Gütersloher Kultgastronom nutzt Restaurant für ungewöhnliche Aktion

Gütersloh. Verspätungen sind bei ihnen absolut ausgeschlossen. Im Gegensatz zur Deutschen Bahn kommen alle Züge hier zur genau festgelegten Zeit an ihrem Ziel an. Ohne Risiko ist der Job für die Lokführer dennoch nicht. &bdquo;Wenn die Schienen zwischen den Modulen nicht ganz plan liegen, sind die Übergänge etwas tricky“, erklärt Manfred Sander und beugt einer Entgleisung des von ihm gesteuerten Kohlenzuges vor, indem er die Waggons ganz vorsichtig über eine kritische Stelle schiebt. Seine Kollegen Hans-Werner Vogt und Christian Haase ärgern sich derweil über einen ihrer Mitstreiter, der am Abend zuvor seinen Inter-City mitten auf der Strecke statt auf dem dafür vorgesehenen Abstellgleis hat stehen lassen. &bdquo;Der steht betriebsbehindernd genau auf den Gleisen. Na, der kriegt nachher was zu hören“, lachen die beiden Modelleisenbahnfreunde im Spaß. Während die drei mit ihren so titulierten Multi-Mäusen Geschwindigkeit, Richtung, Sound oder sogar das Schaufeln des Heizers der von ihnen gelenkten Lokomotiven steuern, ziehen um sie herum Fracht-, Kohlen-, Personen- und historische Züge, Regionalbahnen und ICs leise schnurrend ihre Bahnen über Brücken, vorbei an Hochhäusern, Viadukten, Badeseen, Tankanlagen, Rohbauten, durch Bahnhöfe und Landschaften mit Schafen oder Kühen. Lesen Sie auch: Besondere Leidenschaft: Mann aus dem Kreis Gütersloh hat ein außergewöhnliches Hobby Gütersloher arbeiten mit Liebe zum Detail an Modelleisenbahn Alles an der Strecke mit ungemeiner Liebe zum Detail nachgebaut im Maßstab 1:120 und dient als Kulisse für eine schier endlos erscheinende 70 Meter lange Miniatur-Eisenbahnstrecke. Aufgebaut ist die gigantische Miniaturwelt derweil im Saal der historischen Gaststätte &bdquo;Zur Linde“ in Isselhorst. Mit den Ausmaßen von elf Metern Länge sowie sechs Metern Breite ist es &bdquo;die größte TT-Modelleisenbahn in der Region“ erklärt Manfred Sander nicht ohne Stolz. Die Spurweite von 12 Millimetern der TT-Eisenbahn-Modellen liegt genau in der Mitte zwischen den gängigsten Spurweiten, der kleineren N und der größeren HO. Gemeinsam mit dem Gastgeber Rolli Ortmeier gehört das Trio Manfred Sander, Hans-Werner Vogt sowie Christian Haase zum 1995 gegründeten TT-Stammtisch Ostwestfalen. Seit dem Beginn vor 30 Jahren treffen sich die 14 Mitglieder einmal im Monat in der Linde, um neben der Fachsimpelei kleinere Probefahrten durchzuführen oder die Geräusche von Dampf- oder Dieselloks zu vergleichen. Alljährlicher Jahreshöhepunkt der Modellbahner ist jedoch der Zusammenbau der ansonsten sorgsam privat lagernder zweimal ein Meter großen Einzelteile (der Module) zu einer kompletten Anlage Stadt Gütersloh fordert Geld von den Modellbauern Benötigt wird dafür neben fünf bis sechs Stunden Zeit jede Menge Platz in Form eines Saales, einer Turnhalle, eines Gemeinde-, Autohauses oder Ähnlichem. Die am 2. Januar begonnenen, noch bis zum 16. Januar andauernden Betriebsferien in der vom Isselhorster Kult-Gastronom Ortmeier mittlerweile verpachteten Gaststätte nutzen die Modelleisenbahner, um ihre ansonsten 50 Wochen im Jahr zu Hause sorgsam abgedeckten 28 Module im großen Saal am Schauplatz des Bürgerklöns für zwei Wochen zu neuem Leben zu erwecken. In der &bdquo;Linde“ war dies zuletzt in Corona-Zeiten der Fall. Anschließend wurde in der gegenüber des Restaurants gelegenen Festhalle gefahren. Da der TT-Stammtisch kein eingetragener Verein ist, forderte die Stadt Gütersloh in diesem Jahr zum Unwillen der Modelleisenbahner das übliche Nutzungsentgelt ein. Ortmeier : &bdquo;Für Vereine ist die Nutzung kostenlos, wir bekommen diese Vergünstigungen nicht“. Der Vorteil der Festhalle wäre allenfalls ihre Größe gewesen. &bdquo;Da können wir noch mehr Module mit Nebenstrecken aufbauen, haben insgesamt sogar 90 Meter Fahrstrecke aufbauen“, berichten die jeden Tag von 10 Uhr bis 16 Uhr ihrem Hobby frönenden Modellbahnern. Wo sonst Zaziki, Burger, Gyros oder Schnitzel serviert werden, drehen jetzt die kleinen Miniatur-Züge mithilfe ausgeklügelter Digitaltechnik ihre Runden um die beiden an der Strecke befindlichen Hermannsdenkmäler. Gütersloher bezeichnen sich selbst als Spielkinder Christian Haase: &bdquo;Hier ist es ideal, weil wir zwei Wochen bleiben können“. Früher habe man die Anlage zuweilen &bdquo;auch für drei Stunden aufgebaut. Das machen wir jetzt nicht mehr. Der Aufwand ist einfach zu groß“ Das Basteln von Häusern, Landschaften oder den original getreuen Nachbauten wie den Bahnhofsgebäuden von Kehl am Rhein oder der Calland-Brücke aus Holland ist dabei nur die Vorstufe des &bdquo;begeisternden Fahrspaßes“ als eigentlichem Höhepunkt, ist sich das Quartett einig. Lesen Sie auch: 19-Jährige im Kreis Gütersloh stellt Spielzeug her – die Produkte bietet sie im Netz an Der Antrieb ist dabei für alle gleich. Ortmeier: &bdquo;Im Grunde sind wir alle Spielkinder. Der eine sammelt Münzen, der andere Briefmarken und wir eben Eisenbahnen“. Bald heißt es allerdings: Signale auf Rot; alles wieder auf Anfang. Ab 17. Januar werden im Linden-Saal wieder hungrige Mägen gestopft.

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