Welches falsche Spiel dieser YouTuber aus der Querdenker-Szene treibt

Lübbecker Land. Eine Schiebermütze auf dem Kopf, das Mobilgerät in der Hand meist im Selfie-Modus für die gestreamten Live-Berichte von der Demo. Er ist mittendrin, statt nur dabei und längst einer der Gesichter der Szene. Seit Beginn der Pandemie mischt Matthäus Westfal aus Espelkamp bei den bundesweiten Protesten der Querdenker mit. Er verbreitet Unwahrheiten, steht Seite an Seite mit Rechtsextremen, stört Impfaktionen an Schulen wie in Rahden im September und rief zu illegalen Versammlungen auf. Inzwischen dürfte ihn auch der Verfassungsschutz beobachten. Was treibt diesen Mann an? Mit Corona findet der "Jesus Jünger" eine Bühne, die er vorher nicht hatte. 30.000 Abonnenten erreicht Aktivist Mann alias Matthäus Westfal über Telegram, auf YouTube holte er mit seinen 500 Videos tausende Klicks mit Impf-Mythen, Angstmache, Unwahrheiten und Interviews. So lange bis es Google zu bunt wird und der Konzern seine Kanäle wegen Verstößen löscht. Vor Corona war er nur auf Klagemauer.tv, einem Onliner-Sender der Sekte Organische Christus-Generation (OCG), zu sehen und auf AfD-Events anzutreffen. Nun erreicht er mit dem bedeutsamsten Thema dieser Tage - Covid 19 - ein deutliches größeres Publikum und verbindet es mit seiner rechten Ideologie, wenn er sich gegen eine Vermischung der Kulturen ausspricht. Ein perfides Spiel Es ist nicht nur Narzissmus, der den Selbstdarsteller mit russlanddeutschen Wurzeln antreibt. Immer wieder schimmert seine rassistische und antisemitische Ader durch. Bei einem Auftritt des damaligen CDU-Kanzlerkandidaten in Olpe im August überraschte er Armin Laschet. Der selbst ernannte Journalist hielt dem Spitzenpolitiker ein Mikrofon vor die Nase und fragte ihn mehrmals, ob er ein Konzentrationslager für Ungeimpfte errichten wolle. Mit dieser Frage zog er den Vergleich zwischen Ungeimpften und dem Leid der Holocaustopfer. Für die CDU ging diese Provokation offenbar nicht weit genug. Ob die Partei daraufhin Anzeige erstatten wolle, ließ sie auf NW-Anfrage unbeantwortet. Ein Journalistendarsteller der widerlichsten Art, lauert #Laschet auf der Straße in #Olpe auf und fragt immer lauter und immer wieder, Wird es #Konzentrationslager für Geimpfte äh Ungeimpfte geben.#MateoWestfal. #Nazikasper.#Schwurbler. #Querulanten.#OE1408. pic.twitter.com/V1s5fq6q5o chatfunk (@chatfunk) August 14, 2021Mit der NW wollte Westfal nur unter seinem anonymisierten Pseudonym "Aktivist Mann" sprechen, das lehnte die Redaktion ab. Denn auf den Straßen und im Internet spielt Westfal ein perfides Spiel und versteckt sich hinter einem Deckmantel. Greift ihn die Polizei bei Demos auf und nimmt ihn fest, beruft er sich auf die Pressefreiheit und schreit wie beim sogenannten Sturm auf den Reichstag vor einem Jahr, dass er Journalist sei. Veröffentlicht er manipulierte Bilder von Politikern, die sie auf der Anklagebank der Nürnberger Prozesse zeigen, heißt es zur Verbindung mit dem dritten Reich: Satire. Warum erreichen die Querdenker nichts? Ein Mitläufer ist der 25-Jährige längst nicht mehr, innerhalb der Szene ist er bestens vernetzt und zeigt sich mit Leuten wie dem Sänger der rechtsextremen Hooligan-Band Kategorie C, Hannes Ostendorf. Er kooperiert mit dem Compact-Magazin, das der Verfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft. Schon länger gilt er als Gefährte des Antisemiten und YouTubers Nikolai Nerling. Zusammen mit ihm trieb er sich und anderen Rechten im Flutgebiet im Ahrtal herum, um Falschinfos zu verbreiten. Seine Mitgliedschaft in der OCG-Sekte leugnet er weiter wie in der Pro7-Reportage "Deutschland radikal – Wie Hass unsere Gesellschaft spaltet". Bereits öffentlich zugegeben hat der 25-Jährige, dass er seine Sommer mit den Kindern des zwielichtigen Führers dieser Sekte, Ivo Sasek, verbracht hat. Doch der ganze Einsatz scheint bislang keine Früchte zu tragen - wie er jüngst selbst feststellte. In einem Gespräch mit dem Journalisten Thilo Mischke gab Westfal zu, dass die Demonstrationen nicht das erreicht hätten, was sie bewirken wollten. Die Querdenker hätten nur Menschen auf die Straße mobilisiert, die Politik setzte keine Forderungen (Ende der Maskenpflicht) um. Das liege daran, dass die Szene zu gespalten sei, so Westfal. Sein neustes Ziel: die Impfung für Kinder stoppen. Er ruft auf Telegram auf, die Schulen zu belagern und tauchte selbst an einer Schule in Rahden auf. Am Ende erhielt der 25-Jährige einen Platzverweis. Das sagt der Arbeitgeber Offenbar scheint Westfal den "Aktivist Mann" und die Arbeit bislang weiter trennen zu können. Seit 2018 arbeitet er beim Hüllhorster IT-Unternehmen Wortmann AG im Homeoffice und Außendienst. Wortmann wird vor allem in den sozialen Netzwerken auf seinen Mitarbeiter angesprochen, hat wegen ihm bereits Kunden verloren und juristische Schritte geprüft. "Unser Anwalt hat festgestellt, dass er für seine außerbetrieblichen Tätigkeiten im privaten Umfeld nicht arbeitsrechtlich sanktioniert werden kann", teilt Sprecher Meik Blase mit. Wortmann sei sich sicher, dass die Strafverfolgungsbehörden in gebotenem Umfang mit Westfal befassen. "Sollten dabei rechtsstaatliche Grenzen überschritten werden, erwarten wir entsprechende Maßnahmen." Wortmann schließt nicht aus, dass die Beobachtung des Geheimdienstes auch Folgen für das IT-Unternehmen haben könnte. Polizei schaut genauer hin Im Internet trommelt Westfal viel und laut, doch ins Visier der Justiz rückte er wohl noch nicht. Der Verfassungsschutz beobachtet mittlerweile bundesweit Gruppen und Protagonisten der "Querdenker"-Bewegung. Auch Westfal? Zu einzelnen Personen äußert sich der Verfassungsschutz nicht, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Eine Recherche der NW verdeutlicht, dass bei den Staatsanwaltschaften in Bielefeld und Berlin keine Ermittlungen gegen Westfal vorliegen. Vor allem in der Hauptstadt nahm die Polizei ihn bei Demos allerdings bereits fest. Auch für die Polizei im Kreis Minden-Lübbecke ist er kein Unbekannter, wie Sprecher Ralf Steinmeyer bestätigt: "Wir schauen genauer auf ihn." Mitte November behandelt das Amtsgericht Rahden ein Verfahren gegen eine Ordnungswidrigkeit. Westfal soll gegen eine Corona-Ausgangssperre in Espelkamp verstoßen und Einspruch eingelegt haben. Von der Bildfläche wird er so schnell nicht verschwinden. Die Frage bleibt: Was macht der Mann mit der Schiebermütze, wenn sich Corona endgültig gelegt hat?

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