Totschlag im Bad Oeynhausener Kurpark: Fall Philipos fällt durch das Raster

Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg. Seit Städtenamen zu Chiffren für Gewalttaten und das Scheitern der deutschen Migrationspolitik geworden sind, kann man in Bad Oeynhausen eigentlich zufrieden sein, dass der gewaltsame Tod von Philipos Tsanis durch dieses Raster des Grauens gefallen ist. Selbst jene, die mit ihrer &bdquo;Mahnwache“ den Willen der Hinterbliebenen mit Springerstiefel traten und den Tod des jungen Mannes für ihre faschistischen Ziele instrumentalisierten, scheint der Totschlag im Kurpark nicht mehr spektakulär genug, um mit ihm um Wählerstimmen zu buhlen. Während die mutmaßlichen Täter sich vor dem Landgericht Bielefeld verantworten, folgt der überhitzte Politikbetrieb konsequent der ausschlagenden Amplitude der Gewalt. Doch was taugt die Entrüstung über die Gewalttaten, wenn die Opfer in der Debatte hierarchisiert und/oder gar vergessen werden? Am Beispiel der Gewalttat in Bad Oeynhausen drängt sich der Eindruck auf, dass das politische Personal auf Landes- und Bundesebene längst eine Routine zur Abarbeitung solcher Verbrechen durch Migranten gefunden hat: Nach dem Schock folgt die Empörung und dann das Eingeständnis, dass man eigentlich nichts dagegen machen könne. Als Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) auf Einladung von Bürgermeister Lars Bökenkröger nach der Tat in der Wandelhalle auf Konsequenzen angesprochen wurde, sprach er bei seinem Besuch in der Kurstadt sehr viel von Messerattacken, nicht aber von Philipos, der ohne Messer getötet worden war. Die Verallgemeinerung des Besonderen, in diesem Fall des Totschlags im Kurpark, sollte Reul wohl helfen, über Messerverbote sprechen zu können. Alles zum Thema Philipos: Aktuelle Nachrichten und Hintergründe Friedrich Merz schleifte die Unschuldsvermutung Doch auffällig ist, dass Philipos nicht mehr vorkommt. So hatte CDU-Fraktionschef Friedrich Merz die Tat im Kurpark in der von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde im Bundestag am 3. Juli 2024 als eine in einer &bdquo;ganz langen Reihe schwerer Übergriffe und Gewaltverbrechen“ gesehen. &bdquo;Die Namen der Städte, in denen sie geschehen, sind uns allen geläufig: Frankfurt, Krefeld, Lauf, Wolmirstedt, Freiburg. Wir alle kennen die Namen. Und fast allen diesen Taten ist eines gemeinsam: Die Täter sind als Jugendliche oder Heranwachsende in unser Land gekommen“, sagte Merz. Bad Oeynhausen wurde schon wenig später aus der Liste der Städtenamen sowohl von der AfD als auch von der CDU getilgt und das trotz der Empörung über die Migrantenhorde, die Philipos laut ersten polizeilichen Ermittlungen angegriffen habe. Merz schleifte dann die Unschuldsvermutung und teilte dem Bundestag mit: &bdquo;Der Täter lebt im Wege des Familiennachzugs seit mehreren Jahren in Deutschland.“ Mittlerweile ist die Horde auf ein Trio geschrumpft und zwei der drei Angeklagten sind Deutsche. Vielleicht ist das der Grund, warum Bad Oeynhausen nicht mehr auftaucht, vielleicht passt die Tat den Parteistrategen nicht mehr in die &bdquo;lange Reihe“. Auch die Haltung der Angehörigen, die selbst Migranten sind oder wie das Opfer einen Migrationshintergrund haben und unmissverständlich erklärt haben, nicht in Merz’ &bdquo;Reihe“ stehen zu wollen oder für neofaschistische Propaganda missbraucht zu werden, stört das Narrativ. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke Nach den Aktuellen Stunden erlosch das Interesse merklich Hinzu kommt, dass die Spitzen der CDU ihrem Parteifreund Lars Bökenkröger erst beistanden, nachdem der Bürgermeister sich öffentlich über deren Desinteresse beklagt hatte. Nach den Aktuellen Stunden erlosch das Interesse merklich und die Vorschläge des Bürgermeisters, die Überwachung technisch wie personell zu intensivieren, um Sicherheit zu gewährleisten, schafften es zwar in Talkshows, nicht aber auf die Tagesordnung des Landtags. Der Totschlag im Kurpark, der offenbar weder AfD noch CDU zur politischen Mobilmachung taugt, hat dennoch etwas Exemplarisches. An ihm lässt sich nämlich studieren, wie komplex die Gefahrenlage wirklich ist, wie ursachenfrei sich Gewalt entladen kann und dass sie eben nicht ein Privileg der Zugewanderten ist. Wer diese Komplexität mit einem Fünf-Punkte-Programm (ein solches wurde übrigens von der Union schon in der Aktuellen Stunde im Juli vorgestellt) vereinfachen will, wird den Opfern nicht gerecht, sondern suggeriert, dass es für komplexe Probleme einfache Lösungen gäbe. Liveticker zum Nachlesen: Aktuelle Stunde zum Fall Philipos im Landtag

Meistgelesen