ICE-Trasse: Auf diesen Strecken ist Tempo 300 durch OWL möglich

Bad Oeynhausen. Es klingt spektakulär: Superschnelle ICEs sollen Bahnkunden künftig in 31 Minuten Fahrtzeit mit Tempo 300 von Bielefeld nach Hannover katapultieren. So lautet der Auftrag des Verkehrsministeriums an die Deutsche Bahn. Auf den bestehenden Gleisen ist das aber wohl nicht möglich. Bahn-Ingenieure suchen deshalb seit zwei Jahren im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums nach einem Schienenweg, auf dem das möglich wäre. Derzeit streiten die Planer mit Bürgerinitiativen und Naturschutz-Verbänden über die Bewertungsmethodik, um die Strecken zu vergleichen. Irgendwann im Frühjahr 2023 will die Bahn Trassen vorschlagen. Der Physiker und Bahn-Experte Jan Hinrich Thies hat die bisher bekannten Kriterien in mögliche Trassen umgesetzt und stellt sie der NW vor. "Es muss jetzt etwas passieren" Demnach gibt es überraschend viele Möglichkeiten für Tempo-Strecken zwischen Bielefeld und Hannover. Die Strecke darf - Anfahren und Abbremsen eingerechnet - nicht länger als 104 Kilometer lang werden. Thies hat die von den Bahn-Planern bereits ausgetüftelten Grobkorridore auf eine Landkarte übertragen und mit einem Zirkel den notwendigen Kurvenradius (4.250 Meter) für Tempo 300 eingezeichnet. Herausgekommen sind mehrere rein hypothetische Hochgeschwindigkeitstrassen, die der Physiker in seinem Internet-Blog vorstellt. Alle diese Trassen hält Thies allerdings gar nicht für notwendig. Er spricht sich klar gegen Hochgeschwindigkeits-Neubau-Pläne aus und favorisiert stattdessen den Ausbau der Bestandsstrecke in OWL sowie die Beseitigung des Engpasses zwischen Minden und Wunstorf. "Wir brauchen mehr Verkehr auf der Schiene", sagt Thies: "Es muss jetzt etwas passieren, nicht erst in zehn Jahren. Sonst müssen wir die A2 weiter ausbauen." Der Physiker hat mit seinem Kompagnon Stephan Schröder vom Ingenieurbüro Bahnzentrum in Bielefeld als Gutachter der Bürgerinitiative Widuland eine ICE-Trasse entworfen, die weitgehend ohne Tempo 300 auskommt. Der Clou ihres Vorschlags: Superschnelle Züge könnten immerhin noch mit Tempo 200 über weite Strecken auf der bestehenden Bahntrasse durch OWL rollen und müssten nur in Niedersachsen auf neue Gleise ausweichen. Die Fahrtzeit dieser Widuland-Trasse liegt allerdings bei rund 43 Minuten zwischen Bielefeld und Hannover. Scheuers 31 Minuten Fahrtzeit Die Deutsche Bahn dagegen hat noch vom ehemaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Auftrag bekommen, 31 Minuten Fahrzeit zu schaffen. Dahinter steht die Idee eines Deutschlandtaktes, das Fahrplan-Modell der Zukunft. Züge zwischen Hamm und Hannover sollen weniger als eine Stunde Fahrtzeit benötigen, damit die Umsteigezeiten an diesen Knotenpunkten passen. Bielefeld gilt in diesem Modell bloß als Zwischenhalt. Voraussetzung für den Deutschlandtakt ist also nicht bloß der Neubau zwischen Hannover und Bielefeld, sondern auch der Neubau zwischen Bielefeld und Hamm. Eine Fahrtzeit von unter einer Stunde wird aber nur möglich, wenn die Schnellzüge möglichst weit auf möglichst gerader Strecke Höchstgeschwindigkeit fahren - ungestört von Bahnsteigen und engen Kurven. Jan Thies zeigt in seinem Gedankenexperiment, dass es nach diesen Ministeriumskriterien mehrere Streckenführungen quer durch OWL geben könnte. Zwischen Bielefeld und Minden tut sich ab Herford ein Labyrinth der Möglichkeiten auf. Das Gedanken-Experiment des Bahnexperten belegt aber auch: Das 31-Minuten-Ziel ist nur durch Neubau zu verwirklichen. Thies: "Eigentlich müsste die Strecke so nah wie möglich am Bielefelder Bahnhof ausfädeln und so nah wie möglich in Hannover wieder einfädeln." Die Streckenführungen durch den Süden OWLs und damit durch Lippe hält er allesamt für uninteressant. Dort werden die 31 Minuten Fahrtzeit nicht erreicht. Geld, Bauzeit, Topografie und Naturschutz sind bei seinem bahntechnischen Experiment unbeachtet geblieben. Die Deutsche Bahn wird um diese Kriterien dagegen nicht herum kommen, wenn sie im Frühjahr ihre Vorschläge veröffentlicht. Auch deshalb ringen die Bahnplaner derzeit im Beteiligungsprozess mit Naturschutzverbänden und Bürgerinitiativen um einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die Trassenvarianten. Ein letztes Treffen noch in diesem Jahr mit den Beteiligten am Dienstag, 20. Dezember, wurde deshalb auf Ende Januar verschoben. Streitpunkt: Klimabilanz der Neubaustrecke Die vielen Hügel und Täler im Minden-Ravensberger Hügelland dürften die Baukosten für die Neubaustrecke enorm in die Höhe treiben. Brücken, Tunnel und die dafür notwendigen Erdarbeiten werden die Klima-Bilanz zudem erheblich trüben. Naturschutzverbände werfen den Bahn-Planern vor, den Klimagas-Ausstoß durch diesen Betonbau zu vernachlässigen. Die Deutsche Bahn verweist dagegen auf eine bereits vorliegende Klimabilanz für den Korridor Berlin-Hannover-Bielefeld. "Gemäß der Bilanzierung des Bundes spart das Gesamtprojekt künftig unter Beachtung der CO2-Emissionen des Baus pro Jahr 41.000 Tonnen CO2 ein", hat eine Bahnsprecherin bereits Anfang November auf Anfrage der NW erläutert.

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