
Warburg. „Weniger Kinder, aber mehr zu tun", sagt Michaele Schrader. Die Leiterin des Evangelischen Familienzentrums „Arche" am Ahornweg weiß aber ebenso um die „riesigen Herausforderungen", die der harte Lockdown den Eltern abfordert. Es bleibe das Ziel der Kitas, die Familien zu unterstützen, sagt Schrader.
Die Kindertagesstätten seien nicht geschlossen, sondern im „eingeschränkten Pandemiebetrieb". Doch zugleich appelliere NRW-Familienminister Joachim Stamp, die Kinder daheim selbst zu betreuen, wofür es zehn Urlaubstage pro Elternteil zusätzlich gebe.
„Ab Montag sind wir noch weit mehr eingeschränkt"
Im eingeschränkten Betrieb befinden sich die Kitas bereits seit Mitte Dezember. Mitte vergangener Woche öffnete nach der Weihnachtspause im Familienzentrum wieder der Betrieb. „Ab Montag sind wir noch weit mehr eingeschränkt", sagt Schrader. Denn der Betreuungsumfang reduziere sich gegenüber der ursprünglichen Buchung um jeweils zehn Stunden. Wer 45 Stunden gebucht habe, könne in diesem Rahmen nur noch 35 nutzen, bei 35 Stunden entsprechend 25. „Wir halten alle vier Gruppen geöffnet", sagt die „Arche"-Leiterin.
Rund 90 Prozent der Eltern ihrer 81 Kinder in den vier Gruppen der Einrichtung seien berufstätig. Eltern könnten selbst entscheiden, ob sie Kinder zur Kita bringen, oder eben nicht. „Für Berufstätige und Alleinerziehende eine schwierige Situation", sagt Schrader. Sie spüre aus den vielen Nachfragen bei manchen die Angst. Doch bleibe oberstes Ziel, die Pandemie zu besiegen, hält Schrader verantwortungsvoll fest. Daher der dringende Appell aus dem Familienministerium, wo möglich die Kinder zu Hause zu lassen.
"Wir rufen an, schreiben Mails, fragen nach"
In der vergangenen Woche zählte Schrader in jeder der vier Kita-Gruppen an den Tagen jeweils fünf bis sieben Kinder. „Am Freitag bereits weniger", berichtet sie. „Wir dürfen die Gruppen nicht mischen", erklärt Schrader. Die Gruppen dürfen sich nicht mischen, die Erzieher der einen zur anderen ebenfalls nicht. „In Prinzip nichts Neues", sagt Schrader. „Das haben wir in unserer Einrichtung bereits seit März aufrechterhalten. Immer wieder gehen einige der Erzieher in den Zeiten für die Vorbereitung, der Dokumentation oder der Erstellung der Monatspläne ins Homeoffice. „Wir wollen den Bereich der Bildung nicht eindämmen", sagt Schrader. In der „Arche" würden entsprechend die Programme fortgesetzt. Daher sei es wichtig, dass der Betrieb, wenn auch reduziert, weiterlaufe.
Auch die Eltern halten sich an die Hygiene-Bestimmungen. „Sie kommen mit Mundschutz, den die Kinder im Haus nicht tragen müssen, die Erzieher schon", berichtet Schrader. Vor den Erziehungsberechtigten, die in der Corona-Krise ihren Alltag mit den Kindern managen müssten, ziehe sie den Hut. Teils arbeiteten sie selbst im Homeoffice „und müssen nebenbei ihre Kinder betreuen." Doch hätten viele Alleinerziehende in der aktuellen Situation überhaupt keine Chance, die Kinder noch zu betreuen. „Wir rufen an, schreiben Mails, fragen nach, um mit den Kindern in Kontakt zu bleiben", zählt Schrader auf.
„Den mach’ ich jetzt zuhause"
„Unheimlich dankbar" seien nach ihrem Eindruck die Kinder gewesen, „als sie im August wieder kommen durften", nimmt Schrader gezeigte Emotionen auf. „Wenn ich meine Kinder in der Stadt treffen, höre ich immer wieder, wie sehr sie ihre Freunde vermissen." Oder sie möchten mal wieder auf dem Kita-Trampolin springen oder zusammen einen Schneemann bauen. „Den mach’ ich jetzt zuhause", habe ihr in den vergangenen Tagen ein Junge über die Straße zugerufen.
In der Corona-Zeit weniger Kontakte zu Gleichaltrigen zu haben und nur begrenzt auf die Familie zu sein, belaste die Kinder, sagt Schrader. „Sie entwickeln sich weiter, indem sie mit anderen Kindern zusammen sind", sagt die Erzieherin. Es fehle der soziale Austausch mit anderen Kindern unterschiedlichen Charakters, auch wenn einige mit ihren Geschwistern zusammen seien.
"Irgendwann gehen selbst erfinderischen Eltern die Ideen aus"
Und „irgendwann gehen selbst den erfinderischsten Eltern die Ideen aus", vermutet Schrader. Per Mail werden Anregungen verschickt. Wie die von der „Raupe Nimmersatt". Die Kollegen hatten ein Video verschickt. Die Kinder sollten ihre Raupe basteln. In einem Landschaftprojekt sollten sie Steine sammeln und bemalen. „Wenn sie wieder in die Arche kommen, werden die Steine ausgelegt", kündigt Schrader an. Ein Experiment mit Pfeffer zum Nachmachen per Video: „Symbolisch stand der Pfeffer für die Viren, die man sich mit Seife dann abwäscht", erklärt Schrader.
In der kindlichen Entwicklung komme es „sehr stark darauf, wie die Kinder zuhause gefördert werden", sagt Schrader. Doch eben auch, wie weit die Möglichkeiten der Eltern reichen, auf die Kinder einzugehen. Doch traue sie den Eltern „eine Menge zu", bleibt sie optimistisch. Auch wenn die Nerven hochgespannt seien.
"Sonst werden wir die Pandemie nicht los"
Dass „die Kinder die Kinder vermissen", sagt auch Petra Ludwig-Engemann,Leiterin des Familienzentrums St. Martin auf der Hüffert. Doch auch sie sagt, dass „wir uns einschränken müssen, sonst werden wir die Pandemie nicht los". Lukas kommt und Anton kommt nicht: „Wenn Kinder niemanden treffen können, werden sie in ihrer sozialen Entwicklung behindert", sagt Engemann-Ludwig. Doch auch ihre Einrichtung versuche, Kontakte zu halten.
Im Schnitt besuchen derzeit 20 der insgesamt 80 Kinder die Gruppen in der St. Martin-Kita. „Natürlich werden sie sich an die Corona-Zeit erinnern", sagt Engemann-Ludwig. Doch werde der Umgang mit der Erinnerung sehr individuell ausfallen. Vor allem bei Kindern mit pädagogischem Förderbedarf komme dieser aufgrund mangelnder Kontinuität zu kurz.