„Es ist unerträglich“: Eltern vom getöteten Philipos Tsanis sagen vor Gericht aus

Minden/Bielefeld/Bad Oeynhausen. Die ersten vier Verhandlungstage im Prozess um ihren getöteten Sohn Philipos Tsanis haben Joanna Steinmann-Glogowski und Dimitris Tsanis Minute für Minute miterlebt. Die Eltern des 20-Jährigen treten als Nebenkläger auf, wollen im gesamten Gerichtsverfahren dabei sein. Am Mittwoch verließ Vater Dimitris Tsanis dann aber doch kurzzeitig den Saal, die Bilder der Gerichtsmedizin wollte er sich ersparen. Bleiben mussten beide Eltern dennoch: Sie waren vor dem Landgericht als Zeugen geladen. &bdquo;Es ist unerträglich für mich“, sagte die Mutter von Philipos, der bei ihrer rund 50-minütigen Aussage immer wieder Tränen über die Wangen liefen. Verantwortlich für den tragischen Tod des 20-Jährigen aus Minden soll ein 19-jähriger Syrer mit Wohnsitz in Bad Oeynhausen sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Totschlag und Körperverletzung vor. Der junge Mann soll Tsanis in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 2024 im Kurpark von Bad Oeynhausen mit Schlägen und Tritten so schwer verletzt haben, dass er zwei Tage später im Klinikum Minden mit schweren Hirnschäden starb. Der Angeklagte hatte am vergangenen Prozesstag tödliche Schläge oder Tritte in einer Erklärung bestritten und den Ermittlern eine Vorverurteilung vorgeworfen, weil er als Syrer gut ins Schema passe. Gericht und Staatsanwaltschaft hatten dies empört zurückgewiesen. DNA-Spuren von Philipos an den Schuhen des Angeklagten Der Vorsitzende Richter Carsten Glashörster griff die Geschehnisse der Vorwoche deshalb gleich zu Beginn der Verhandlung noch einmal auf. Er habe alles noch einmal gut durch den Kopf gehen lassen und sei der Auffassung, die Aussagen des 19-jährigen Syrers ließen sich nicht mit der Prozessakte in Einklang bringen. &bdquo;Das passt so nicht“, erklärte der Richter mit ruhiger Stimme und ergänzte: Das Landeskriminalamt (LKA) habe DNA-Spuren von Philipos Tsanis an den Schuhen des Angeklagten gefunden. &bdquo;Dabei handelt es sich mutmaßlich um Blut“, so Glashörster. Dieses Detail war bisher nicht öffentlich. Mehr zum Thema: Bad Oeynhausener Philipos-Fall vor Gericht: Knapp 60 Spuren rund um den Tatort Für Joanna Steinmann-Glogowski war es dennoch keine Überraschung, sie kennt die Akte. &bdquo;Ich bin froh, dass dieser Tag vorbei ist“, sagte sie nach der Verhandlung gegenüber dem &bdquo;Mindener Tageblatt“ (MT). Ihre Aussage im Zeugenstand und die Ausführungen des Gerichtsmediziners Dr. Maximilian Hagen von der Uniklinik Münster seien schwer gewesen. &bdquo;Es war das erste Mal, dass ich die Leiche meines Sohnes gesehen habe.“ Sie habe das aber als ihre mütterliche Pflicht angesehen. &bdquo;Es war schrecklich, aber wichtig, um weiter abzuschließen.“ Sie werde ihren Sohn dennoch mit seinem Lächeln in Erinnerung behalten. Mutter des getöteten Philipos beschreibt ihren Sohn Um Philipos dreht sich auch in der Zeugenaussage viel. Die Mutter beschreibt ihren Sohn als musikalisch talentiert, sehr sensibel, hilfsbereit und loyal. All das bestätigt auch Vater Dimitris, der seit mehr als 15 Jahren von seiner Ex-Frau geschieden ist und nun in Süddeutschland lebt. In den letzten vier Jahren habe er seinen Sohn nur zu Familienfeiern gesehen. Philipos sei immer ein liebes Kind gewesen und Konflikten aus dem Weg gegangen. Der 51-Jährige leide sehr. &bdquo;Ich komme mit dem Verlust nicht klar“, sagt er. Er befinde sich in psychologischer Behandlung. Die Mutter zählt in ihrer Vernehmung biografische Stationen auf. Philipos habe seit April 2024 in einer eigenen Wohnung gelebt, sei immer selbstständiger geworden und habe nach kurzer Aushilfsarbeit auch die Zusage für eine Ausbildung bei einem Hotel in Minden erhalten. Am Tag seines Todes hätte er seinen Führerschein machen wollen. Ergebnisse der Analyse von Philipos’ Blut Sie erinnert sich noch gut an den Abend, der alles änderte. &bdquo;Wir haben gefeiert und eine gute Zeit gehabt“, sagt sie. Ihr Sohn habe mit ihrem jetzigen Ehemann getanzt, etwas getrunken - aber nicht zu viel. &bdquo;Es waren drei Shots Wodka“. Diese Aufzählung passt zu dem Blutalkoholwert von 0,7 Promille, die der Gerichtsmediziner zuvor verlesen hatte. Dem Opfer war zwei Stunden nach der Tat eine Blutprobe entnommen worden. Philipos hatte demnach außerdem Cannabis und ein Abbauprodukt von Kokain im Blut. Wie der Gerichtsmediziner erklärte, sei die Konzentration so gering gewesen, dass es unwahrscheinlich sei, dass das Opfer kurz vor der Eskalation &bdquo;weißes Pulver“ konsumiert hatte. Der Hauptangeklagte hatte das in seiner Aussage vermutet. &bdquo;Es müsste Stunden vorher gewesen sein.“ Lesen Sie auch: Angeklagter im Bad Oeynhausener Philipos-Fall: &bdquo;Ich bin kein Mörder“ &bdquo;Dass er Gras geraucht hat, wusste ich, zum Kokain kann ich nichts sagen“, sagt Joanna Steinmann-Glogowski später und spricht von einem insgesamt offenen Verhältnis zu ihrem Sohn, bevor sie auf die Details der Tatnacht zu sprechen kommt. Außerdem richtet sie Worte an den 19-jährigen Mitangeklagten aus Magdeburg. &bdquo;Es wäre schön, wenn du redest und etwas sagst. Je mehr du es verzögerst, desto schlimmer ist es. Wenn du sagst, wie es war, hast du nichts zu befürchten.“ Der 19-Jährige schaut der Mutter bei den Ausführungen in die Augen und nickt leicht mit seinem Kopf. Die Ansprache bewegt ihn sichtlich. Mediziner spricht von &bdquo;massivster Gewalteinwirkung“ bei Philipos Rund drei Stunden zuvor hatte bereits der Richter versucht, den jungen Mann zu einer Aussage oder Einlassung zu bewegen. Dem Deutschen wird gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit Hehlerei vorgeworfen, er hat sich bis jetzt noch nicht geäußert. Nach kurzer Beratung mit seinem Anwalt verzichtete er auch weiterhin, stellte aber in Aussicht, in einer der folgenden Verhandlungen Angaben zu machen. Der dritte Angeklagte, ein 19-Jähriger aus Bad Oeynhausen, hatte in der Vorwoche ausführlich ausgesagt. Lesen Sie auch: Fall Philipos vor Gericht: Doppelt tödliche Gewalt im Kurpark Bad Oeynhausen Am Mittwoch zeigte sich auch, dass die Ausführungen des Hauptangeklagten aus der Vorwoche möglicherweise nicht mit den Erkenntnissen der Gerichtsmedizin zu vereinbaren sind. Experte Hagen stellte klar, dass der 20-jährige Mindener an den Folgen &bdquo;massivster Gewalteinwirkungen“ starb. Der Mediziner hatte Philipos Tsanis am 27. Juni obduziert, zuvor waren dem 20-Jährigen Organe für eine Spende entnommen worden. Mediziner: Philipos’ Verletzungen nicht allein durch Sturz erklärbar Das Verletzungsbild sei nicht allein durch einen Sturz erklärbar. Laut Gutachten gebe es nicht ein Bruchsystem im Schädel, sondern zwei. Dies sei Folge einer zweiseitigen, massiven Gewalteinwirkung, so Hagen. Einer der Brüche könne zwar - auch mit Blick auf Verletzungen am Schulterblatt - auf einen Sturz zurückzuführen sein, das müsse aber nicht zwingend so sein. &bdquo;Es kann auch nur stumpfe Gewalt gewesen sein.“ Der andere Bruch sei jedoch ein typisches Merkmal für einen Schlag mit der Faust oder alternativ eines Knies. Ursache für den Tod des jungen Mannes war demnach, wie bereits berichtet, ein Schädel-Hirn-Trauma. Zusätzlich zu den Verletzungen am Kopf beschrieb der Mediziner auch Blutergüsse am linken Arm. &bdquo;Da haben wir ein auffälliges Streifenmuster entdeckt.“ Dieses weise auf die Verwendung eines Werkzeuges wie einer Schuhsohle hin. &bdquo;Von wie vielen Gewaltanwendungen gehen sie aus?“, wollte Staatsanwalt Christoph Mackel vom Rechtsmediziner wissen. &bdquo;Vier voneinander getrennte Einwirkungen“, antwortete Hagen. Es habe einen Faustschlag ins Gesicht, stumpfe Gewalt gegen den linken Oberarm und die beiden Gewalteinwirkungen gegen den Kopf gegeben. Am Mittwoch, 19. Februar, wird der Prozess vor dem Landgericht Bielefeld fortgesetzt. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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