Warburg

Denkmal des Monats: Durch diese Kirche wehen acht Jahrhunderte Geschichte

Der Warbgurger Denkmalverein hat die Neustadtkirche St. Johannes Baptist ausgewählt. Das hat laut Verein gleich mehrere Gründe – und die Kirche eine wechselvolle Historie.

Die Kirche St. Johannes Baptist in Warburg-Neustadt hat schon viel erlebt. | © Dieter Scholz

14.12.2021 | 14.12.2021, 00:45

Warburg. Für den Monat Dezember hat der Vorstand des Warburger Denkmalvereins die ab dem 13. Jahrhundert erbaute Neustädter Pfarrkirche St. Johannes Baptist ausgewählt. Dafür gibt es laut Elmar Nolte mehrere Gründe: „Die Kirche ist der größte und bedeutendste Sakralbau der Stadt und gehört zu den kunsthistorisch bedeutendsten Denkmalen. Mit ihrem markanten, 88 Meter hohen Westturm beherrscht sie nicht nur die Stadtsilhouette, sondern mach die Stadt auch von weitem sichtbar." Ihre fast acht Jahrhunderte umfassende Bau-, Umbau- und Renovierungsgeschichte spiegele sowohl die Kunstgeschichte Mitteleuropas als auch die Geschichte der Region, wie die Pest um 1350 oder die kirchliche Restaurationszeit nach dem Kulturkampf 1871 bis 1878 wider.

Die Kirche steht frei in der Mitte der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf einem Bergrücken gegründeten Warburger Neustadt. Ihr 88 Meter hoher Turm mit seiner kupferbedeckten, achtseitigen Spitze beherrscht den Markt und ist weit im Land zu sehen. Er diente als Glockenturm, Wachturm und Feuerwehrturm. Über den nach oben größer werdenden, paarig angeordneten Fenstern befindet sich ein Umgang. Der kreuzförmige Grundriss folgt noch dem romanischen Schema einer Basilika. Einem dreischiffigen Langhaus ist eine quadratische Turmhalle im Westen vorgelagert.

Der heutige Chorraum liegt drei Stufen höher als das Hauptschiff und hat fast die doppelte Höhe des Hauptschiffes. Er ist ausschließlich aus Werksandstein hergestellt. Die Wandflächen enthalten hohe, drei- bis vierbahnige Maßwerkfenster und sind von außen durch hohe Strebepfeiler verstärkt. Die Gewölberippen sind durch Wandvorlagen hinuntergeführt und werden durch Baldachine, Statuen und Konsolen unterbrochen. Nach einer Inschrift am äußeren Chorschluss wurde dieser um 1366 gegründet. Nördlich des neuen Chores schließt sich eine ehemalige Sakristei an. Am südlichen Langhaus befindet sich eine Seitenkapelle, die 1450 unter Pfarrer Arnold Pistor erbaut wurde. An der entsprechenden nördlichen Seite besteht eine weitere spätgotische Seitenkapelle. Beide sind durch große, nachträglich eingebrochene Bogenöffnungen mit dem Kirchenraum verbunden.

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Geschichte

Die Entstehung der Kirche erfolgte im Zusammenhang mit der ebenfalls in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründeten Warburger Neustadt. Eine lippische Rose im zweiten Mittelschiffsjoch des Langhauses verweist auf eine Entstehungszeit der Kirche während der Amtszeit des Paderborner Bischofs Bernhard IV. zur Lippe, also zwischen 1228 und 1247. Zahlreiche Baudetails wie die frühgotischen Bündelpfeiler ähneln denen des ebenfalls überwiegend im 13. Jahrhundert entstandenen Paderborner Doms. 1250 muss die Kirche weitgehend vollendet gewesen sein, denn in dem Jahr wurde der erste Pfarrer Menfridus als Plebanus (Pfarrer) Novi oppidi Warburg genannt. Die späteren Pfarrer nannten sich meist Kerckherr. Der Klerus wuchs im 14. Jahrhundert auf 24 Personen an. Um für ihn Platz zu schaffen, wurde am 19. Mai 1366 mit dem Bau eines neuen Chores begonnen, der auch Anfang eines Kirchenneubaus werden sollte. Fürstbischof war zu der Zeit Heinrich von Spiegel zum Desenberg. Der Bau wurde jedoch durch erneute Epidemien und Fehden mehrfach unterbrochen und blieb unvollendet. Dennoch wurde die Neustädter Kirche so zur größten und wichtigsten aller Kirchen im Warburger Land.

1390 bis 1400 wirkte Bernhard Vogt alias dictus Mulo als Pfarrer. Während seiner Amtszeit wurde 1396 in Zusammenhang mit einer Baurechnung ein Hermanne van dem Dtonen als Dekan erwähnt. Später waren bis in die jüngste Zeit viele Pfarrer der Neustadt gleichzeitig Dekan oder Dechanten und hatte damit die Aufsicht über die kleineren Kirchengemeinden des Raumes, so 1446 Johannes Konrad Gronen, 1515 Johann Werneken, 1522 Johann Beckmann, 1540 Jodokus Beckmann, 1617 Martin Forsterus, 1871 Wilhelm Gerken und 1892 Eduard Degenhardt.

1586 hielt die Reformation Einzug, indem der Neustädter Pfarrer Thomas Volsuet sich zur Lehre Calvins bekannte, heiratete und 1588 für seine Familie ein noch bestehendes Haus an der Sternstraße ausbaute. Jedoch schon nach wenigen Jahren machte der Bürgermeister Herbold von Geismar mit Hilfe von Paderborner Jesuiten der Reformation ein Ende und stiftete am 21. Oktober 1591 gemeinsam mit dem Stadtrat zur Vermeidung von Unruhen die Warburger Schützengesellschaft.

Wirtschaftlicher Niedergang

Der 30-Jährige Krieg führte zum wirtschaftlichen Niedergang der Stadt und damit auch der Kirchengemeinde. 1632 und 1636 musste fast der gesamte Kirchenschatz abgegeben werden. Der Wiederaufbau vollzog sich nur langsam. 1730 wurde der nach einigen Blitzeinschlägen und Verwitterungen baufällig gewordene Turmspitze nach Planung von Franz Christoph Nagel erneuert.

Die neue und in der Höhe reduzierte Haube bestand nach Paderborner Vorbild aus zwei sich kreuzenden Giebeldächern, in deren Mitte ein achteckiger Dachreiter mit einem barocken Dach angeordnet wurde. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgten erneut mehrere Renovierungen. 1901 erhielt der Turm wieder eine spitze Dachhaube mit einer Kupfereindeckung und es wurde südlich des Chors eine Sakristei angebaut.

In der NS-Zeit wurde 1942 der Kirchturm gegen den Widerstand des Dechanten Wilhelm Kramer konfisziert, um dort einen Beobachtungsraum mit Fernsprecher einzurichten. Im Juni 1942 wurden die drei größten und zum Teil aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammenden Glocken zerschlagen und als „Kriegstribut" abtransportiert. Der Dechant wurde 15 Mal von der Gestapo verhört, konnte aber im Amt bleiben. Am Karsamstag, 31. März 1945, kam es zu einem Schusswechsel zwischen der Kirchturmbesatzung und den einmarschierenden Amerikaners, die zu Beschädigungen am Turm führten. Weihnachten 1948 wurde ein neues Geläut aus fünf Glocken und eine aus dem alten Glockenstuhl geschnitzte Weihnachtskrippe eingeweiht.

Zur Klärung der Frage, wer für die Kosten der immer wieder erforderlichen Renovierungen der Kirche und ihrem auch zivil genutzten Turm aufzukommen hat, wurde nach einem 33 Jahre dauernden „Baulastprozess" die Stadt 1985 verpflichtet, diese zu übernehmen. Kirchenaustritte und Priestermangel führten schließlich zu einem starken Rückgang der Pfarrstellen der Umgebung, so dass 2006 schließlich das Dekanat Warburg mit dem Dekanat Brakel und dem Dekanat Höxter fusionierte, dessen Gebiet dem des Kreises Höxter entspricht.