Experte klärt bei Aktionswoche auf: „Als Rassist wird man nicht geboren“

Kreis Höxter/Brakel. &bdquo;Wir wollen als Gesellschaft eine klare rote Linie ziehen", sagte Höxters Landrat Michael Stickeln bei der digitalen Auftaktveranstaltung der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Die Podiumsdiskussion wurde live übertragen auf dem Youtube-Kanal des Kreises Höxter. Die Akteure trafen sich im Berufskolleg des Kreises Höxter in Brakel, der dazugehörige Internetstream wurde bereits über mehrere hundert Mal aufgerufen. Alle zehn Städte des Kreises zeigen in diesen Tagen Flagge gegen Rassismus – und zwar buchstäblich. Überall wurde vor den Rathäusern oder auf öffentlichen Plätzen Fahnen gehisst, berichtete Stickeln. &bdquo;Niemand wird mit Hass auf andere Menschen geboren, Hass wird anerzogen", griff er Worte von Nelson Mandela auf. Und der Landrat verwies auf rund 50 (Online)-Veranstaltungen, die bis zum 28. März im Kreis Höxter für Toleranz und Offenheit werben wollen. Als Experte war Karim Fereidooni, Professor an der Ruhruni Bochum, geladen. Für ihn liegen die Wurzeln des Rassismus im Zeitalter des Kolonialismus: &bdquo;Um die Versklavung Afrikas zu rechtfertigen, entstand das Denken, dass weiße Menschen über den anderen rangieren", erklärte der Fachmann. Wir kämen nicht als Rassisten auf die Welt: &bdquo;Das ist kein Gen. Wir lernen es, rassistisch zu sein", so Fereidooni weiter. Er nennt Rassismus lieber eine gesamtgesellschaftliche Tatsache als ein Problem. Zu finden sei er übrigens in allen Gesellschaftsschichten. &bdquo;Es kommt bei Akademikern, Gutverdienern oder Beamten gleichermaßen vor", so der Bochumer Professor weiter, der sich besonders mit Rassismus an Schulen beschäftigt hat. Lehrer vermutet im Textmarker eines Schülers eine Bombe Ihn stört der Begriff Migrationshintergrund. Gerade in der Schule würden Kinder dadurch in eine Schublade gesteckt. &bdquo;Das ist ein Containerwort für negative Attribute, quasi eine Allzweckwaffe. Da muss man nicht mehr lange nach Erklärungen suchen", sagte Fereidooni. Der Experte von der Ruhruni zitiert ein Lehrerzimmergespräch: &bdquo;Der macht keine Hausaufgaben. Die Eltern kommen nicht zum Sprechtag – hat ja auch Migrationshintergrund." Der Wissenschaftler erzählte von dem Lehrer, der von &bdquo;Kanakistan" spricht oder im Textmarker eines Schülers gar eine Bombe vermutet und ihn damit als Terroristen brandmarkt. Auch Lehrer mit ausländischen Wurzeln würden von Kollegen diskriminiert. &bdquo;Die Absprache des Deutschseins führt zur Absprache der Kompetenz", so Fereidooni weiter. Er merkte an, dass Sprachen wie Türkisch, Polnisch oder Russisch ein geringerer Bildungswert zugewiesen werde als beispielsweise Französisch oder Spanisch. Auch er selbst erlebe im Alltag Rassismus. Zum Beispiel, wenn er im Zugabteil als einziger kontrolliert werde. &bdquo;Weiß-deutsche" Menschen machten dagegen hierzulande gar keine Rassismus-Erfahrung. Es gehe ihm aber ausdrücklich nicht darum, weißen Menschen Schuldgefühle einzureden, betonte Fereidooni. &bdquo;Rassismus ist in erster Linie eine Fantasie in den Köpfen weißer Menschen über farbige Menschen." Dessen müsse man sich bewusst sein. &bdquo;Wenn Sie Lust haben, etwa zu verändern, dann verändern Sie sich selbst", appellierte Fereidooni an die Zuhörer. Diskriminierung beginnt schon im Kindesalter Salem Kleff von der Initiative &bdquo;Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" wünschte sich ebenfalls eine &bdquo;Kultur von diskriminierungssensibler Wahrnehmung" im Bildungsbereich. &bdquo;Es kommt sehr auf die Kinder und Jugendlichen an", so Salem Kleff weiter. Zehn Schulen im Kreis machten mit bei der Initiative. Ziel müsse es sein, der Herabwürdigung und Benachteiligung von Menschen überall zu begegnen. In der anschließenden Diskussionsrunde, die von Susanne Stork (Radio Hochstift) moderiert wurde, kam auch Yarmen Rasslan zu Wort. Er floh vor mehr als fünf Jahren aus Syrien in den Kreis Höxter und macht inzwischen hier eine Ausbildung. Er erinnert sich an ein freiwilliges Praktikum bei der Lebenshilfe. &bdquo;Als ich mit den Bewohnern spazieren ging, sprach mich jemand an, ob ich Sozialstunden machen würde", erzählte der junge Mann. Das habe ihn damals sehr getroffen. Orthopäde Rolf Haaker von der Katholischen Hospitalvereinigung Weser-Egge im Kreis Höxter berichtete, dass in den Krankenhäusern und Rehakliniken im letzten Jahrzehnt viele Ärzte und Pflegepersonal mit Migrationshintergrund eingestellt wurden. &bdquo;Sie sind inzwischen Säulen des Gesundheitssystems", sagte der Chefarzt. Die KHWE habe &bdquo;aus der Not geboren" diesen Mitarbeitern Sprach- und Vorbereitungskurse angeboten. Dieses Angebot werde gerne wahrgenommen. &bdquo;Denn Patienten haben immer nur dann ein Problem, wenn Verständigungsschwierigkeiten auftauchen", so der Professor weiter. Nora Wieners vertrat das Bündnis für Demokratie und Toleranz im Kreis Höxter. &bdquo;Jeder kann seine Stimme gegen Rassismus erheben", sagte sie. Und Adalbert Grüner von der ökumenischen Flüchtlingshilfe in Brakel plädierte für mehr Begegnungen: &bdquo;Wer Geflüchtete kennenlernt, lernt sie auch schätzen und baut Vorurteile ab." Matthias Ziemoch, Antidiskriminierungsbeauftragter bei der Caritas, forderte die Zuschauer dazu auf, sich mit ihrer eigenen rassistischen Sozialisierung auseinanderzusetzen.

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