Wie der Warburger Bahnhof das niederländische Königshaus rettete

Warburg. Als Kind sei er in der Stadt an der Eisenbahnstrecke nach Volkmarsen aufgewachsen, sagt Johannes Wasmuth. Der mächtige Dampf der Lokomotiven und die Schienenbusse hinterließen bei dem Warburger Jungen Eindruck. Jetzt hat sich der Münchner Rechtsanwalt intensiv mit der Eisenbahngeschichte der Hansestadt beschäftigt. Wasmuth kündigt ein 370 Seiten starkes Buch zum Thema an. Vorab zeigt das Museum im &bdquo;Stern“ unter dem Titel &bdquo;Warburger Welt der Eisenbahn“ ab Sonntag, 15. Mai, in einer Sonderausstellung im Beyer-Saal auf zahlreichen Tafeln Teile des Werks. Und dazu noch einiges mehr. &bdquo;Das ist der Zug, der uns weckt“, erinnert sich Wasmuth an einen einst im Elternhaus wohl häufiger gefallenen Satz. Der Zug donnerte um 5.30 Uhr am Haus vorbei und war der erste, der am Tag auf der damaligen Trasse zwischen dem Warburger Bahnhof und dem ehemaligen Bahnhof in der Altstadt unterwegs war. 64 Meter Höhenunterschied mussten die Züge für die kurze Strecke bewältigen. 1983 wurde sie stillgelegt. In nur drei Tagen hatten Arbeiter die Strecke Warburg-Volkmarsen abgebaut, die Gleise in 15 Meter große Stücke geschnitten und abtransportiert. Heute verläuft auf der früheren Trasse ein Radweg. Im Spiegel von Geschichte, Politik und Kultur Das Warburger Stadtarchiv erhalte viele Anfragen zu Bahnthemen, hält Mechthild Cramme, Vorsitzende des Museumsvereins gegenüber der NW fest. Einer der Gründe, warum das Team im &bdquo;Stern“ die Ausstellung &bdquo;Die Warburger Welt der Eisenbahn – im Spiegel von Geschichte, Politik und Kultur“ jetzt ins Museum bringe. Die Sonderschau spanne den Bogen einer gut 180-jährigen Bahngeschichte im Warburger Raum, die 1841 mit einem Vertrag von fünf deutschen Staaten über den Bau einer Eisenbahn von Halle an der Saale nach Lippstadt ihren Anfang genommen habe. &bdquo;Die Warburg berührenden Eisenbahnlinien entsprachen keiner einheitlichen Planung“, spricht Wasmuth die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestehende Grenzlage der Stadt an. Die Hansestadt gehörte damals im Königreich Preußen zur Provinz Westfalen. &bdquo;Im Osten grenzte die Stadt unmittelbar an das Kurfürstentum Hessen mit seiner Hauptstadt Kassel an“, erklärt Wasmuth weiter. &bdquo;Und nur wenige Kilometer südwestlich erstreckte sich das kleine Fürstentum Waldeck-Pyrmont.“ Allein schon deshalb weise der Eisenbahnbau in der Region Besonderheiten auf. Zudem seien gleich mehrere Eisenbahngesellschaften beteiligt gewesen. 900 Beschäftigte In seinem Buch wird Wasmuth die durch die Eisenbahn möglich gewordene Mobilität der Menschen in geschichtliche, politische und kulturelle Zusammenhänge einordnen. Insgesamt 285 Fotos werden es dokumentieren. Die große Bedeutung der Bahn in der Region beweisen die 900 Beschäftigten, die in der Stadt vor dem Zweiten Weltkrieg und bis in die 1950er Jahre bei der Bahn in Lohn und Brot standen. Die Ausstellung zeigt neben historischen Fotos viele Züge und Lokomotiven im Modell, die es lange Zeit in Warburg zu bewundern gab. Der Jurist weiß um die Besonderheiten, hat historische Fakten und zahlreiche Anekdoten ausgegraben. &bdquo;Viele Lokomotiven, die die Stadt erreichten, stammen aus dem nahe gelegenen Kassel“, sagt er beispielsweise. Um die Jahrhundertwende befand sich dort Europas größte Lokomotivfabrik, &bdquo;geleitet von Sophie Henschel, einer der reichsten Frauen im Kaiserreich“. Auch habe es in den Warburger Bahnhöfen drei Fürstenzimmer gegeben. &bdquo;Sie standen nur Höchsten und Allerhöchsten Herrschaften zur Verfügung.“ Ein König auf Brautschau Darunter dem niederländischen König, der noch in hohem Alter mit der blutjungen Prinzessin Emma zu Waldeck und Pyrmont den Fortbestand der Dynastie Oranien-Nassau sicherte. Das niederländische Königshaus würde es heute nicht mehr geben, wenn es damals keinen Halt in Warburg gegeben hätte, bemerkt Wasmuth. König Wilhelm III. der Niederlande hatte 1877 seine erste Ehefrau verloren. In Bad Arolsen ging er zwei Jahre später auf Brautschau. &bdquo;Mit dem Zug bis Warburg, Übernachtung im Bahnhofsgebäude und weiter mit der royalen Pferdekutsche.“ Strecke und Bahnhof waren aber auch eingebettet in die dunklen Zeiten der Geschichte: Das Nazi-Regime missbrauchte die Bahn für die Deportation jüdischer Mitbürger. &bdquo;Die Teilung Deutschlands bedingte Interzonenzüge, die auch in Warburg Station machten“, führt Wasmuth den historischen Blick in die Zeitläufte weiter. Ebenso kenntnisreich wie unterhaltsam im Interview Und auch davon, dass ein Warburger in Rolandseck, südlich von Bonn, einen Künstlerbahnhof gründete, und dass die Zuckerfabrik einer Lok einen jahrzehntelangen Einsatz in Warburg bescherte, wird Wasmuth bei der Eröffnung am Sonntag ab 11 Uhr im Gespräch mit der Warburger Soziologin Ingeborg Philipper ebenso kenntnisreich wie unterhaltsam zu erzählen wissen. Musikalisch wird er selbst am Klavier den Mediziner und Cellisten Andreas Ferbert begleiten. Wasmuth (65) arbeitet seit 1989 als Rechtsanwalt in München, 2000 promovierte der gebürtige Warburger mit einer Arbeit zur Aufarbeitung des SED-Unrechts. Im Beck-Verlag ist er Lektoratsleiter, Autor juristischer Werke und Mitautor des Standardwerks &bdquo;Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege“.

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