Seit 51 Jahren im Handwerk: Warum dieser 67-Jährige immer noch arbeitet

Bad Oeynhausen. Für Thomas Brinkmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Wittekindsland, ist er die "absolute Ausnahme": Udo Schirrmacher arbeitet seit 51 Jahren als Heizungs- und Lüftungsbau-Installateur - davon allein 46 Jahre bei der Firma Erwin Pieper in Eidinghausen. "Diese Zahlen wird niemand in diesem Beruf mehr erreichen", ist sich Brinkmann sicher. Wobei das nicht nur daran liegt, dass es diese Berufsbezeichnung heute gar nicht mehr gibt. "Ich habe ganz früh angefangen", nennt Udo Schirrmacher einen weiteren Grund. Der 67-Jährige hat nach acht Jahren auf der Bürgerschule in der Bad Oeynhausener Altstadt schon als 14-jähriger seine Lehre gestartet - heute gibt es eine zehnjährige Schulpflicht und damit einen deutlich späteren Einstieg ins Berufsleben.Natürlich gab es 1969 weniger Auswahl - erst recht, wenn eine Schreibtischtätigkeit von vorneherein ausschied. "War mir zu langweilig", erinnert sich Schirrmacher an ein paar Schnuppertage bei seiner Mutter, die damals in einem Büro in der Weserhütte arbeitete. Blieben also die klassischen Handwerksberufe Maler, Tischler, Maurer, Klempner, Bäcker. . . . In der Familie Schirrmacher gab es dafür bislang keine Vorbilder, allerdings hatten die Eltern einige Räume ihres Wohnhauses zu Fremdenzimmern umbauen lassen und für den Einbau der Waschbecken die Hilfe eines Installateurs benötigt. "Fand ich interessant", erinnert sich Schirrmacher und bewirbt sich bei der Firma Klamor. Das Vorstellungsgespräch ist erfolgreich, schon einen Tag danach, am 1. Juli 1969, ist Schirrmachers erster Arbeitstag. Sein handwerkliches Geschick muss er vorher nicht unter Beweis stellen, wohl aber versprechen, nach der Lehre seinen Wehrdienst zu absolvieren. Ausbildungsbeginn war üblicherweise der 1. August, doch darauf mochte der Chef nicht warten. In den Wirtschaftswunderjahren gab es viel Arbeit, aber nicht genügend Fachkräfte. "Weiterbeschäftigung nach der Lehre war garantiert", zeigt Schirrmacher eine weitere Ähnlichkeit zu heutigen Zeiten auf.Heizkörper aus GusseisenZeit zum Eingewöhnen hat Schirrmacher nicht. Gleich am ersten Arbeitstag muss der 14-Jährige mit seinem Chef auf eine Baustelle und von früh bis spät Heizkörper schleppen. Die waren damals aus Gusseisen und entsprechend schwer. "Ich war stehend k.o.", bilanziert Schirrmacher. Ähnlich fühlt er sich noch häufig, schließlich bringen nicht nur Heizkörper erhebliches Gewicht mit. Kessel können durchaus über 500 Kilogramm wiegen, für den Transport gibt es zwar Sackkarren. Auf der Treppe zum Heizungskeller helfen die aber wenig. Für den Einbau müssen Rohre verlegt werden, da muss dann der Installateur auch noch Löcher in Mauern stemmen und dicke Löcher bohren. "Das war echte Knochenarbeit", fasst Schirrmacher zusammen. Entmutigen lässt er sich davon nicht. Nach erfolgreich beendeter Lehre und dem Bundeswehrdienst kehrt er zu seinem Ausbildungsbetrieb zurück, arbeitet dort sechs Jahre lang als Geselle. Zusammen mit seiner Familie wohnt er in Eidinghausen - nur wenige Hundert Meter von der Firma Pieper entfernt. Auch das ist ein familiengeführter Fachbetrieb für Heizungs- und Sanitärtechnik, der 1975 einen zusätzlichen Fachmann sucht. Schirrmacher bewirbt sich - und bekommt ähnlich schnell wie damals als 14-Jähriger die Zusage. "Das war eine gute Entscheidung", sind sich Schirrmacher und Geschäftsführer Michael Pieper einig. Schließlich hält die von Piepers Vater eröffnete und von ihm seit 2002 fortgesetzte Beziehung nun schon 46 Jahre. "Ich habe meine Berufswahl nie bereut", hebt der Heizungsfachmann hervor. Denn: "Dieses Handwerk ist abwechslungsreich und anspruchsvoll". Auch in seinem Beruf reichten Kraft und handwerkliches Geschick nicht mehr aus, natürlich müsse man auch moderne Technik beherrschen. Um so mehr ärgert es ihn, dass sein Handwerk nicht die entsprechende Wertschätzung erfahre. "Wir werden stiefmütterlich behandelt", kritisiert er auch mit Verweis auf Lohnentwicklung und öffentliche Darstellung in den Medien. Sonnenkollektoren sind auch schwer 2018 erreicht Schirrmacher das gesetzliche Rentenalter, nimmt das aber nicht zum Anlass, sich aus der Firma Pieper zu verabschieden: "Ich arbeite weiter", hat er mit seinem Chef vereinbart. Finanzielle Gründe seien dafür nicht entscheidend, wohl aber, die Freude an der Arbeit und vor allem "die tolle Kollegialität", auf die er auch als Rentner nicht verzichten wolle.Zumindest nicht von montags bis donnerstags, da ist er mit Elan im Einsatz. Und den braucht es auch. Längst gehört auch der Einbau von Sonnenkollektoren auf dem Dach zu seinen Aufgaben. "Das ist Quälerei", räumt er freimütig ein. Der Transport schwerer Heizkessel ist dagegen deutlich leichter geworden. Dafür gibt es den roten Treppensteiger, der auch beim Weg in den Keller hilft. Und Heizkörper werden heute auch nicht mehr aus Gusseisen gefertigt.Doch es gibt noch einen wesentlichen Unterschied zum Beginn seiner beruflichen Tätigkeit. "Den Heizungs- und Lüftungsbauinstallateur gibt es gar nicht mehr", sagt Schirrmacher. Zumindest nicht als Berufsbezeichnung. Die lautet seit einigen Jahren Anlagenmechaniker.

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