Höxter. Annähernd fünf Jahre ist es her, seit die historische Springladenorgel der ehemaligen Abteikirche Corvey ihre Klangfülle beim letzten Konzert entfaltet hat. Jetzt ist die Zeit des Schweigens vorbei: Das kostbare Instrument ist nach Restaurierung und Rekonstruktion an seinen exponierten Platz auf der von Engeln getragenen Empore zurückgekehrt und wird am Samstag, 12. Juni, von Weihbischof Manfred Grothe geweiht. Dekanatskirchenmusiker Jörg Kraemer spielt die Orgel. Dem festlichen Gottesdienst um 15 Uhr kann wegen der Pandemie nur ein kleiner Kreis geladener Gäste beiwohnen. Die Menschen werden aber bei Vespern, Konzerten und Eucharistiefeiern in der Abteikirche die Möglichkeit haben, die Königin der Instrumente mit 32 Registern und etwa 2.000 Pfeifen zu hören.
KULTURGESCHICHTE
Ihre Einweihung am Martinstag 1683 nach gut zweieinhalb Jahren Bauzeit markierte den Abschluss des Neubaus der im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Abteikirche, blickt Josef Kowalski, geschäftsführender Vorsitzender des Kirchenvorstandes St. Stephanus und Vitus Corvey, in die Geschichte. Zusätzlich zu ihrem internationalen Stellenwert sei die Orgel auch ein Zeugnis regionaler Kulturgeschichte. Denn ihr Erbauer Andreas Schneider habe ebenso in Höxter gelebt wie der Bildhauer Thomas Freden, der den prächtigen Prospekt schuf.

Diese Schauseite macht die Orgel in Corvey auch angesichts der Form der erhaltenen Prospektpfeifen mit ihren Engelszungen absolut unverwechselbar, ordnet Kraemer das Barockinstrument als herausragend ein. Die Orgel gehöre zu den bedeutendsten in Europa und der Welt und werde beim Fachpublikum auf großes Interesse stoßen.
PFEIFENNEUBAU
„Viele der Pfeifen – weit mehr als ein Drittel – mussten neu gebaut werden", so Kraemer. Wichtige alte Pfeifen wie das für die Mitteltonstimmung ausschlaggebende Register Principal hätten aber restauriert werden können. „Es ist eine Herausforderung für Orgelbauer, aus den alten Pfeifen einen Bauplan für die übrigen Pfeifen zu entwickeln und sie aus den vorhandenen Modulen heraus im Geiste von Andreas Schneider zu rekonstruieren", betont Kraemer. Daher sei es beruhigend gewesen, die Orgel bei der niederländischen Orgelbaufirma Flentrop in erfahrenen Händen zu wissen.
INTONATION
Ein Glücksfall sei es auch gewesen, dass die Firma für die so wichtige Intonation des Barockinstruments zwei Fachleute entsandt hat, die ausgewiesene Organisten und versierte Orgelbauer sind. „Sie wissen, worauf es ankommt, um diese Pfeifen zum Leben zu erwecken." Daran haben die beiden Intonateure, Dick Koomans und Jan Spijker, seit November 2020 mit Akribie, Ausdauer und Leidenschaft gearbeitet. „Es ist ein Traum, den wir verwirklichen." Beteiligt daran seien aber nicht nur sie, wie sie betonen, sondern auch die Kollegen, die den technischen Einbau gemeistert haben. „Dieser Traum ist eine Mannschaftsleistung", betonen die Intonateure, die von Haarlem in den Niederlanden bis Sao Paulo in Brasilien Kirchenorgeln zum Klingen bringen und das Corveyer Instrument als eines ihrer besonderen einstufen.
FÖRDERVEREIN
„Diese Orgel gehört zur Champions League", verleiht Hermann Doninger, Vorsitzender des Fördervereins Chorus zur Rettung der Orgel, seiner Freude über dieses Juwel Ausdruck. Der Verein hat 350.000 Euro Spendengelder gesammelt und darüber hinaus den 300.000-Euro-Zuschuss der NRW-Stiftung akquiriert. „Mit einer so hohen Spendensumme hätte ich nie gerechnet", bilanziert der Vorsitzende – und dankt allen, die dieses ambitionierte Projekt unterstützt haben.

Die Kosten für die Orgelrestaurierung belaufen sich auf etwa 968.000,00 Euro. In das Projekt fließen 137.453 Euro Bundeszuschuss für die Rekonstruktion und Restaurierung der Windladen, 300.000 Euro Zuschuss von der NRW-Stiftung und rund 350.000 Euro vom Förderverein Chorus. Die verbleibenden Finanzierungsmittel werden innerkirchlich (Erzbistum und Kirchengemeinde) finanziert.