Kita-Chaos im Kreis Höxter: Personalnot spitzt sich immer weiter zu

Kreis Höxter. Jeder einzelne Fall ist für betroffene Eltern und Kinder mindestens nervenaufreibend, manchmal aber auch dramatisch: Bereits 89 Mal in diesem Jahr meldeten Kindergärten im Kreis Höxter einen derart chronischen Personalmangel, dass die Mindestversorgung nicht mehr gewährleistet werden kann. Ein spürbarer Anstieg gegenüber den vergangenen Jahren. Und die Zahlen sind nur die Spitze des Eisberges. Personalausfallmeldung heißt es im schönsten Bürokratendeutsch – dahinter verbirgt sich jedes Mal ein massiver Mitarbeitermangel, der zu Konsequenzen bei der Betreuung führt. Die Meldung an das Landesjugendamt durch die Kitas müssen immer dann erfolgen, &bdquo;wenn die personelle Mindestausstattung nicht mehr eingehalten werden kann“, wie es in den &bdquo;aufsichtsrechtlichen Grundlagen zu personellen Unterbesetzungen“ heißt. Dabei geht es im Allgemeinen nicht um kurzfristige Engpässe, sondern gravierende länger, anhaltende Unterschreitungen. Erfasst werden dabei auch die Maßnahmen, die die betroffenen Kitas ergriffen haben. Sieben Mal mussten in diesem Jahr im Kreis Höxter Kindergärten aufgrund von Personalmangel bereits ganz geschlossen werden, in 21 Fällen wurden Teil- und Gruppenschließungen vorgenommen und in 53 Fällen die Öffnungszeiten reduziert. Wie lange die jeweilige Maßnahme dauerte, erfasst das Landesjugendamt jedoch nicht. Ein riesiger Kraftakt für viele Eltern im Kreis Höxter Für viele Eltern aber auch Arbeitgeber sind die oft plötzlichen Einschränkungen ein riesiger Kraftakt. Dann kommt in der Kita-App die freundliche Aufforderung, die Kinder schon eher abzuholen. Manchmal als &bdquo;freiwillige Bitte“, oft als ultimative Aufforderung. Wie arbeitende Eltern das bewerkstelligen sollen, ist dann ihr Problem. Väter und Mütter müssen sich spontan Urlaub nehmen oder schon mittags die Arbeitstelle verlassen, wenn die Großeltern nicht einspringen können. Wer da keinen verständnisvollen Arbeitgeber hat, ist zusätzlich gestresst. Und das wiederum bekommen die Kita-Mitarbeiter zu spüren. Von &bdquo;kritischen Auseinandersetzungen“ mit den Eltern an den Kitatüren berichtet Detlef Müller, Geschäftsführer der Katholischen Kita Hochstift GmbH, die rund 160 Kindergärten in OWL betreibt. Er hat grundsätzlich Verständnis für die Verzweiflung der Eltern und unterstreicht vor allem, dass die Kinder in der angespannten Lage in den Kindergärten auf der Strecke bleiben. Kita-Träger fahren Personal zurück Gleichwohl stünden auch die Kita-Träger mit dem Rücken zur Wand, weil die Kosten immer weiter steigen, die Refinanzierung vom Land aber nicht. Deshalb ist ein Teil der akuten Personalnot in den Kitas auch hausgemacht. Müller spricht von einem Problem mit Ansage: Aufgrund des enormen Kostendrucks wurde beispielsweise im Sommer in den katholischen Kindergärten im Kreis Höxter der Personaleinsatz auf das absolut vorgeschriebene Mindestmaß zurückgefahren. Mehr könne sich die Kita Hochstift GmbH nicht mehr leisten. Sie habe in den vergangenen Jahren bereits Millionenverluste eingefahren. Ziel sei, wieder die &bdquo;schwarze Null“ zu erreichen, sagt Müller. Wenn das Personal aber so knapp bemessen ist, besteht bei Krankheit, Schulungen oder anderen unplanbaren Ereignissen wie Schwangerschaften so gut wie keine Möglichkeit mehr, zu reagieren. &bdquo;Die Mindestbesetzung nach der Personalverordnung des Landes sieht keinerlei Puffer für Vertretungszeiten vor“, sagt Müller. Daraus folge Unterbesetzung mit Ansage. &bdquo;Und das ist das, was mich so maßlos ärgert.“ Andere Träger wie Pari Sozial reagierten ähnlich und informierten Eltern über Personalkürzungen. Man werde öfter als bisher auf den Notfallplan zurückgreifen werden müssen, heißt es von Pari Sozial. &bdquo;Das könnte zur Folge haben, dass Öffnungszeiten reduziert oder Gruppen zusammengelegt werden müssen. Gegebenenfalls müssen wir Sie auch bitten, Ihre Kinder an einzelnen Tagen zuhause zu betreuen.“ Kita-Mitarbeiter sind immer länger krank Vor allem das Problem des hohen Krankenstands in Kitas werde gravierender, berichtet Detlef Müller. Denn Erkältungen, die früher für Ausfälle von zwei, drei Tagen gesorgt hätten, dauern heute gut und gerne auch zwei Wochen. Zudem müssen Erzieherinnen und Erzieher immer häufiger eigentlich kranke Kinder betreuen, die von ihren Eltern trotz triefender Nase und roter Augen in die Kita gebracht werden. Müller weiß, dass Eltern das oft nicht absichtlich tun, sondern im Hintergrund der Arbeitsdruck groß ist. In der Folge wird aber dann das Kita-Personal krank und fällt aus. Mit Folgen für alle Kinder und Eltern. Lesen Sie auch: Skepsis gegenüber neuer Kita-Strategie im Kreis Höxter Reduzierte Betreuungszeiten, Gruppen- oder gar Komplettschließungen sind dabei nur das letzte Mittel der Kitas, wenn gar nichts mehr geht. Oft schleppen sich Erzieherinnen und Erzieher noch aus Pflichtbewusstsein sichtbar krank zur Arbeit – was nicht immer gesundheitsfördernd für die Kinder sind. Sie wollen aber die Eltern nicht im Regen stehen lassen. Pädagogische Angebot massiv eingeschränkt Andere Möglichkeiten sind in solchen Momenten in der Regel schon ausgeschöpft: Pädagogische Angebote, die eigentlich so immens wichtig sind für die frühkindliche Bildung, wie Forschungsprojekten, Ausflügen oder Vorschularbeit, werden immer häufiger massiv eingeschränkt oder fallen ganz aus. &bdquo;Nicht nur pädagogisch, sondern auch gesellschaftlich ist das, was hier passiert, eine absolute Bankrott-Erklärung.“ Die Quittung dafür werde die Gesellschaft in spätestens 10 bis 15 Jahren erhalten, sagt Müller voraus. &bdquo;Unser Auftrag, der ja auch im Gesetz steht, hat eigentlich den Dreiklang ,Bildung, Erziehung und Betreuung’. Aber im Moment konzentrieren wir uns ganz auf eine verlässliche Betreuung.“ Aber Bildungsangebote oder individuelle Förderung bleiben auf der Strecke. Das sei vor allem für Kinder aus Familien ein Problem, in denen die Unterstützung durch die Eltern nicht so groß sei, drückt es Müller vorsichtig aus. Denn eigentlich bräuchte es nicht weniger, sondern deutlich mehr Personal in den Kitas. &bdquo;Der Betreuungs- und Unterstützungsbedarf wächst rasant. Wir haben immer mehr Kinder mit erhöhtem Betreuungsaufwand“, sagt Müller. Als Beispiel nennt er, dass bei immer mehr Kindern Formen von Autismus diagnostiziert werden. Und die sollen ja eigentlich &bdquo;inklusiv“ in Regelkindergärten betreut werden. Auch sprachliche Probleme nehmen zu. In der Folge sind immer mehr Kinder schlecht auf die Schule vorbereitet. Motivation droht zu kippen Auch mit Blick auf die enorme Belastung der Kita-Mitarbeiter wiederholt Detlef Müller im Gespräch mehrmals, wie unglücklich er mit der gesamten Situation ist. &bdquo;Ich komme immer wieder an den Punkt, wo ich mich frage, ist das noch ein Paket, für das ich die Verantwortung noch tragen kann.“ Lesen Sie auch: Zehntausende bei Großdemo in Düsseldorf – das sagen Teilnehmer aus OWL Denn Müller fürchtet, dass irgendwann die große Motivation bei den Erzieherinnen und Erziehern kippt, wenn es keine politische und vor allem finanzielle Unterstützung gibt und das Personal dann frustriert aufgibt.

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