Warum die Werre erneut tiefer gelegt wird

Bad Oeynhausen. August 2006: Das Wasser hat die Werre weitgehend verlassen. Ein morastiges, in Teilen stinkendes Flussbett ist zurückgeblieben. Gezielt war das Sielwehr abgesenkt worden, um zu sehen, welche Auswirkungen das auf den Grundwasserspiegel haben wird. Damit sollten Daten für die Planungen zum Umbau des Wehrs gesammelt werden. Sechs Wochen lang war das untere Werretal ein Bild des Jammers. "So schlimm wird es diesmal hoffentlich nicht werden", sagt Eckhard Nolting, Biologe und Gewässerexperte der Stadtverwaltung. Diesmal soll es auch schneller gehen. Anderthalb Wochen hat Nolting für die Tieferlegung der Werre veranschlagt - vom 12. bis 21. September. Und diesmal geht es auch nicht um die Auswirkungen aufs Grundwasser, sondern um den Zustand des Sielwehrs. "Die Aufsichtsbehörden beim Kreis und bei der Bezirksregierung haben uns aufgefordert, eine Sicherheitsüberprüfung des Wehres durchzuführen", berichtet Nolting. Etwa alle zehn Jahre soll das Wehr untersucht werden. Zuletzt wurde die Anlage 2006 untersucht. Die Prüfung sei also überfällig. "Sie war auch eigentlich schon im Sommer 2019 vorgesehen", berichtet Nolting. Da habe man aber von einer Absenkung des Wehrs abgesehen, weil da aufgrund der anhaltenden Trockenheit der Werrepegel ohnehin schon extrem niedrig war. "Es war zu befürchten, dass das Flussbett dann komplett trocken gefallen wäre", sagt Nolting. Was für Krebse, Muscheln und Fische wohl tödlich gewesen wäre. Der Kokturkanal wird abgefischt Jetzt soll der Pegel um 2,55 Meter abgesenkt werden. Rund 50 bis 60 Zentimeter Wassertiefe soll die Werre behalten - wenn's regnet, vielleicht auch ein bisschen mehr. Genug für Steinbeißer, Groppe und anderes Getier, um zu überleben, so hofft der Biologe. Damit die Fische aber nicht plötzlich auf dem Trockenen liegen, wird das Wehr ganz langsam gesenkt. An den ersten drei Tagen um acht Zentimeter pro Stunde, danach nur noch um zwei Zentimeter in der Stunde. Die Folgen für die Tierwelt sollen aber genau dokumentiert werden. Dazu hat die Stadt im Vorfeld ein fischbiologisches Gutachten in Auftrag gegeben. Abzusehen ist aber, dass der Kokturkanal, der maximal eine Wassertiefe von 80 Zentimetern führt, nach zehn Stunden Absenkung trocken gefallen sein dürfte. Deshalb soll der Kanal am Nachmittag des 12. September abgefischt werden. "Dazu haben wir den Angelsportverein Löhne und den Fischereiverein Ravensberg um Unterstützung gebeten", berichtet Nolting. Voraussichtlich am Mittwoch, 16. September, soll dann das Wehr um die erforderlichen 2,55 Meter gesenkt sein. Dann können die Stauklappen, die Stahlkonstruktion und die Stahlbetonelemente, die für gewöhnlich unter Wasser liegen, auf Rost und Schäden untersucht werden. Danach wird das Wehr wieder hoch gefahren, aber auch recht langsam, damit die Werre unterhalb des Wehrs nicht plötzlich ganz ohne Wasser dasteht. Das Winter-Hochwasser hat den Fluss kräftig durchgespült Dass die Folgen nicht so gravierend werden wie bei der Absenkung 2006 hofft Nolting einerseits, weil die Aktion deutlich kürzer ausfällt. Zum anderen sei der Absenkung 2006 eine längere Trockenphase vorangegangen, wodurch sich sehr viel Schlamm im Flussbett und vor allem vor dem Wehr angesammelt hatte. "In diesem Jahr gab es ja im Winter ein Hochwasser, das den Fluss und das Wehr ordentlich durchgespült hat", so Nolting. Aber muss das Wehr eigentlich noch untersucht werden, wo es doch demnächst abgerissen werden soll? "Diese Frage haben wir den Aufsichtsbehörden auch gestellt", sagt Nolting. Allerdings gehe es um die Sicherheit, bei Hochwasser womöglich gar um Leib und Leben, weshalb Kreis und Bezirksregierung die Prüfung für notwendig halten. Unabhängig davon, wie lange das Wehr noch steht. "Da müssen wir durch", so Nolting. "Die größte Gewässer-Renaturierung in ganz OWL" Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass das Wehr voraussichtlich 2023 abgerissen wird. 2021 soll das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden, für das Nolting ein Jahr kalkuliert. Dann hat er ein halbes Jahr für Ausführungsplanung, Ausschreibung und Auftragsvergabe gerechnet. "Dann könnte 2023 der erste Bauabschnitt beginnen", so Nolting. Der sieht außer dem Abriss des Sielwehrs den Bau einer rauen Gleite und den Umbau des Flusses bis zum sogenannten "Werreknie" auf Löhner Gebiet vor. 2025 könnte dieser Abschnitt vollendet sein, für den Nolting die Kosten auf sechs Millionen Euro schätzt. Bereits im kommenden Jahr soll unabhängig vom Flussumbau eine neue Sielbrücke gebaut werden. Da es dafür kein Planfeststellungsverfahren braucht, kann der Bau vorgezogen werden. Für den Werreumbau aber ist das förmliche Planverfahren notwendig. "Schließlich betrifft das Gesamtprojekt fünf Kilometer Werrelauf. Es ist die größte Gewässer-Renaturierung in ganz OWL", sagt Nolting.

Meistgelesen