„Will dem Täter in die Augen sehen“: Familie des getöteten Tino Werner hofft auf Antworten

Bad Driburg-Dringenberg. Ein paar Vögel zwitschern, eine große Eiche wirft einen Schatten auf Tino Werners Grab. Weiße Petunien, rosa Chrysanthemen und kleine Engelfiguren wachen dort. Es ist friedlich. Als wüsste der Ort, der kleine Friedhof in Dringenberg, dass Tinos Familie nach mehr als 21 Jahren endlich ein wenig Frieden gefunden hat. Vielleicht weiß er es sogar. Denn jeden Tag, jeden einzelnen Tag seitdem Tino Werner in seiner Wohnung in Bad Driburg ermordet wurde, besucht ihn mindestens ein Familienmitglied auf dem Friedhof. Auch als Brigitte Rehermann, die älteste Schwester von Tino, von der Polizei erfährt, dass ein dringend Tatverdächtiger verhaftet wurde, führt sie der Weg zum Friedhof. Diesmal allerdings zum Grab ihrer Mutter. &bdquo;Das habe ich Mutti sofort alles erzählt mit Tino“, erzählt die 66-Jährige. &bdquo;Es ist eigentlich drei Jahre zu spät“, sagt sie, stockt dann, schaut nach oben. &bdquo;Ich brauche einen Moment.“ Die Mutter von Brigitte Rehermann, Tino Werner und vier weiteren Geschwistern starb ziemlich genau drei Jahre, bevor die Kriminalpolizei den mutmaßlichen Mörder festnahm. &bdquo;Sie hätte das auch gern noch erlebt“, sagt Brigitte Rehermann. 2023 hatte die Bielefelder Polizei eine Cold-Case-Einheit gegründet, die sich um ungeklärte Mordfälle aus der Region kümmern sollte. 40 Fälle insgesamt, einer von ihnen der Fall Tino Werner. &bdquo;Da haben wir wieder Hoffnung gehabt“, sagt Marcel Rehermann, Brigittes Sohn und Tinos Cousin. Der Familie war aber auch klar, dass sie mitunter noch weiter wird warten müssen. &bdquo;Es können ja nicht alle Fälle gleichzeitig bearbeitet werden.“ Und so gingen weitere Monate der Ungewissheit ins Land. Bis zum vergangenen April. Familie des getöteten Tino aus Bad Driburg erfährt vom DNA-Treffer Ermittler der Cold-Case-Einheit erklärten der Familie, dass die Polizei 120 DNA-Proben nehmen wolle. Im Vergleich zu 2003, dem Jahr, als Tino getötet wurde, hat die Forensik heutzutage viel mehr Möglichkeiten, um biologisches Spurenmaterial zu untersuchen. Es reichen winzigste Mengen aus, um einen Täter oder eine Täterin zu überführen. &bdquo;Die Chancen, die wir gesehen haben, waren auf einmal sehr groß“, sagt Brigitte Rehermann, sie lässt den Zeigefinger über dem Kopf kreisen: &bdquo;Es läuft, es läuft, es läuft, man überlegt, wer könnte es sein?“. Auch Marcel Rehermann und Helmut Werner, Tinos Vater, wurden gebeten, Speichelproben abzugeben. &bdquo;Ich habe da gar kein Problem mit“, sagt Marcel Rehermann, &bdquo;das zeigt nur, dass die Polizei ihre Arbeit gut macht“. Am 9. Mai macht die Bielefelder Polizei die DNA-Reihenuntersuchung öffentlich, verbindet das auch noch mal mit einem Zeugenaufruf. Und am Donnerstag drauf klingelt morgens um 11 Uhr bei Rehermanns das Telefon. Ob Kriminalhauptkommissar Markus Mertens, der Leiter der Cold-Case-Einheit, vorbei kommen könne. Brigitte Rehermann trommelt ihre &bdquo;Männer“ zusammen, Marcel Rehermann, der auf einer Schulung ist, wird per Videocall zugeschaltet. Und dann fallen die Worte, auf die die Familie mehr als zwei Jahrzehnte gewartet hat. Es gibt einen DNA-Treffer, ein dringend Tatverdächtiger ist festgenommen. Lesen Sie auch: Durchbruch im Mordfall Tino Werner aus Bad Driburg: Verhaftung mehr als 20 Jahre nach der Tat Tino Werners Familie kennt den mutmaßlichen Täter &bdquo;Mir ging es eiskalt den Rücken runter“, beschreibt Marcel Rehermann seine Gefühle, &bdquo;der Klotz ist weg, es ist eine enorme Erleichterung, dass der mutmaßliche Täter hinter Gitter gebracht worden ist“. Der mutmaßliche Täter ist ein ehemaliger Nachbar von Tino. Die Rehermanns kennen ihn vom Sehen. &bdquo;Tino und er hatten nicht das perfekte nachbarschaftliche Verhältnis“, sagt Marcel und will es dabei bewenden lassen. Schon damals sei der Nachbar, der heute 57 Jahre alt ist, verdächtig gewesen. &bdquo;Aber die Spurenlage war anders“, sagt Marcel Rehermann, der die Ermittlungsakten kennt, &bdquo;man hatte nichts in der Hand“. Das muss heute ganz anders sein. Die Angehörigen warten nun auf eine Anklage, einen Prozess. Sie wollen Nebenkläger sein. &bdquo;Ich will ihm in die Augen sehen“, sagt Brigitte Rehermann mit fester Stimme. &bdquo;Ich möchte ihn fragen, warum. Was hat Tino getan?“ Ihr Sohn wendet sich ihr zu: &bdquo;Ich glaube nicht, dass er dir antworten wird.“ Aber darum geht es Brigitte Rehermann nicht: &bdquo;Und wenn ich es nur denken kann: Warum hast du das getan?“ Opfer aus Bad Driburg war wissbegierig, kreativ und lebenslustig Die Polizei geht davon aus, dass Habgier und Homophobie eine Rolle bei der Tat spielten. Tino Werner war Kellner in der früheren Gastronomie im Hotel am Kaiserbrunnen in Brakel und hatte nach seiner letzten Schicht das Portemonnaie mit nach Hause genommen. 150 Euro etwa waren drin. Kellnern - &bdquo;das war sein Ding“, sagt Tinos älteste Schwester, &bdquo;da ist er aufgegangen, den hätten sie nicht an einen Schreibtisch setzen können“. Thema Cold-Cases: In diesen ungelösten Mordfällen aus OWL wird jetzt neu ermittelt Tino sei wissbegierig gewesen, kontaktfreudig, offen, aber auch kreativ und häuslich. &bdquo;Er hat seine Gardinen selber genäht“, berichtet seine Schwester. Er habe häkeln und stricken, kochen und backen können. Dazu sei er ein &bdquo;Hansdampf in allen Gassen“ gewesen, erinnert sich der Cousin. &bdquo;Sein Terminkalender war immer voll“, bestätigt Brigitte Rehermann. &bdquo;Tino war lebenslustig und hat Gott und die Welt kennengelernt.“ .responsive23-Uo26jsoknzRRZ0Mr-map-0509-bad-driburg-cold-case { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-Uo26jsoknzRRZ0Mr-map-0509-bad-driburg-cold-case { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-Uo26jsoknzRRZ0Mr-map-0509-bad-driburg-cold-case { padding-top: 142.86%; } } Der Familie des Mordopfers Tino Werner stellt sich Fragen Das Leben, das Tino so sehr liebte, wurde ihm genommen. Der Nachbar soll den damals 29-Jährigen erdrosselt haben, weil es ihm nicht passte, dass Tino Werner offen homosexuell lebte. &bdquo;Was geht in solchen Köpfen vor? Wenn er mit Homosexualität ein Problem hat, soll er einfach gehen“, findet Brigitte Rehermann. Gegangen ist der mutmaßliche Täter erst später. Ins Rheinland. &bdquo;Er ist morgens noch zur Arbeit gefahren, wo er festgenommen wurde“, berichtet Brigitte Rehermann. Für sie ein verrückter Gedanke. &bdquo;Er soll die Probe ohne Gegenwehr, ganz normal abgegeben haben“, weiß Marcel Rehermann. Hat sich der vermeintliche Mörder so sicher gefühlt? Helmut Werner, Tinos Vater, bedankt sich mit Handschlag für das Gespräch. Er wolle nicht reden, aber zuhören tue gut. Menschen, die Tino liebten, so wie der Vater, haben auf dem Grab Steine und Figuren mit lieben Worten hinterlassen. &bdquo;Du fehlst“ heißt es auf einem Stein dort, &bdquo;Für immer im Herzen“ auf einem anderen. Auch interessant: Wie die Polizei im Kreis Höxter bei &bdquo;ungeklärten Todesfällen“ ermittelt

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