Warburger Gebäudejuwel wird Denkmal des Monats

Warburg. Vom Keller bis unter den Dachgiebel steckt dieses Haus voller Geschichten: Die ehemalige Hirsch-Apotheke zwischen der Kaland- und der Sternstraße ist nach dendrologischen Untersuchungen nach der Kirche St. Johannes Baptist das älteste Gebäude in der Warburger Neustadt. Das Hinterhaus stammt aus den Jahren 1452/53, das Vorderhaus wurde zwei Jahre später erbaut. Der Vorstand des Warburger Denkmalvereins hat den stattlichen spätmittelalterlichen Gebäudekomplex zum Denkmal des Monats April ausgewählt. &bdquo;Er gehört zu den bedeutendsten und ältesten profanen Baudenkmalen in der Stadt", sagt Vorsitzender Ralf Miggelbrink. Das Haus hat eine bewegte Historie: Das Grundstück war vom 13. bis ins 17. Jahrhundert im Besitz der Familie Geyr. &bdquo;Diese hatte sich im 12. und 13. Jahrhundert von Köln über Paderborn nach Warburg ausgebreitet, durch Fernhandel ein großes Vermögen erworben und war zum Warburger Patriziat und zum Adel im Fürstentum Paderborn aufgestiegen", weiß der Vorstand des Denkmalvereins. Zwischen 1288 und 1643 seien immer wieder Familienmitglieder als Gografen von Warburg, Bürgermeister und Ratsherren erwähnt worden. Die Familie Geyr war sehr angesehen und wurde 1717 in den Adelsstand erhoben. Sie hatte das Schloss Schweppenburg erworben und nannte sich nunmehr Geyr von Schweppenburg. Eines der wenigen Steinhäuser in der Stadt 1396 soll auf dem Grundstück bereits ein Bruchsteinhaus entstanden sein. Der heute bestehende Baukörper entstand in der Mitte des 15. Jahrhunderts in zwei Abschnitten: Ab 1452 wurde zunächst das Hinterhaus über einem massiven Gewölbekeller errichtet. Anschließend wurde der Bau durch ein großes Steinhaus bis an die heutige Kalandstraße erweitert. In dieser frühen Zeit hatte das Gebäude der ehemaligen Apotheke den Namen &bdquo;Haus am Kaland". Der Kaland war ein Versammlungsraum im heutigen Corvinushaus, zu dessen Seite der damalige Haupteingang gelegen hatte. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das ursprünglich gotische Gebäude, eines der wenigen Steinhäuser in der Stadt, mehrmals umgebaut und widerstand zahlreichen Feuersbrünsten, von denen die Stadt heimgesucht wurde. 1613 ist das Haus als &bdquo;privilegierte Apotheke", als die einzige am Ort, im Besitz von Ludwig Bolte aus Haueda erwähnt. 1699 werden Philipp Ernst und Gottfried Wüstenberg als Apotheker genannt. Sie hatten das Haus offenbar von der Familie Geyr erworben und es in den Jahren 1705 und 1706 als Wohn- und Geschäftshaus für ihre Zwecke umbauen lassen. Da es an der Westseite damals nur Luken gab, wird angenommen, dass es sich im oberen Haus um einen reinen Speicher handelte. Die Luken wurden bei umfangreichen Renovierungsmaßnahmen 1706 und 1843, die als Jahreszahlen am Garteneingang verewigt sind, zu Fenstern ausgebaut. Ein historischer Schatz Ab 1790 gehörten Haus und Apotheke einer Familie Gödecke. Sie ließ das Gebäude 1843 neu gestalten und nach Abbruch der oberen Staffeln des Straßengiebels mit einer klassizistischen Fassadendekoration versehen. Ihr folgten 1864 der Apotheker Niemer und zehn Jahre später der Apotheker Hense. 1908 erwarb dann der Apotheker Ludwig Küpper das Anwesen, sein Sohn Josef und anschließend sein Enkel Edmund führten die Apotheke bis ins Jahr 2012 hinein weiter. Ein historischer Schatz: Eddi Küppers Vater hatte seinem Sohn ein enormes Arsenal an alten Apothekergefäßen und -utensilien, an Dokumenten, Plänen und Chroniken hinterlassen. Die Eigentümer versuchten, so viel historische Original-Substanz wie möglich zu erhalten. Alte Dielen wurden frei gelegt, mehrere Lagen Tapete und Zeitungspapier an den Wänden beseitigt und wieder in Originalfarben gestrichen, vorhandene alte Türe und Türschlösser sowie alte Eichenbalken renoviert. Eine alte Bruchsteinwand, die mitten in der Wohnung lag und nun den Flur ziert, wurde frei gelegt und wieder in den Urzustand zurückversetzt. Dabei kamen auch Spuren einer Feuerstelle zutage, die historisch wieder hergestellt wurde. Gotik und Romanik sind auf dem Dachboden vereint Die Grundmauern ziehen sich mit einer Dicke von etwa 1,20 Meter bis hinauf zum ersten Obergeschoss. Ab dem zweiten Obergeschoss ist ein imposantes mittelalter-typisches gotisches Fachwerk zu sehen. Mit den mehrfach über Knaggen auskragenden Fachwerkgeschossen handele es sich um das älteste datierte Fachwerkhaus in Warburg und der Region, bemerkt der Denkmalverein. Gotik und Romanik sind auf dem Dachboden vereint: Findet man auf der unteren Dachbodenebene einen gotisch-spitzen Türbogen, so ist seltsamerweise eine Ebene höher ein zeitlich älterer runder romanischer Bogen eingebaut. Das leicht schräg zum Hinterhaus angeordnete, weitgehend massiv erbaute Vorderhaus hatte wahrscheinlich eine ebenerdig befahrbare Wirtschaftsdeele, über der sich weitere Speichergeschosse befanden. Zwischen beiden Hausteilen befindet sich eine bis unter das Dach geführte Brandwand, die einen früher von beiden Hausteilen benutzbaren Kamin enthält. Es ist ein gewachsenes Haus, das immer wieder verändert und ergänzt wurde. So ist die prägnante Frontfassade mit den barocken Engeln erst nachträglich vor das Haus gesetzt worden. Darunter wird eine Bruchstein-Frontfassade vermutet, die freizulegen das Denkmalschutzamt aber nicht gestattet hatte. Unter dem Verputz des Vorderhauses wurde bei einer Renovierung an den Seiten das Zierfachwerk freigelegt. In den 1970er Jahren wurde an der Gartenseite als Letztes ein Flachdach-Anbau hinzugefügt.

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