Das Ende der Landrätin: Zwei persönliche Eindrücke von der Politikerin

Kreis Minden-Lübbecke. Ein Tag noch. So lange ist Anna Katharina Bölling noch die wichtigste Frau im Kreis Minden-Lübbecke. Zumindest offiziell. Ab dem 1. September arbeitet die Noch-Landrätin nicht mehr in ihrem Amt, sondern ist neue Regierungspräsidentin. Ein guter Zeitpunkt für diesen Doppel-Kommentar. Thorsten Gödecker, Leiter der NW-Redaktion Bad Oeynhausen: Reisende soll man nicht aufhalten. Aber: Niemals geht man so ganz. Irgendwas von ihr bleibt hier. Bei Ex-Landrätin Anna Katharina Bölling stellt sich die Frage: Was? Nach knapp zwei Jahren als Landrätin packt sie ihre Koffer und zieht weiter - nach Detmold. Dort wird sie als Regierungspräsidentin der Bezirksregierung vorstehen. Aus Sicht funktionalistisch denkender Parteistrategen setzt Bölling ihre Bilderbuchkarriere fort, erklimmt die nächste Sprosse auf der Leiter. Demokratietheoretisch ist das Durchdringen der Institutionen mittels sogenannter Verwaltungsexperten quasi ein Ausschlusskriterium für Seiteneinsteiger, die Politik nicht als Beruf, sondern als Berufung begreifen. Wohin das führt, macht Bölling selber deutlich, wenn sie sich dafür lobt, die Transparenz des Kreises Minden-Lübbecke gesteigert zu haben. Nur: Es stimmt nicht. Monatelang herrschte Rätselraten über die Inhalte des Antrages, mit dem der Kreis bei der Landesregierung um Zuschüsse für den Neubau von zwei Krankenhäusern bettelte. Wer durch Scheitern verursachten Zeitdruck und geführt durch die “Fachexpertise” externen und des eigenen Sachverstands 430 Millionen Euro von Land und Bund als Zuschuss haben will und mit maximal 178 Millionen Euro abgespeist wird, hat sich damit vielleicht das Vertrauen des Ministerpräsidenten und die Berufung zur Regierungspräsidentin verdient, dem Kreis und den Mühlenkreiskliniken aber einen Bärendienst erwiesen. Dennoch sieht sich die neue Regierungspräsidentin als "kompetente Person". Eine Vorladung des Stadtrats hat sie ignoriert Ja, man kann und darf gehen, wenn es ungemütlich wird. Das ist menschlich. Doch sollte man verantwortungsethisch zumindest das Erreichen eines Zwischenziels vorweisen können; beim Kreis aber (und bei der heimischen CDU) hängen seit Böllings "Beförderung" alle Enden unverknotet in der Luft. Von der peinlichen Posse um die Krankenhausförderung einmal abgesehen, dürften die Kurstädter wenig von Böllings Karrieresprung merken. Bad Oeynhausens, freundlich als distanziert beschriebenes Nichtverhältnis zum Kreis, teilt man auf der anderen Seite auch im Kreishaus. Da machte Bölling keine Ausnahme. Als der Rat sie in Sachen Krankenhaus freundlich vorladen wollte, ignorierte sie das und gab nur dem Ältestenrat hinter verschlossenen Türen (Transparenz!) Auskunft. Dieses doch recht merkwürdige Verhältnis zwischen Kreis und Kurstadt dürfte sich übrigens wohl nur grundlegend ändern, wenn Böllings Nachfolger oder Nachfolgerin aus Bad Oeynhausen käme. Wer weiß? Die neue Regierungspräsidentin, die sich nun qua Amt keinen Wahlen mehr stellen muss, begleitet ein Wunsch: Gute Reise! Frank Hartmann, Leiter der NW-Redaktion Lübbecke/Espelkamp: Anna Katharina Bölling tritt morgen ihr Amt als neue Regierungspräsidentin an. Dazu kann man ihr nur gratulieren. Andererseits hat mir bis heute niemand erklären können, was sie für diesen Karriereschritt eigentlich qualifiziert. Hat sie in den nicht einmal zwei Jahren als Landrätin im Mühlenkreis wirklich genügend Verwaltungserfahrung gesammelt? Steckt hinter dem Ruf nach Detmold also mehr als jung, weiblich, CDU-Mitglied, wie manche Kritiker spötteln? Eigentlich sollte Bölling den Kreis Minden-Lübbecke "aus seiner Lethargie" holen und das "zu Tode verwalten" beenden. Diesen Wunsch hatte der CDU-Kreisvorsitzende Oliver Vogt im Juni 2020 in der Lübbecker Stadthalle an sie gerichtet, nachdem 97,5 Prozent der Delegierten sie als Landratskandidatin gewählt hatten. Gemünzt waren die Seitenhiebe auf Böllings Vorgänger, Ralf Niermann (SPD). Der hatte manchmal ein fragwürdiges Verständnis von Offenheit und Transparenz. Beides ließ auch Bölling gelegentlich vermissen. Ausgerechnet bei einem der wichtigsten Themen im Kreis - der Gesundheitsversorgung. In Rahden und Lübbecke stand sie ausschließlich mit den Vorständen der Mühlenkreiskliniken auf der Bühne. Für die meisten Zuhörer, die Bürger, blieb sie an diesen Abenden weitgehend unerreichbar. Auch für die Presse. Selbst die Stadt- und Gemeinderäte hat die Landrätin in der Krankenhaus-Frage nur aus der Ferne informiert. Schwierig, in Kontakt zu kommen Auch bei anderen Begegnungen mit der Landrätin war es schwierig bis unmöglich, mit ihr in Kontakt zu kommen. Von sich aus gesucht hat sie ihn nie. Mal grüßte sie neutral in die Runde, etwa auf dem Lübbecker Marktplatz, wo sie verspätet zur IHK-Aktion &bdquo;Heimat shoppen“ erschien. Mal wich sie jeglichem Blickkontakt aus und begrüßte gezielt nur eine Journalistin, die zwei Meter neben mir saß. Einmal allerdings habe ich tatsächlich eine andere Seite Böllings kennengelernt. Ich hatte ihr per Mail mein Mitgefühl ausgedrückt, nachdem Querdenker mit Fackeln an ihrem Privathaus vorbeigezogen waren. Einige Tage später antwortete sie, bedankte sich herzlich für die Solidarität und wünschte mir Gesundheit und alles Gute. Diese guten Wünsche möchte ich, bei aller Kritik, nun zurückgeben.

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