Musikschule Steinheim steht einer vor ungewissen Zukunft

Steinheim. Sie spielen Flöte, Schlagzeug oder Geige: Rund 800 Schüler werden in der städtischen Musikschule Steinheim derzeit im Einzel- und Gruppenunterricht sowie in verschiedenen musikalischen Projekten unterrichtet. Neben drei angestellten Musiklehrern wird diese Arbeit hauptsächlich von 17 Musiklehrern geleistet, die als Honorarkräfte mit jährlichen Honorarverträgen beschäftigt sind. Und das ist künftig nicht mehr möglich, denn das Bundessozialgericht in Kassel hat diesem Modell einen Riegel vorgeschoben. Deshalb musste sich der Steinheimer Stadtrat mit der Frage beschäftigen, wie es mit der Musikschule weitergeht. Es geht um grundsätzliche Fragen und nicht weniger als eine drastische Reduzierung des Angebots oder einen sehr hohen finanziellen Zuschuss durch die Stadt, für den eigentlich das Geld fehlt. So heißt es in einer Zusammenfassung des Städte- und Gemeindebundes zum Urteil des Bundessozialgerichts, das die Stadtverwaltung den Lokalpolitikern an die Hand gab: &bdquo;Zusammengefasst muss man daher leider feststellen, dass die Konsequenzen aus dem Herrenberg Urteil generell entweder zu einer deutlichen Belastung des kommunalen Personaletats oder zu einer Rückführung des Leistungsangebots im Kulturbereich führen dürften und dass sich derzeit keine rechtssichere Möglichkeit abzeichnet, diesen Konsequenzen in allen Fällen durch entsprechende vertragliche Umgestaltungen aus dem Wege zu gehen.“ Denn nach diesem höchstrichterlichen Urteil ist eine Beschäftigung von Honorarkräften in einem reglementierten Musikschulbetrieb so gut wie unmöglich, wie Kämmerer Heinz-Josef Senneka in der Sitzungsvorlage schreibt. Sofern gewisse Ordnungsstrukturen wie Stundenplan, Raumplan und Unterrichtsinhalte seitens der Musikschule vorgegeben würden, handele es sich bei den Beschäftigten nicht mehr um freiberufliche Honorarkräfte, sondern um nichtselbständig Beschäftigte. Sprich: Sie müssten bei der Stadt angestellt werden. Senneka zeigte den Ratsfrauen und -herren drei Handlungsoptionen auf. Variante 1: Jede Lehrkraft arbeitet für sich selbst Die Stadt könnte nun die Honorarverträge so gestalten, dass die Musikschule quasi nur noch als Vermittler des Unterrichts auftritt. Sie würde die Räume im Friedrich-Wilhelm-Weber-Zentrum an die Musiklehrer vermieten, die zudem ihre Unterrichtsgebühr selbst festlegen müssten. Dies würde zu deutlich höheren Preisen für die Musikschüler führen. &bdquo;Folglich wäre die musikalische Bildung in Steinheim nicht mehr für alle erschwinglich“, schätzt Senneka ein. Zumal andere Ensembleangebote wie Kinderchor, Jugendchor, Band und Frauen-Trommel-Treff extra bezahlt werden müssten. Auch das von mehreren Hundert Schülern genutzte Jekits-Programm könnte nicht weitergeführt werden, weil die Musikschule nicht Ort und Zeit vorgeben darf. Variante 2: Stadt stellt Musiklehrer künftig an Eine andere Möglichkeit wäre, die Honorarkräfte bei der Stadt anzustellen. Da es keinen Sachgrund für eine Befristung gibt, hätten die Honorarkräfte auch einen Anspruch auf unbefristete Anstellungen. Da die aktuell 17 Honorarkräfte nur stundenweise Arbeiten, entspricht ihre Stundenzahl rund 4,5 Vollzeitkräften. Die künftigen Mehrkosten schätzt Senneka auf 174.000 Euro. Seine Einschätzung: &bdquo;Der Vorteil dieser Variante wäre, dass der bisherige Unterrichtsbedarf vollständig abgedeckt werden könnte und die jetzigen Strukturen erhalten blieben.“ Allerdings würde sich durch die vertragliche Bindung die Flexibilität im Hinblick auf veränderte Unterrichtswünsche (wie bei der Instrumentenwahl) verringern. Variante 3: Drastische Reduzierung des Angebotes Schließlich könnte man die Musikschule mit den aktuell schon angestellten Lehrern weiterführen und das Angebot durch die Honorarkräfte streichen. &bdquo;Das Pensum der Musikschule würde von aktuell 250,75 Jahreswochenstunden auf 97,75 Jahreswochenstunden fallen“, rechnet Senneka vor. Die Musikschule könnte dann noch die Fächer Klavier, Gesang, Gitarre, Musikalische Früherziehung, Musikalische Grundausbildung und Querflöte anbieten. Die Konsequenz: Vielen Schülern müsste der Unterrichtsvertrag gekündigt werden. Die jetzt als Honorarkraft tätigen Lehrkräfte würden ihren Arbeitsplatz verlieren. Es ging also um viel im ersten Tagesordnungspunkt beim Stadtrat. Dass die Sitzung dennoch mit bemerkenswerter Sachlichkeit über die Bühne der Stadthalle ging, dürfte zum einen der guten Vorbereitung der Entscheider und zum andern der sensiblen Sitzungsleitung durch Bürgermeister Carsten Torke zu verdanken sein. Doch eine Entscheidung zur Musikschule, in der neben der musikalischen Grundausbildung auch die Befähigung zum aktiven Musizieren und die Begabtenförderung stattfindet, gab es diesmal noch nicht. Den Ratsmitgliedern ist bewusst, dass die Musikschule, ihrem Bildungsauftrag folgend auch ein Bildungspartner für Kindertagesstätten, Schulen, Vereine und Senioreneinrichtungen ist. Dabei drängt die Zeit, denn die Verträge der Honorarkräfte laufen Ende September aus. Und eine Anstellung bei der Stadt bräuchte viel Vorbereitung. Unter anderen wäre ein Nachtragshaushalt nötig. Denn würde die Stadt einfach so neue Arbeitsverträge abschließen, würde dies den Straftatbestand der Untreue erfüllen. Es braucht also noch Zeit. Das heißt aber auch, dass die an der Musikschule Lehrenden weiterhin den belastenden Unsicherheiten ausgesetzt bleiben. Denn über die weitere Entwicklung entscheiden wird der Rat der Stadt Steinheim voraussichtlich erst in der ersten Oktoberwoche. Bis dahin wird er sich zunehmend der Frage widmen müssen, was ihm wichtiger ist: Eine weiterhin anerkannte und geschätzte Musikschule mit qualifizierten Pädagoginnen und Pädagogen oder eine abgespeckte Version mit einem wesentlich geringeren Angebot. Hoffnung auf eine gute Lösung weckt allerdings das Versprechen von Bürgermeister Carsten Torke. &bdquo;Das Personal soll wissen, dass wir uns kümmern. Und alle sollen wissen, dass keiner hier das Ziel hat, nicht an der Musikschule festzuhalten.“ Torke zufolge ist eine Lösung im Sinne der Musikpädagoginnen und -pädagogen angestrebt. Hilfreich wäre allerdings, wenn die zu treffende, für die Kultur im Raum Steinheim so bedeutsame Entscheidung früher fallen würde, weil damit die Gefahr einer Abwanderung qualifizierter, andernorts dringend gesuchter Musikpädagoginnen und -pädagogen geringer würde.

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