auch einiges an Totholz stehen zu lassen.“ Doch die Bäume würden sich dann zu einer Gefahr entwickeln und könnten beim geringsten Sturm umstürzen, im schlimmsten Fall gar auf einen Wanderweg aufschlagen. „In spätestens vier Jahren kann man dann den Wald nicht mehr gefahrlos betreten“, so Rolfs.
Gegen das Stehenlassen spreche die Verkehrssicherungspflicht, die in diesem Fall den Waldbauern als Besitzern der Flächen obliege.
Nachgedacht wurde auch darüber, ob man den Wald anschließend nicht einfach sich selbst überlassen solle, sodass sich insektenfreundliche Bodendecker, Gehölze wie Weidenkätzchen und auch Bäume auf natürlichem Wege auf den Freiflächen ansiedeln könnten. Ein solches Konzept gebe es im Staatsforst. Ein paar Flächen werde man sicherlich auch so stehen lassen, sagt der Förster. Doch die Entscheidung gehe in Richtung Wiederaufforstung des Privatwaldes. „Wir brauchen die Klimaschutzleistung der Bäume durch die CO2-Bindung.“
"Die Bilder sind einfach schrecklich"
Natürlich werde man jedes Bäumchen stehen lassen, das sich von allein aussame. Doch im Wald klappe das nicht so gut wie auf dem Gartenboden, wo sofort jedes Korn keime. Im Wiehengebirge mache sich zudem der Adlerfarn breit, „darunter kommt kein Baum“. Ohne aktive Wiederaufforstung werde es nicht gehen.
Doch es wird dauern, bis auf den Kahlflächen wieder so etwas wie ein Wald zu erkennen ist. Vor ein paar Tagen erst hat sich Jürgen Rolfs mit Vertretern des Regionalforstamtes im Wiehengebirge getroffen. „Wir sind sehr niedergeschlagen auseinandergegangen. Die Bilder sind einfach schrecklich.“