Kampfabstimmung über die Grundsteuer in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Von Gerechtigkeit war die Rede. Aber auch von Rechtssicherheit. Letztere war dann auch das zentrale Argument für die Entscheidung des Finanzausschusses am Dienstagabend für einen weiterhin einheitlichen Hebesatz bei der Grundsteuer. Der Beschluss fiel nach engagiert geführter, kontroverser Debatte denkbar knapp aus. Die endgültige Entscheidung trifft an diesem Donnerstag, 7. November, der Stadtrat. Im neuen Jahr werden die Grundsteuern auf neuer Basis erhoben. Die alten Einheitswerte sind dann ungültig, neue Messwerte bilden die Grundlage für die Höhe der Grundsteuer. Die wurden, wie Kämmerer Marco Kindler dem Finanzausschuss erklärte, in NRW auf Basis des Bundesmodells berechnet. Dieses Bewertungsmodell hat aber zur Folge, dass sich zum einen das sogenannte &bdquo;Messebetragsvolumen“ insgesamt verringert hat. Das heißt: Bliebe die Stadt bei ihren aktuellen Hebesätzen, würde sie deutlich weniger Grundsteuern einnehmen. Konkret könnte Kindler dann nur noch mit rund acht Millionen Euro an Grundsteuern rechnen - statt wie bisher 11,6 Millionen Euro. &bdquo;Das ist keine Option für Bad Oeynhausen“, betonte der Kämmerer. Zweite Folge bei der Neuberechnung der Grundsteuermesszahlen: Die Messwerte für gewerblich genutzte Grundstücke fällt deutlich niedriger aus als die von Wohngrundstücken. Eine Unwucht, auf die das Land NRW mit dem Angebot an die Kommunen reagierte, unterschiedliche Steuer-Hebesätze für Wohn- und Gewerbeimmobilien einzuführen. Damit Bad Oeynhausen weiterhin auf seine 11,6 Millionen Euro Grundsteuereinnahmen käme, müsste der Hebesatz der Grundsteuer B für Wohngrundstücke von derzeit 552 auf 674 Prozent angehoben werden, der für Nicht-Wohngrundstücke auf 1.274 Prozent. Einheitlicher Steuersatz von 820 Prozent belastet Wohngrundstücke Bürgermeister Lars Bökenkröger und Kämmerer Marco Kindler hatten im Vorfeld der Finanzausschusssitzung empfohlen, auf eine solche Differenzierung zu verzichten. Kindler empfahl dem Ausschuss vielmehr, einen einheitlichen Steuersatz von 820 Prozent anzusetzen. Welche Auswirkungen das für die Steuerzahler hat, hat Kindler an Beispielen vorgerechnet. So würde für ein Einfamilienhaus statt wie aktuell 447 Euro dann 591 Euro fällig. Für ein Zweifamilienhaus, für das bislang 535 Euro zu zahlen wären, käme die Grundsteuer mit einem Hebesatz von 820 Prozent auf 649 Euro. Glücklicher sähen die Folgen des einheitlichen Hebesatzes für die Eigentümer von gewerblich genutzten Grundstücken aus. In Kindlers Beispielfall wären hier statt 5.065 Euro nur noch 2.680 Euro Grundsteuer zu zahlen. &bdquo;Wir sind überzeugt, dass wir einen solchen einheitlichen Hebesatz nicht einführen dürfen“, sagte Andreas Korff (Fraktion Kompass). &bdquo;Das hat auch mit Gerechtigkeit zu tun.“ So habe die Stadt erst im vergangenen Jahr die Grundsteuern erhöht, die Gewerbesteuer aber nicht. Auch Hendrike Diestelhorst (SPD) sprach sich gegen einen einheitlichen Hebesatz aus. &bdquo;Betroffen von der höheren Grundsteuer für Wohngrundstücke wären ja nicht nur die Eigentümer, sondern auch die Mieter“, sagte sie. &bdquo;Die Eigentümer von Wohngrundstücken zu belasten, die Eigentümer von gewerblichen Grundstücken zu entlasten - das finde ich nicht gerecht“, sagte Diestelhorst. &bdquo;Und genau dafür ist ein differenzierter Hebesatz ja die Lösung.“ Zwei Gutachten, zwei Einschätzungen Axel Nicke (BBO) versuchte die Ursache für die unterschiedlichen Wertzumessungen der Grundstücke zu beleuchten. &bdquo;Ein Gewerbegrundstück kostet 45 Euro pro Quadratmeter, ein Wohngrundstück aber 160 Euro“, erklärte Nicke. Die Differenz sei entstanden, weil man Gewerbegrundstücke subventioniert habe. &bdquo;Auch wir hier in Bad Oeynhausen haben besonders günstige Gewerbegrundstücke angeboten, um Unternehmen dazu zu bringen, sich hier anzusiedeln“, so Nicke. Diese Kosten habe schon die Allgemeinheit gezahlt. Nun auch noch die Allgemeinheit mit den Folgen dieser Subventionierung zu belasten, &bdquo;das wäre ungerecht“, so auch Nicke. &bdquo;Es macht keinen Spaß, hier zu entscheiden“, räumte Kurt Nagel (CDU) ein. Er verwies allerdings auf die Rechtsunsicherheit, die mit einer Einführung eines differenzierten Hebesatzes verbunden wäre. Darauf hatte auch Marco Kindler nachdrücklich hingewiesen. Es gibt zwei Gutachten zu den Rechtsfolgen eines differenzierten Hebesatzes. Das vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Gutachten sieht einen solchen zweigeteilten Hebesatz als rechtssicher an. Das Rechtsgutachten des Städtetages komme zu einem anderen Schluss, es sehe erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, so Kindler, und es stelle sogar fest: &bdquo;Eine rechtssichere Anwendung (...) durch die Gemeinden scheidet aus.“ Deshalb könne er nur einen einheitlichen Hebesatz empfehlen, sagte der Kämmerer. Bei einer Differenzierung drohe der Stadt &bdquo;ein Steuerausfall in ungewisser Höhe.“ Nämlich dann, wenn gegen den differenzierten Hebesatz geklagt würde und die Grundsteuersatzung der Stadt dadurch womöglich rechtsunwirksam würde. &bdquo;Ein einheitlicher Hebesatz kann nicht die Dauerlösung sein“ &bdquo;Zu Klagen wird es so oder so kommen“, gab Andreas Korff zu bedenken. Und machte diese Rechnung auf: In der Grundsteuer B gibt es 18.591 steuerpflichtige Wohngrundstücke, aber nur 2.523 Fälle von gewerblich genutzten Grundstücken. &bdquo;Mehr Klagen wären also wohl bei einem einheitlichen Hebesatz zu erwarten“, so Korff. &bdquo;Das entscheidende Kriterium ist doch die Rechtssicherheit“, hielt Thomas Dippert (Grüne) dagegen. &bdquo;Und der Kämmerer hat plausibel erklärt, dass Klagen gegen einen einheitlichen Steuersatz wohl ins Leere laufen würden.“ Auch Andreas Edler (Grüne) bekannte: &bdquo;Ich möchte nicht riskieren, eine rechtsunwirksame Satzung für Bad Oeynhausen zu bekommen.“ Er betonte aber auch: &bdquo;Ein einheitlicher Hebesatz kann nicht die Dauerlösung sein.“ Edler forderte: &bdquo;Sobald es Rechtssicherheit zur Frage eines differenzierten Hebesatzes gibt, müssen wir neu entscheiden.“ Dies wurde auch in den Beschlussvorschlag aufgenommen. Der sieht einen einheitlichen Grundsteuerhebesatz vor. Doch nach einer gerichtlichen Klärung der noch offenen Rechtsfragen sei die Thematik erneut zu beurteilen. Zudem soll die Verwaltung nach zwei Jahren über den aktuellen Rechtsstand berichten. Dem stimmten CDU und Grüne mit zehn Stimmen zu. Acht Mitglieder des Finanzausschusses stimmten dagegen, eines enthielt sich. An diesem Donnerstag, 7. November, wird sich der Rat der Stadt abschließend mit dem Thema befassen. Die öffentliche Sitzung beginnt um 17 Uhr im Bürgerhaus Rehme.

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