Jobcenter kürzt Bürgergeldempfängern in Bad Oeynhausen den Mietzuschuss

Bad Oeynhausen. Es geht um 27 Euro. Um 27 Euro überschreitet die Miete samt Nebenkosten den vom Jobcenter des Kreises Minden-Lübbecke angesetzten Mietrichtwert für Bad Oeynhausen. Das Jobcenter kündigte daraufhin Carmen Z. (Name geändert) an, dass der Bürgergeldempfängerin die Leistungen ab August um eben diese 27 Euro gekürzt werden, wenn es ihr nicht gelinge, ihre Wohnungskosten entsprechend zu senken. Dazu aber sieht die alleinerziehende Mutter keine Möglichkeiten. &bdquo;Was soll ich denn tun?“, fragt die Bad Oeynhausenerin, die nur eine von fast 1.000 Betroffenen im Kreis Minden-Lübbecke ist. Carmen Z., die aus Angst vor Repressalien ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, legt ihre Daten offen auf den Tisch. Sie bewohnt gemeinsam mit ihrem 13-jährigen Sohn eine 54 Quadratmeter große Wohnung in Bad Oeynhausen. Dafür zahlt sie 386 Euro Kaltmiete plus 122 Euro Nebenkosten - ohne Heizung. Laut Sozialgesetzbuch stünde ihr und ihrem Sohn sogar eine etwas größere Wohnung zu - bis zu 65 Quadratmeter. Die aber müsste günstiger sein als ihre jetzige Wohnung. Denn wie Carmen Z. vom Jobcenter des Kreises erfuhr, liegen die Kosten ihrer Wohnung mit 508 Euro (mit Nebenkosten, ohne Heizkosten) über dem hier gültigen Mietrichtwert. Der nämlich liege nur bei 481 Euro, schreibt das Jobcenter. Vorschlag vom Kreis: Miete senken oder untervermieten Und es macht der Bürgergeldempfängerin Vorschläge, wie sie ihre Unterkunftskosten senken könnte: Sie könne mit dem Vermieter über eine Mietsenkung verhandeln oder untervermieten. Eine Mietsenkung aber lehnt der Vermieter von Carmen Z. ab. Zumal die höheren Wohnungskosten nicht durch eine Mieterhöhung, sondern durch höhere Nebenkosten entstanden seien, wie die 40-Jährige berichtet. Und mit dem Untervermieten ist das bei 54 Quadratmetern für einen Zwei-Personen-Haushalt auch so eine Sache. Der der Vermieter zudem auch zustimmen müsste - was er im Fall von Carmen Z. ausdrücklich nicht tut. Lesen Sie auch: Wohngeld soll um durchschnittlich 30 Euro steigen Wie aus dem Schreiben des Kreises hervorgeht, erwarte das Jobcenter, dass Carmen Z. den &bdquo;unangemessenen Teil“ der Wohnungskosten - in diesem Fall also 27 Euro monatlich - aus eigenen Mitteln bestreite. Das aber stelle sie vor ernsthafte Probleme, versichert Z. Denn ihre gut 560 Euro Bürgergeld reichten gerade so, um rumzukommen. &bdquo;Ich bin nicht stolz darauf, Bürgergeld zu bekommen“, versichert Carmen Z. Sie bemühe sich nach Kräften zu arbeiten, sei aber aus gesundheitlichen Gründen nur dazu in der Lage, eine Teilzeitbeschäftigung auszuführen. &bdquo;Und was sollen wir erst machen, wenn alles noch teurer wird?“, fragt die 40-Jährige. Die erst recht über einen Satz im Anschreiben des Jobcenters entsetzt ist: &bdquo;Sollten die aufgezeigten Möglichkeiten nicht umgesetzt werden können, ist in der Regel ein Umzug unvermeidlich“, heißt es da. &bdquo;Aber wo sollen wir denn hin?“, fragt Carmen Z.. &bdquo;Es gibt doch keine günstigeren Wohnungen.“ Umziehen, um 27 Euro im Monat zu sparen? Das freilich sieht der Kreis anders. Sabine Ohnesorge, als Pressesprecherin des Kreises Minden-Lübbecke auch für die Öffentlichkeitsarbeit des Jobcenters zuständig, beantwortet die Fragen der NW zu dem Themenkomplex. Ohnesorge verweist zunächst darauf, dass Fälle wie der von Carmen Z. in Zusammenhang mit einer bundesweiten Regelung stehen, die es bereits seit 2005 gibt. &bdquo;Das sind sogenannte Kostensenkungsverfahren, die lediglich während der Corona-Pandemie ausgesetzt waren. Jetzt werden solche Verfahren schrittweise und mit Rücksichtnahme auf die Situation der Betroffenen wiederaufgenommen“, schreibt Ohnesorge. Dabei werde jeder Fall einzeln geprüft. &bdquo;Und wenn sich herausstellt, dass es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Kosten zu senken, wird das Verfahren nicht weiterverfolgt“, versichert die Kreissprecherin. Die Schreiben des Jobceners dazu seien &bdquo;erst einmal Informationsschreiben an die betroffenen Personen.“ Bis Mitte Juli habe das Jobcenter im Kreis Minden-Lübbecke 943 solcher Schreiben mit einer &bdquo;Kostensenkungsaufforderung“ verschickt. Bis dato seien nur insgesamt zwölf Widersprüche dagegen beim Kreis eingegangen, so Ohnesorge. Die mehrfach versichert, dass jeder Fall individuell geprüft werde. Dabei würden zum Beispiel auch die individuellen Lebensumstände der Betroffenen wie etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen berücksichtigt. &bdquo;Es gibt jedoch auch die Fälle, in denen auch nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten sowohl eine abstrakte und als auch eine konkrete Unangemessenheit vorliegen und ein Umzug möglich, zumutbar und wirtschaftlich ist“, erklärt die Kreis-Sprecherin weiter. In diesen Fällen sehe das Gesetz eine Kostensenkungsaufforderung vor. Lesen Sie auch: Was beim Bürgergeld gilt - und was verschärft werden könnte Es werde den Bürgergeldempfängern nicht vorgegeben, welche Möglichkeit zur Kostensenkung zu nutzen sei. &bdquo;Auch fordert das Jobcenter nicht zum Umzug auf. Das ist gesetzlich auch nicht vorgesehen“, betont Ohnesorge. Für solche Empfänger, die keine Möglichkeit zur Mietkostensenkung finden, aber wäre dann wohl die einzige Alternative zum Umzug, mit einer Kürzung des Bürgergeldes zu leben. Ein Umzug, um 27 Euro im Monat zu sparen - da fragt sich auch, ob da nicht die Umzugskosten die Erparnis vieler Jahre auffressen würden. Doch Sabine Ohnesorge erklärt: &bdquo;Auch das ist immer Teil der Wirtschaftlichkeitsberechnung.“ &bdquo;Angebote für angemessenen Wohnraum sind hinreichend verfügbar“ Im übrigen verweist das Jobcenter in seinen Schreiben darauf, dass &bdquo;auf dem Wohnungsmarkt grundsätzlich hinreichende Angebote für angemessenen Wohnraum verfügbar“ seien. Es stütze sich dabei auf Aussagen der Firma Analyse & Konzepte, die die Mietrichtwerte fortgeschrieben und ergänzend dazu Angebotsmieten im Kreis Minden-Lübbecke ausgewertet habe. &bdquo;Außerdem hat die Firma geprüft, ob Wohnraum verfügbar ist. Die Auswertung zeigt, dass es zu den fortgeschriebenen Richtwerten grundsätzlich möglich ist, Wohnungen auf dem öffentlichen Angebotsmarkt anzumieten“, erklärt Sabine Ohnesorge. Eine Erfahrung, die Carmen Z. nicht gemacht hat. Sie habe bislang für sich und ihren Sohn keine günstigere Wohnung in Bad Oeynhausen gefunden, berichtet sie. Alcay Kamis, Geschäftsführer der Städtischen Gesellschaft für Wohnen (SGW), ist da allerdings deutlich optimistischer. &bdquo;Unsere Kaltmiete liegt im Durchschnitt bei 5,40 Euro pro Quadratmeter“, rechnet Kamis. Allerdings sei die Nachfrage auch größer als das Angebot. &bdquo;Aber wer etwas Geduld mitbringt, dem müssten wir auch eine Wohnung anbieten können, die den Anforderungen des Jobcenters genügt“, sagt Kamis.

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