Auftragsvergabe ICE-Trasse Bielefeld-Hannover: Verkehrsministerium schraubt am Deutschlandtakt herum

Bad Oeynhausen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) legt überraschend Hand an den Deutschlandtakt. Sein Ministerium bereitet derzeit Anpassungen des deutschlandweit geltenden Wunsch-Fahrplans für den künftigen Eisenbahn-Fernverkehr vor. Das geht aus einer öffentlich einsehbaren Auftragsvergabe hervor. Kritiker aus Ostwestfalen-Lippe und Niedersachsen haben immer wieder mit Blick auf die ICE-Trasse quer durchs Land Anpassungen gefordert, fanden jedoch kein Gehör. Der Deutschlandtakt wurde noch von CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer mit der Bahnlobby abgestimmt. Dieser Taktfahrplan ist zugleich Grundlage für zahlreiche Bauprojekte. Aus ihm leitet sich das Hochgeschwindigkeitsprojekt "Hannover-Bielefeld" ab. Für das Planungsteam der Deutschen Bahn um Projektleiter Carsten-Alexander Müller gilt der Auftrag von November 2020: eine Strecke zu finden, auf der Züge zwischen den Oberzentren Bielefeld und Hannover bloß 31 Minuten Fahrtzeit brauchen. Diese Zeitvorgabe erfordert streckenweise Tempo 300 und schließt eine Trasse auf den bestehenden Schienenwegen praktisch aus. Seit einem Jahr sucht ein Projektteam von Bahn-Planern nach dieser optimalen Aus- oder Neubau-Trasse, gegen die es den geringsten Widerstand gibt. Projektleiter Müller hat erste Trassen-Vorschläge für Anfang 2023 angekündigt. Werden seine Planungen jetzt überflüssig, wenn der Minister am Wunsch-Fahrplan herumdoktert? Ministerium: Kein neuer Deutschlandtakt, aber Anpassungen Das Verkehrsministerium antwortet auf Nachfrage der NW ausweichend. Bedarfspläne für die Bundesschienenwege würden alle fünf Jahre überprüft: "Die Fortschreibung des Zielfahrplans für den Deutschlandtakt dient nicht der Neukonzeptionierung, sondern der Anpassung an die aktuelle Nachfrageentwicklung", schreibt ein Sprecher des Ministeriums. Berlin will zunächst die Verkehrsprognose 2040 in den Deutschlandtakt einarbeiten. Die Verkehrsprognose fürs übernächste Jahrzehnt wird derzeit parallel zum Deutschlandtakt erstellt. Vom Wunsch-Fahrplan Deutschlandtakt gibt es derzeit bloß einen "dritten Gutachterentwurf", aus dem jedoch Planungsverfahren wie das quer durch OWL abgeleitet werden. Der überarbeitete Zielfahrplan, so das Ministerium, solle noch in dieser Legislaturperiode vorliegen und Grundlage des Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplans 2040 werden. "Insofern wird es keinen vierten Gutachterentwurf geben", erklärt der Sprecher. Der Auftrag fürs Projektteam "Hannover-Bielefeld" gilt dagegen weiter, bekräftigt das Ministerium. Für diese Strecke sei "der vordringliche Bedarf gesetzlich festgestellt". Die Bearbeitung der Trasse steht im geltenden Bundesschienenwegeausbaugesetz. Wenn der Deutschlandtakt überarbeitet wird, so das Ministerium, werde der Bundestag über die Ergebnisse informiert. Ausgeschlossen ist also nicht, dass es womöglich doch einen "Deutschlandtakt 3.1" geben wird. Das steht in der Auftragsbeschreibung Aus der Leistungsbeschreibung zur "Fortschreibung des Zielfahrplans Deutschlandtakt" lässt sich erahnen, an welchen Stellschrauben das Ministerium drehen will. Kritikern einer neuen ICE-Trasse quer durch OWL wird das nicht gefallen. Vordergründig soll der Deutschlandtakt zwar bloß an die derzeit parallel erarbeitete "Verkehrsprogonose 2040" angepasst werden. Das ist jedoch längst nicht alles. Die Gutachter bekommen 24 Monate Zeit und einen Kostenrahmen von 563.025,00 Euro für die Überarbeitung. Für dieses Geld soll der Deutschlandtakt der erwarteten Wirklichkeit angepasst werden und zum Beispiel auch die inzwischen überarbeiteten Nahverkehrskonzepte der Länder berücksichtigen. Für Ostwestfalen-Lippe wäre das beispielsweise das Konzept einer "S-Bahn OWL", die über dieselben Schienen rollen soll, auf denen derzeit noch zahlreiche ICEs im Fernverkehr rollen. Die Planer der "S-Bahn OWL" haben deshalb immer betont, dass eine Ausweitung des Nahverkehrs in der Region nur möglich ist, wenn der Fernverkehr - wie im Deutschlandtakt vorgesehen - Platz für den Nahverkehr macht. Ob das im Umkehrschluss auch bedeutet, dass die ICEs auf neuen Schienenwegen durch die Region rollen müssen, damit eine "S-Bahn OWL" Wirklichkeit werden kann, ist bislang unklar. Berlin macht für die Überarbeitung des Deutschlandtaktes noch weitere politische Zielvorgaben. So sollen im überarbeiteten Fahrplan "Oberzentren" besser an den Fernverkehr angeschlossen werden. Als Oberzentren gelten Städte, die eine gewisse Magnetwirkung aufs Umland entfalten. Eine bundeseinheitliche Definition dazu fehlt jedoch. Allein NRW hat laut Landesentwicklungsplan 16 Oberzentren, in OWL fallen nur Bielefeld und Paderborn in diese Kategorie. Bahn soll Flughäfen besser anbinden Laut Auftragsbeschreibung soll eine "bessere Anbindung von Luftfahrt-Drehkreuzen an die Schiene" im Deutschlandtakt berücksichtigt werden. Genau diese Ausrichtung aufs Flugzeug kritisiert beispielsweise die "Initiative Klimabahn", so wie jüngst Hendrik Auhagen auf einer Tagung der Naturschutzverbände zur ICE-Trasse ("Takt vor Tempo"). Die Bahn mache sich durch die falsche Strategie zum Handlanger des Flugzeugs statt dem Auto Konkurrenz zu machen. Das Ministerium will laut Auftragsbeschreibung außerdem "grenzüberschreitende Verbindungen im Deutschlandtakt" stärken. Das betrifft womöglich auch die ICE-Trasse von Bielefeld nach Hannover. Ab Löhne könnte die Trasse nämlich erhebliche Synergien entfalten, wenn auf den Schienen gleichzeitig auch der IC von Amsterdam nach Berlin rollt. Sollte das Ministerium weiter an den 31 Minuten Fahrtzeit festhalten, müssten auf der bestehenden Strecke aber vermutlich zahlreiche Kurven abgeschnitten und neue Gleise gebaut werden. Die Bahnplaner nennen dieses Modell eine Hybridtrasse aus Bestands- und Neubaustrecke. Wer auch immer den Planungsauftrag aus Berlin annimmt, wird zudem auch noch die Versprechungen des Investitionsgesetzes Kohleregionen (InvKG) in den neuen Deutschlandtakt einarbeiten müssen. Das Gesetz sieht laut Paragraph 21 in den Kohleregionen der Lausitz, im Mitteldeutschen Kohlerevier sowie im Rheinischen Braunkohlerevier zusätzliche Investitionen in Schienenwege vor.

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