
Steinheim/Ottenhausen. Einst verbreiteten sie bei ihren Beutezügen in ganz Nordeuropa Angst und Schrecken. Doch wenn die Wikinger am Rosenmontag mit einem riesigen Holzschiff den Steinheimer Karneval erobern, kommen sie in friedlicher Absicht: Sie wollen Frohsinn und Spaß verbreiten.
Doch wie schon im frühen Mittelalter ist der Bau eines Holzschiffs auch heute kein leichtes Unterfangen – zumal es heute eine Menge von Auflagen gibt, die die nordischen Hünen seinerzeit wohl völlig kaltgelassen hätten.
»Das tat schon ein bisschen weh«
Am Anfang stand eine bierselige Idee einiger Narren beim Karneval im auswärtigen Sommersell im vergangenen Jahr. „Wollen wir einen neuen Wagen bauen, ein großes Wikingerschiff?", fragte Elferrat Phil Wiedeking in die Runde. Trotz des immensen Aufwands ließ der Gedanke die Gruppe einfach nicht mehr los. Eine Whatsapp-Gruppe wurde gegründet, erste schnell zu Papier gebrachte Zeichnungen verschickt. Inzwischen sind es rund 60 kreative Köpfe, die am Bau des riesigen Schiffes beteiligt sind.

Ab Sommer ging es an die praktische Umsetzung: Zuerst musste Geld besorgt werden – etwa 5.000 Euro, so die erste Kalkulation, würde das Projekt kosten, berichtet Wagenbauer Matthias Peine. Weil sich das Geld nicht in Wikingermanier durch Raubzüge verdienen ließ, wurde eine Crowdfunding-Aktion bei der Vereinigten Volksbank gestartet.
Dabei wird jeder gespendete Euro noch einmal vom Kreditinstitut verdoppelt. „Das hat wunderbar geklappt", berichtet Peine. Um die Spenden einwerben zu können, wurde der Verein Walhalla gegründet, der inzwischen eine bunte Truppe geworden ist: von der Krankenschwester bis zum Metallbauer.
Lkw einfach abgeschnitten
Ein Teil des eingeworbenen Geldes wurde für den Kauf eines fahrbaren Untersatzes für das Schiff gebraucht. Dazu suchte die Gruppe um Matthias Peine einen kleinen Lkw, der zwar noch fahrbereit war, aber zerlegt werden kann. Fündig wurden sie beim Unternehmen Betten-Köller, das für das Projekt einen Freundschaftspreis machte. „Dass wir das Fahrzeug unterhalb der Fahrerkabine komplett abschneiden mussten, das tat schon ein bisschen weh", berichtet Peine.

Zu sehen sein wird davon allerdings nichts, denn es wird von einer komplexen Holzkonstruktion vollständig umrahmt. Rund zwölf Meter lang und drei Meter breit ist das Schiff. Größer geht es nicht, weil es sonst nicht mehr um die engen Kurven im Steinheimer Ring kommen würde. Besonders neuralgisch sind dabei die Ecke an der Sparkasse und die Ecke am Friedrich-Wilhelm-Weber-Forum.
Dass das Schiff sich dort durchmanövrieren kann, ist sich Peine aber sicher. „Wir haben uns an den Maßen des Elferratsschiffes orientiert", berichtet er. Um die Sicherheit für die Zuschauer zu gewährleisten, wird es nicht nur von Ordnern begleitet. Damit der Fahrer aus dem Schiffsinneren eine gute Sicht hat, wird eine Bugkamera installiert, die das Geschehen auf seinen Monitor überträgt. Kapitän wird Ralf Lücking.
Tricksen beim Masten
Weitaus trickreicher mussten die Konstrukteure bei der Frage des großen Segelmasts sein. Er würde mit seinen etwa vier Metern Höhe im Ring einige Bäume streifen, wenn die närrischen Schiffsbauer nicht eine geniale Idee gehabt hätten: Der Mast wird für die Überfahrt zum Umzug nicht nur abklappbar sein, sondern per Strick auch längsdrehbar. So werden die Wikinger während der Runden durch den Ring mit lauten Schlachtrufen die Segel mehrfach eindrehen, kündigt Peine an.

Seit Herbst werkelt das Team nun in einer Scheune auf dem Gut Menzenbrock bei Ottenhausen, wo das Schiff bei Familie Lücking seinen Heimathafen hat. Inzwischen ist das Gefährt fast fertig. In der vergangenen Woche wurde endlich der Drachen am Bug montiert. Einige Feinarbeiten, wie das Anbringen der Handläufe, sind noch nötig. Auch der Anstrich fehlt noch. Dabei wird nur Klarlack verwendet, damit die Holzplanken wie im Original gut sichtbar bleiben.
Auch die Frauen müssen ran
Zugleich nähen viele Frauen seit kurzem an den Kostümen, denn auch eine Fußgruppe mit Kindern, Frauen und Männern soll das Wikingerschiff begleiten. Organisiert werden die Näharbeiten von Nadine Müller und Irmtraud Eilert. Vier Planungstreffen waren allein in diesem Team notwendig, bevor es an die Umsetzung gehen konnte.
Eine weitere Gruppe beschäftigt sich mit dem Bau von 22 Schildern, die rund um das Schiff angebracht werden sollen – stilecht mit Lederumrandung, Bleikugel und Runenschrift. Zudem stellen sie hölzerne Äxte und Schwerter für die Fußgruppen her.
Seit Herbst werkelt die Gruppe in der Scheune. Wie viele Arbeitsstunden das Team investiert hat, hat keiner gezählt. Inzwischen müssen sie fast täglich ran. Denn: „Wir müssen bis Rosenmontag fertig werden. Eine andere Option gibt es nicht", sagt Matthias Peine. Auch er wird das Schiff nicht auf dem Deck, sondern wie die vielen tausend Besucher vom Straßenrand aus bestaunen. Denn wie die meisten Elferräte der StKG übernimmt er Aufgaben bei der Absicherung des Umzuges.
INFORMATION
Der Umzug
Anmeldeschluss für Gruppen, die sich am Rosenmontagszug Steinheim beteiligen wollen, ist am 16. Februar. Tipps und Material für die Wagenbauer gibt es in der Malstube unterm Rathaus.
Sie ist freitags von 17.11 bis 19 Uhr, samstags von 10.11 bis 12 Uhr und am Mittwoch, 19. Februar, von 18.11 bis 19 Uhr geöffnet.
Infos unter www.stkg.de