Boffzen. Es ist der frühe Morgen des 12. Oktober 1991, 2.29 Uhr, als die Polizei die Meldung über einen vermeintlichen Wildunfall auf dem Waldparkplatz Rottmündetal in der Nähe von Boffzen im Solling erhält. Der Hinweis kommt von einer Notrufsäule im Zuständigkeitsbereich der Polizei Holzminden.
Statt eines Streifenwagens der Polizeiwache Holzminden übernimmt "Hilde 10-35" den Einsatz. In dem Zivilfahrzeug sitzen die beiden Polizeiobermeister Jörg Lorkowski und Andreas Wilkending, die gerade von einem anderen Einsatz zurückkehren und anbieten, den Wildunfall zu übernehmen. Nach der Übernahme des Einsatzes bricht der Kontakt mit "Hilde 10-35" ab.
Ein Streifenwagen wird darauf hin zum vermeintlichen Unfallort entsendet, um nach "Hilde 10-35" zu suchen. Die Kollegen finden auf dem Parkplatz jedoch nur Patronenhülsen und Blutspuren - von Lorkowski und Wilkending fehlt jede Spur. Was sich dann anschließt, sind eine große Suchaktion und Ermittlungen nach dem unbekannten Anrufer.
Am Ende können drei Brüder identifiziert und die Leichname der beiden Polizisten gefunden werden. Lorkowski wurde 30 Jahre alt und hinterließ eine Ehefrau. Wilkending starb mit 34 Jahren und hinterließ neben seiner Frau zwei Kinder. Der Haupttäter wurde zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Dort befindet er sich noch immer.
"Dank an alle, die sich jeden Tag unermüdlich für unsere Gesellschaft einsetzen"
Anlässlich des 30. Todestages erklärt Landespolizeidirektor Ralf Leopold: "Dieser tragische Einsatz verdeutlicht uns nach wie vor die Gefahren, denen sich unsere Kolleginnen und Kollegen im täglichen Einsatz für die Gesellschaft aussetzen. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen jederzeit zu helfen. Wir tun dies in vielen Situationen unter größtmöglichem persönlichen Einsatz."
Man wisse, dass die Einsätze vor Ort oft anders aussehen, als zunächst über Funk beschrieben. "Mit einer solch heimtückischen Tat konnte jedoch niemand rechnen. Sie zeigt, auf wie viel Hass wir treffen können", so Leopold weiter. "Ich kann nur hoffen, dass sich so eine Tat nie wiederholen wird. Mein Dank geht an alle, die sich jeden Tag unermüdlich für unsere Gesellschaft einsetzen."
Der Vorsitzende des Polizeihauptpersonalrats, Martin Hellweg, zeigt sich solidarisch: "Entscheidend ist, dass wir als Polizei unsere im Dienst getöteten Kolleginnen und Kollegen nicht vergessen. An diesem Tag denken wir auch an die Hinterbliebenen der Ermordeten, an ihre Freunde und an ihre Kolleginnen und Kollegen." Gegen solch heimtückischen Taten werde es auch weiterhin nur wenig, wenn gar keinen Schutz geben. Der Dienstherr werde sich aber daran messen lassen müssen, seinen Beschäftigten den größtmöglichen Schutz zukommen zu lassen.
"Sie waren gekommen, um zu helfen"
Dem Wunsch der Hinterbliebenen entsprechend, wurde in einem kleinen Rahmen am Gedenkstein am Waldparkplatz Rottmündetal im Beisein von Polizeipräsidentin Gwendolin von der Osten, Polizeidirektor Matthias Kinzel, Polizeioberrat Oliver Busche sowie Vertreterinnen und Vertretern des Personalrates und der Gewerkschaften einen Kranz im Gedenken an Jörg Lorkowski und Andreas Wilkending niedergelegt.
Gwendolin von der Osten schlägt den Bogen in die heutige Zeit: "Gewalt gegen Einsatzkräfte, nicht nur gegen Polizei, sondern auch gegen Rettungsdienste und Feuerwehren, muss öffentlich ganz deutlich geächtet werden."
Als "eine Tat, die tiefe Spuren hinterlassen und das Leben vieler Menschen geprägt und verändert hat" beschreibt Oliver Busche die Geschehnisse vom 12. Oktober 1991: "Diese Tat ist Mahnung für das, was Hass und Gewalt auslösen können. Andreas Wilkending und Jörg Lorkowski waren geschätzte Kollegen, persönlich ausgeglichen und mit vorbildlicher Einstellung. Sie waren gekommen, um zu helfen", so der Leiter des Polizeikommissariats Holzminden. Sie waren gekommen, um zu helfen - so lautet deshalb auch die Inschrift auf dem Gedenkstein am Waldparkplatz Rottmündetal. Sie kamen nie zurück.