Bestatter: "Wegen der Zahl der Sterbefälle bleibt für vieles keine Zeit"

Kreis Höxter. Ein trauriger Meilenstein: In dieser Woche ist im Kreis Höxter die 100er Marke der Corona-Toten gefallen. 107 Menschen (Stand: Donnerstag) sind seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit Corona im Kreis gestorben. Ein Großteil der Todesfälle entfällt allein auf den gerade vergangenen Januar. Das macht sich auch bei den Bestattern im Kreis bemerkbar. "Wir hatten im Dezember und Januar doppelt so viele Bestattungen wie in diesen Monaten in den vergangenen Jahren", sagt Holger Wilhelm, der ein gleichnamiges Bestattungsunternehmen in Warburg führt. "Das sind natürlich nicht alles Corona-Fälle, aber auch." Auch in Höxter seien die Todesfallzahlen höher gewesen, sagt Bestatter Jürgen Schlenke aus Höxter. "Aber es gibt immer Zeiten, in denen mehr gestorben wird, es gibt immer ein Auf und Ab." Wie auch immer - viel zu tun haben beide. Holger Wilhelm musste zwar keine Kunden abweisen - dank eines Pools an freien Mitarbeitern und seinen beiden Söhnen, die einspringen. Aber gerade an Frei- und Samstagen sei das Pensum besonders hoch. "Wir merken durch die Anzahl der Sterbefälle, dass eigentlich für vieles keine Zeit bleibt", sagt Wilhelm. Die Angehörigen, die den Warburger mit der Bestattung eines Verstorbenen beauftragen, sollen davon freilich nichts mitbekommen. Also wird die Zeit am anderen Ende gespart. Mit nw.de spricht Wilhelm am frühen Nachmittag. Zu diesem Zeitpunkt, sagt er, habe er den ganzen Tag noch nichts gegessen. "Wir sehnen uns der Normalität entgegen." "Zur Trauer, die sowieso da war, kam das noch dazu" Corona belastet aber nicht nur die internen Abläufe in Bestattungsunternehmen. "Es sind in der Regel sehr kleine Beerdigungen", sagt Wilhelm. Obwohl es auf dem Friedhof anders als im vergangenen Frühjahr keine Grenze für Teilnehmer der Trauerfeier gibt, trauten sich viele Menschen auch mit Maske und Abstand nicht hinzugehen. Empfohlen ist, dass nicht mehr als 30 Menschen bei einer Bestattung dabei sind. In der Rechnung mit drin sind bereits Bestatter, Pfarrer, Sargträger und Co. Beim ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr war die Teilnehmerzahl bei Bestattungen auf 20 begrenzt. Für Bestatter Jürgen Schlenke aus Höxter war das eine schwierige Zeit. Besonders in Erinnerung geblieben sei ihm eine Beisetzung eines beliebten und bekannten Mannes, der unter anderem auch bei den Schützen aktiv gewesen war. Es hätte ein Begräbnis mit vielen, vielen Gästen werden sollen. "Alles ist geplant gewesen, die Blumen, der Pastor", berichtet er. Dann kam Lockdown. "Und plötzlich durften nur noch die engsten Familienmitglieder teilnehmen, die Tochter des Mannes war maßlos traurig, zu der Traurigkeit, die sowieso da war, kam das noch dazu, das hat mir dann auch weh getan", sagt Schlenke. "Wie will man das den Angehörigen vermitteln?" Der Höxteraner hadert mit manch einer Corona-Regel. "Wenn wir einen Toten, der mit dem Coronavirus infiziert war, von zuhause abholen und wir da wie so ein Mondmensch reingehen müssen, das finde ich grausam." Natürlich hält er sich an die Vorschriften - ohnehin, sagt er, trage er im Umgang mit Verstorbenen Schutzkleidung. "Ein Arzt untersucht ja auch nicht ohne Handschuhe." Aber schön findet er viele Vorschriften eben nicht. Zu Beginn der Pandemie gab es eine weitere Regel. Nämlich die, dass Corona-Tote grundsätzlich in Bodybags verpackt werden müssen. Leichensäcke, die normalerweise nach schweren Unfällen oder wenn ein toter Körper lange lag zum Einsatz kommen. "Nach kurzer Zeit war ich der Überzeugung, dass das pietätlos ist", sagt er. "Wie will man das den Angehörigen vermitteln?" Ein Abschied vom Verstorbenen am offenen Sarg ist so nicht möglich. Eine Regel aus dem vergangenen Frühjahr. "Da wusste man auch noch nicht, wie sich das Virus ausbreitet." Heute gilt die Vorschrift nicht mehr. Wenn jemand stirbt, der mit Corona infiziert war, gibt es oft noch ein ganz anderes Problem, wie der Warburger Bestatter Wilhelm erklärt. "Teilweise dürfen die Angehörigen ja dann nicht raus, weil sie unter Quarantäne stehen." Urnenbestattungen könnten so weit im Kalender geschoben werden, dass die Isolation für die Angehörigen endet. Erdbestattungen sind weniger flexibel. Wilhelm berichtet von einem Fall, bei dem wenigstens so lange mit der Beerdigung gewartet werden konnte, dass ein Teil der Familie dabei sein konnte. Außerdem fiele vieles weg, was den Angehörigen eigentlich Trost spenden soll. "Kein Kondolieren mit Handschlag - oder wenn aus 1,5 Metern Entfernung, keine Umarmungen", beschreibt Wilhelm.

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