Neuer Höchststand bei Verkehrstoten im Kreis Höxter

Kreis Höxter. Es sind ihre verdammten Latschen. Sie stehen vergessen am Straßenrand. Im Regen. Überall Blaulicht, Krankenwagen, Notarzt, Polizei. Dazwischen, im Dunkeln kaum zu sehen, ein Auto mit geborstener Windschutzscheibe. Die Latschen an der Unfallstelle sind das letzte Bild, das von Virginia, 15 Jahre alt, in Erinnerung bleibt. Und das sich tief einbrennt und selbst nach 27 Jahren alle schönen Erinnerungen an Fußballfahrten der frühen Jugend oder das Abhängen im bunt gestalteten Dachboden-Zimmer verdrängt. Wir anderen werden nie wieder in diesem jugendlichen Rückzugsort zusammensitzen. Gini starb an einem 24. Dezember. Geschichten wie diese meint Höxters Landrat Michael Stickeln, wenn er bei der Vorstellung der Verkehrsstatistik mit den deutlich steigenden Zahlen an Verkehrstoten und schwer Verletzten zuerst an den bleibenden Schmerz für die Angehörigen und Freunde erinnert. &bdquo;Wie viel unendliches Leid die Angehörigen ertragen müssen, das macht uns betroffen“, sagt Stickeln. Denn hinter den vielen Daten stehen Schicksale. Und: &bdquo;Die Zahlen sind nicht gut.“ Landes- und Bundesstraßen sind der Schwerpunkt Zehn Verkehrstote, die hälfte davon unter 25 Jahre alt, bilanziert die Polizei. &bdquo;Eine Höchstzahl in den vergangenen zehn Jahren“, ordnet Markus Tewes, Leiter der Direktion Verkehr bei der Kreispolizeibehörde ein. Auch die Anzahl der Verunglückten ist mit 614 auf den Höchststand in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. &bdquo;Eine schlechte Nachricht“, sagt Tewes. Denn der starke Anstieg im Kreis Höxter geht gegen den sinkenden NRW-Trend. Und damit wird die Region für Verkehrsteilnehmer vergleichsweise unsicher. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist die Gefahr, im Kreis Höxter tödlich zu verunglücken, fast dreimal so hoch wie im NRW-Schnitt. Bei den sogenannten Häufigkeitszahlen für Schwerverletzte und Tote bei Verkehrsunfällen belegt der Kreis Höxter den vorletzten Rang. Es lohnt sich ein genauerer Blick in die Zahlen, um die Entwicklung einzuordnen und vor allem auch, die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Die größten Gefahren sind nämlich nicht in den Ortschaften, sondern vor allem auf den schnellen Landes- und Bundesstraßen. &bdquo;Alle Verkehrsunfälle mit tödlichen Folgen wurden außerhalb der Ortschaften verursacht, ebenso etwa zwei Drittel der Verkehrsunfälle mit Schwerverletzten“, stellt Markus Tewes fest. Geschwindigkeit nicht häufigste Ursache Sein Credo: &bdquo;Unfälle passieren nicht, sie werden von Menschen verursacht.“ Und deshalb könne man auch vieles tun, um sie zu verhindern. Denn beim Blick auf die Ursachen für Unfälle mit Personenschäden wird deutlich, dass anders als in den vergangenen Jahren nicht die unangemessene Geschwindigkeit am häufigsten ausschlaggebend war (Rückgang von 33 auf 18,9 Prozent), sondern Vorfahrtsmissachtungen (36,3 Prozent). In diesen Fällen sei häufig mangelnde Konzentration und Aufmerksamkeit das Hauptproblem. &bdquo;Man hat den anderen einfach nicht gesehen.“ Wenn eine konkrete Ablenkung nachgewiesen werden kann, wird das inzwischen in der Statistik extra vermerkt. Immerhin schon sieben Prozent sind darauf zurückzuführen. Der vermeintlich kurze Blick aufs Handy, eine schnelle Einstellung am Infotainment-System, aber auch ein anstrengendes Telefonat über die erlaubte Freisprechanlage kann fatale Folgen haben. Wer auf diese Ablenkung bewusst verzichtet, kann Leben retten. Auch Gini wurde damals totgefahren, weil der Fahrer abgelenkt war. &bdquo;Warum?“ hat ihre Mutter auf ihr weißes Grabsteinkreuz als einziges Wort schreiben lassen. Wissend, dass sie darauf niemals wirklich eine Antwort erhalten wird.

Meistgelesen