Photovoltaik-Modellprojekt in Nieheim droht zu scheitern

Kreis Höxter/Nieheim/Warburg. Manchmal ist der Zeitpunkt einfach sehr ungünstig gewählt. Um für ein Pilotprojekt für eine Freiflächen-Photovoltaikanlage auf der Deponie in Warburg zu werben, hatte er extra einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geschrieben. Natürlich mit blumigen Worten zur Bedeutung der Erneuerbaren Energien und der Schlüsselrolle des ländlichen Raumes. Das berichtete er in der Sitzung des Kreisumweltausschusses in Ottenhausen. Die Worte waren kaum verhallt, da lehnte wenige Minuten später die CDU mit Stimmen der SPD ein Modellprojekt für eine Freiflächenanlage in Nieheim-Oeynhausen ab, obwohl der heimische Projektierer viele ökologische Komponenten einbauen will. Dabei hatten selbst die Experten des Kreis-Landschaftsbeirates zuvor das Projekt ausdrücklich befürwortet. Entsetzen &bdquo;Wir sind entsetzt“, ringt die Grüne Kreistagsabgeordnete Jutta Fritzsche im Nachgang um Worte und redet sich in Rage. Sie spricht von einer &bdquo;schwachsinnigen Entscheidung, die in keinster Weise nachvollziehbar“ sei.Und sie kritisiert die fadenscheinigen Argumente seitens der CDU, die unter anderem die Flächenversiegelung moniert hätte. Die im Gegensatz zu großen Windkraftanlagen in diesem Fall jedoch gar nicht gegeben ist. Selbst die Pfosten für die Module sollen nicht einbetoniert werden. Argumente Dass sich der Kreis Höxter überhaupt mit dem Vorhaben in der Nieheimer Ortschaft beschäftigt, obwohl die Planungshoheit eigentlich bei der Stadt liegt, ist im sogenannten Landschaftsplan Nr. 5 begründet.Der legt fest, dass die Fläche eigentlich als &bdquo;Allgemeiner Freiraum und Agrarbereich“ vorgesehen ist. Soll darauf eine Sonderbaufläche entstehen, muss der Kreis nach Landesnaturschutzgesetz einer Änderung zustimmen.SPD-Fraktionschef Frank Oppermann begründete die ablehnende Haltung der Sozialdemokratie vor allem mit dem starken Eingriff in das Landschaftsbild. Immerhin ist die insgesamt in Anspruch genommene Fläche 16 Hektar groß – wobei der größere Teil auf Grünflächen und neue Hecken entfällt.Die eigentlichen Module nehmen gemäß des Planes nur sechs Hektar ein. &bdquo;Das Landschaftsbild genießt großen Vertrauensschutz“, sagt der Kreistagspolitiker.Ein weiteres für Oppermann sehr wichtiges Argument bei diesem Projekt ist der Dorffrieden in Oeynhausen. Den sieht er als stark gefährdet. &bdquo;Die Ortschaft ist schon jetzt stark durch die Geräuschkulisse des Bilster Bergs und die Immissionen der Landwirtschaft beeinträchtigt“, sagt der SPD-Politiker. Er meint den Geruch aus den Hähnchenmastställen rings um das Dorf. Er kennt die Befindlichkeiten in der Ortschaft gut, wohnt er doch gleich im Nachbarort Bergheim. Und er weiß, dass die Oeynhäuser viele Unterschriften gegen das Projekt gesammelt haben – obwohl ihnen der heimische Projektierer Georg von Puttkamer auf 20 Jahre verbilligten Strom angeboten hat und das Projekt mit vielen ökologischen Komponenten versehen hat. Die CDU hat sich den Einwänden der Sozialdemokraten angeschlossen, wie Heinz Seifert berichtet. Und er fügte weitere hinzu: So sei aus Sicht der Christdemokraten die Energieausbeute im Vergleich zum Flächenverbrauch durch die Anlage zu gering. Er verwies auf die Bedeutung landwirtschaftlicher Flächen, gerade in Zeiten, da die Weltmarktpreise für Getreide und Co. quasi explodieren würden.Die Union fürchtet auch, dass mit der Zustimmung zu diesem Projekt eine Art Signalwirkung für weitere Anlagen gegeben würde. Sie will aber zunächst einen grundsätzlichen Kriterienkatalog aufstellen, unter welchen Bedingungen solche Freiflächenanlagen denkbar wären. Eine Art Richtschnur für die Städte, die natürlich die Planungshoheit behalten sollen. Meinung der Experten Das Fachgremium für diese Angelegenheit, der Landschaftsbeirat des Kreises, hatte zuvor mit einer Mehrheit von 12:2 übrigens für das Projekt in Oeynhausen gestimmt und mehrere Anregungen gegeben, wie der ökologische Wert noch mehr gesteigert werden könne.Unter anderem durch noch breitere Hecken und eine abschnittsweise Mahd. Trotz der Expertenmeinung lehnten Christ- und Sozialdemokraten das Vorhaben ab. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse ist zu erwarten, dass der Kreistag dem Votum folgen wird. Initiative für Warburg Wichtig war der CDU und der SPD zu betonen, dass sie nicht generell gegen Freiflächenanlagen sind. Entsprechend, so CDU-Politiker Heinz Seifert, müsse die Initiative von Landrat Michael Stickeln eigenständig bewertet werden.Der hatte kurz vor der Debatte im Kreisumweltausschuss von seinem Brief an Bundeswirtschaftminister Robert Habeck berichtet. In dem hat er ein Pilotprojekt zum landschaftsverträglichen Ausbau der Sonnenenergie im Kreis Höxter vorgeschlagen. &bdquo;Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme hat neuartige Photovoltaik-Module für Freiflächenanlagen entwickelt, die sich farblich der umgebenden Landschaft anpassen. Darin sehe ich einen Weg, die Energiewende voranzubringen und gleichzeitig die Akzeptanz zu erhöhen“, begründet der Landrat in einer Presseerklärung seine Initiative.Nach dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine wollen Bund und Land das Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien deutlich ausweiten und beschleunigen, damit Deutschland unabhängiger vom Import fossiler Brenn-, Kraft- und Heizstoffe wird. &bdquo;Davor war der Klimaschutz das vorrangige Ziel, jetzt ist auch die Versorgungssicherheit in den Fokus gerückt“, so Stickeln.Bedeutung des Kreises Dem ländlichen Raum kommt bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zu, weil hier die notwendigen Flächen für die Energiegewinnung zur Verfügung stehen.&bdquo;Mit der Errichtung von Solarparks sind jedoch erhebliche Auswirkungen auf das Landschaftsbild verbunden, die immer wieder zu Akzeptanzproblemen führen“, erklärt der Landrat. Viele störten sich an den dunkelblauen und schwarzen Flächen, die wie Fremdkörper in der Natur wirkten.Lösungsansatz Eine mögliche Lösung sieht Stickeln in der Neuentwicklung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg. Das renommierte Forschungsinstitut hat ein Verfahren zur farblichen Gestaltung von PV-Modulen entwickelt, so dass die Freiflächenanlagen zukünftig farblich an ihre Umgebung angepasst werden können.Allerdings ist die Neuentwicklung noch nicht auf dem Markt. &bdquo;Diese Innovation wollen wir in einem Modellprojekt mit dem Fraunhofer-Institut bei uns im Kreis Höxter im Freiland in der Praxis erproben“, so Stickeln. Beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz macht er sich für eine Förderung des zukunftsweisenden Vorhabens stark.Rund 10.000 farbige Solarmodule sollen in einer Kleinserie gefertigt und in einer Pilotanlage im Kreis Höxter erprobt werden. Ein möglicher Standort könne die Deponie Warburg sein. Die Herstellung ist laut Fraunhofer-Institut derzeit teurer als die herkömmlicher Module.&bdquo;Wenn wir damit den Wert des Landschaftsbildes erhalten und die Akzeptanz erhöhen können, wäre das ein Riesengewinn und ein Turbo für die Energiewende“, zeigt sich Landrat Stickeln zuversichtlich.

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