Scheidender Jobcenter-Chef: „Das Bürgergeld ist ein Beitrag zum sozialen Frieden“

Kreis Herford. &bdquo;Langweilig ist es nie gewesen“, sagt Klaus Binnewitt, wenn er auf seine 16-jährige Tätigkeit als Geschäftsführer des Jobcenters Herford zurückblickt. In der jüngsten Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses des Kreises Herford wurde Binnewitt mit Blumen und vielen guten Worten aus seinem insgesamt 47 Jahre währenden Dienst in der Kreisverwaltung verabschiedet. Ab dem Jahreswechsel übernimmt Yeter Gülal-Karaduman den Chefposten des Jobcenters. &bdquo;Ich hätte meiner Nachfolgerin durchaus ruhigere Zeiten gewünscht“, so Binnewitt vor den Mitgliedern des Fachausschusses in seiner letzten Rede dort. Das Jobcenter verzeichne nach wie vor steigende Fallzahlen bei den Empfängern des Bürgergeldes, so der Geschäftsführer. Empfangsberechtigt seien in diesem Jahr im Kreis Herford etwa 16.600 Menschen, die in rund 8.400 Haushalten lebten. &bdquo;Das ist kein monolithischer Block“, unterstreicht Binnewitt. Soll heißen: Im Kreis der Bezugsberechtigten für das Bürgergeld ist durchaus Bewegung. So hätten alleine innerhalb eines einzigen Monats in diesem Jahr 530 Empfängerinnen und Empfänger das System verlassen, 500 seien neu hinzugekommen. Das Bürgergeld sei, davon zeigt sich Binnewitt im Gespräch mit der Neuen Westfälischen überzeugt, ein &bdquo;Beitrag zum sozialen Frieden und Zusammenhalt“. Lesen Sie auch: Bundesagentur setzt strengeren Kurs beim Bürgergeld um Doch Binnewitt ist lange genug in diesem Fachbereich unterwegs, um zu wissen, dass das Bürgergeld auch politisch durchaus in der Kritik steht. Es &bdquo;wird in der Auseinandersetzung des Bundestagswahlkampfs stehen“, ist sich der Jobcenter-Chef sicher. Wie auch immer sich eine neue Bundesregierung künftig zu dieser Leistung inhaltlich stelle, von einem ist Binnewitt fest überzeugt: &bdquo;Den Begriff ,Bürgergeld’ wird es so nicht mehr geben.“ Denn dieser Name habe bei einigen den Eindruck hinterlassen, dass diese Leistung auch von solchen Menschen beantragt werden könne, die gar nicht leistungsberechtigt seien. Doch, so Binnewitt: &bdquo;Es ist kein bedingungsloses Grundeinkommen.“ Es habe auch im Kreis Herford, wie bundesweit, Fälle gegeben, wo Anträge gestellt worden seien, die offensichtlich unberechtigt gewesen seien. Binnewitt gibt zu bedenken, dass das Vermögen und Einkommen des gesamten jeweiligen Haushalts gegengerechnet werde. Das Bürgergeld erbringt existenzsichernde Leistungen Der Jobcenter-Chef ist sich bewusst, dass sich das System des Bürgergeldes Kritik und Reformwünschen stellen müsse. &bdquo;Rechtsvereinfachungen würden dazu beitragen, dass die Menschen das eher akzeptieren.“ Das Gesetz sei &bdquo;von Beginn an nie aus der politischen Kontroverse rausgekommen“. Der Gesetzgeber habe den Wunsch gehabt, möglichst jedem Einzelfall gerecht werden zu können. Doch dadurch seien die Bescheide oft unübersichtlich geworden. Binnewitt macht den Mitgliedern des Sozial- und Gesundheitsausschusses des Kreises das Kompliment, dass bei ihnen der seit 20 Jahren in der Politik tobende Streit um die Grundsicherung nie stattgefunden habe. &bdquo;Wir erbringen existenzsichernde Leistungen.“ Ziel der rund 250 Mitarbeitenden des Jobcenters sei es, &bdquo;das Ganze auf den Menschen auszurichten“. Lesen Sie auch: Lindner will bei Bürgergeld kürzen - Scholz reagiert kühl Die Kollegen und er selbst erlebten &bdquo;eine deutliche Diskrepanz zwischen der öffentlichen Debatte und dem, was bei uns im Hause abgeht“. Eine Stigmatisierung aller Bürgergeld-Bezieher trage zu einer &bdquo;gesellschaftlichen Spaltung bei“, warnt Binnewitt. Kritik an manchen Regelungen des Gesetzes sei in Ordnung. Doch man müsse auch daran denken, dass durch pauschal geführte Debatten eine große Gruppe von Bürgern stigmatisiert werde. Immerhin gebe es bundesweit rund fünf Millionen Empfänger von Bürgergeld. &bdquo;Hinter jeder Zahl steht ein Mensch“, betont Binnewitt. Sanktionen beim Bürgergeld in der Praxis kaum ein Thema Binnewitt geht auch auf aktuelle Äußerungen aus der Politik ein, die den Eindruck erwecken wollen, dass manche Menschen finanziell besser dastünden, wenn sie Bürgergeld bezögen anstatt arbeiten zu gehen. In diese Richtung hatte sich jüngst unter anderem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder geäußert und sich postwendend Dementis von Experten eingehandelt. So stellte das Ifo-Institut (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.) in einer Expertise zum Bürgergeld fest: &bdquo;Es wird deutlich, dass trotz der deutlichen Anhebung der Regelsätze im Bürgergeld weiterhin ein spürbarer Lohnabstand besteht.“ Die Ifo-Experten fügen indessen auch hinzu: &bdquo;Eine Reform des bestehenden Systems wird aufgrund der teilweise äußerst geringen Anreize zur Ausweitung bestehender Erwerbstätigkeit oder Erhöhung des Bruttoeinkommens für niedrige und mittlere Einkommen trotz des existierenden Lohnabstands für notwendig erachtet.“ Auch die Forderung von Sanktionen beim Bürgergeld aus konservativen Kreisen kommt bei Experten nicht gut an. Dazu berichtet Binnewitt aus dem Alltag des Jobcenters: &bdquo;Leistungsminderungen spielen nie die Rolle wie in der öffentlichen Diskussion.“ Der Jobcenter-Chef räumte zwar ein, dass es in manchen Kundengesprächen &bdquo;nicht immer eine gelassene Situation“ gebe. Doch mit solchen Situationen könnten die Fachkräfte des Jobcenters umgehen. &bdquo;Wir können stolz auf ihre Leistung sein. Ich glaube, dass ich ein gut bestelltes, motiviertes Team habe“, sagt Binnewitt. Das Jobcenter Herford ist in sieben von neun Kommunen des Kreises Herford mit eigenen Standorten vertreten. Spenge wird von Enger mit betreut, Rödinghausen von Bünde aus.

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