Spenge

Kabarett statt Karneval: Dagmar Schönleber mit pfiffigem Vortrag

Die Reihe "Kabarett statt Karneval" geht weiter: Dagmar Schönleber präsentiert ihre Programm "Respekt" vor 250 Zuschauern in der Aula der Grundschule Spenge.

Da fällt einem alles aus dem Gesicht: Dagmar Schönleber thematisiert in Spenge auf humoristische Weise, was sich gehört und was so gar nicht geht. Dafür greift sie auch auf den Knigge zurück. | © Alexandra Wilke

24.02.2020 | 24.02.2020, 10:00

Spenge. Wenn sich viele Personen von allen Seiten bedroht fühlen und menschenverachtende Ideologien wieder salonfähig werden, dann müssen diese Themen explizit angesprochen werden – auch auf der Bühne. "Dann kann man nicht unpolitisch sein, wenn man auf der Bühne steht", erklärte Dagmar Schönleber. Sie gestaltete die langjährige Alternativ-Veranstaltung "Kabarett statt Karneval" in der ausverkauften Aula der Grundschule Spenge vor 250 Zuhörern. Natürlich mit Augenzwinkern, viel Witz und Humor, aber auch mit einer grundlegenden Ernsthaftigkeit. "Heute Abend hat alles einen Tiefgang", verriet Regina Schlüter-Ruff von der Stadtbücherei, die den Kabarett-Abend zusammen mit dem Kulturamt bereits zum achten Mal erfolgreich ausrichtete.

Die Initialzündung zu Schönlebers Programm "Respekt" bot ihr eine Situation in der Kölner Bahn. "Ich würde von mir behaupten, dass ich ein offener, vorurteilsfreier und optimistischer Mensch bin. Aber als ein Jugendlicher in einer vollbesetzen Bahn einer schwangeren Frau seinen Sitzplatz überließ, hat mich das so gerührt, dass ich mir dachte, was ist denn jetzt los? Mit so etwas rechnet man gar nicht mehr und das hat wiederum damit zu tun, wie uns die Welt verkauft wird." Überrascht von ihrer eigenen Reaktion schrieb sie ein Programm zu dem Umgang miteinander, versehen mit Ratschlägen, ein bisschen Massenerziehung und "mit Kittel, Schürze und Keule". Dagmar Schönleber versteht ihr Programm als eine "Serviceleistung" mit Impulsen für den Heimweg.

Männer und Frauen: ein Risikobereich

Und so eröffnete sie den Abend mit gelebter Willkommenskultur. Schließlich kamen auch in Spenge 250 unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zusammen: "Männer und Frauen zum Beispiel. Wir befinden uns hier in einem Risikobereich", scherzte Schönleber. Schritt eins zu einem respektvollen Umgang miteinander, lautete also: Die Sitznachbarn begrüßen, mit einem Lächeln, vielleicht sogar mit Handschlag. In der "jetzt ganz anderen Atmosphäre" ging Schönleber ans Eingemachte, thematisierte etwa, dass respektvolles beziehungsweise respektloses Verhalten schon bei der Art und Weise anfängt, wie Kritik geäußert wird.

Vor allem gegenüber Frauen sei Kritik häufig nicht inhaltlich und konstruktiv, sondern auf ihr Äußeres bezogen. Natürlich gebe es auf der einen Seite die Kandidatinnen von Germany's next Topmodel, zu denen auch Schönleber nichts anderes einfiel als: "Es ist schade. Die haben so lange Beine und machen doch nur Rückschritte." Auf der anderen Seite sieht sie allerdings Aktivistinnen wie Greta Thunberg und Carola Rackete. "Die werden nicht nur für das kritisiert, was sie tun, sondern dafür, dass sie tun, was sie tun, obwohl sie Frauen sind." Schönleber stellte die These in den Raum, dass eine Greta Thunberg bedeutend weniger kritisiert würde, wäre sie ein Gerd und erntete Zustimmung aus dem Publikum.

"Sie klingen alle gleich und jammern"

Ein respektvoller Umgang miteinander fange immer mit der Frage an, wie man selbst behandelt werden möchte, und verlange Disziplin. Toll sei es, wenn Respekt vorgelebt wird. Doch an Vorbildern mangele es, insbesondere in der Popmusik: Max Giesinger, Tim Bendzko, Wincent Weiss, Philipp Poisel und Mark Forster – laut Dagmar Schönleber im Grunde ein- und dieselbe Person. "Sie klingen alle gleich und jammern, wie schwierig das Leben doch ist. So als weißer Mittelschichtler in Deutschland." "Timi" singt zum Beispiel, er sei doch keine Maschine und Mark behauptet, "Egal was kommt, es wird gut, sowieso". Schönlebers schlichte Antwort auf diese Behauptung: "Nein, Mark. Es wird nicht alles gut, sowieso."

Statt der vielen kitschigen Antworten in der heutigen Popmusik brauche es mehr Fragen mit praktischem Realitätsbezug. Diese Forderung setzte Schönleber sogleich selbst mit einem Griff zur Gitarre um. In ihrem Lied fragt sie unter anderem, wie man sich verhalten soll, wenn sich die Oma, der man in der Bahn einen Sitzplatz anbietet, als Nazi entpuppt? "Ich weiß, dass Nichtstun auf Dauer nicht geht", sang Schönleber. Als "große Freundin der Fremderziehung" riet sie: "Wie in einer langjährigen Paarbeziehung die eigenen Bedürfnisse und das eigene Konfliktpotenzial erkennen, auf Augenhöhe verhandeln und dranbleiben".

"Extrem unsachlich kontern, aber pfiffig"

Die Devise Dranbleiben lebt Schönleber selbst im Internet. Dort, wo "der Unterschied zwischen Freiheit und Freibrief" nicht mehr eindeutig zu sein scheint. Die "Trolle" sehe man auch analog auf der Straße, geballt treten sie aber als Hater und Hetzer im Netz auf. Ihr Tipp: "Extrem unsachlich kontern, aber pfiffig." Und zwar mit ganz viel Liebe und vor Kitsch triefenden Lebensweisheiten. Als "Troll of Love" im Internet und mit Gitarre, Witz und Ernsthaftigkeit auf der Bühne – so setzt sich Dagmar Schönleber gekonnt für einen respektvollen Umgang miteinander ein.

Infokasten: Regina Schlüter-Ruff hat Dagmar Schönleber erstmals im Zauberkasten in Bochum gesehen und sofort an die Spenger Veranstaltungsreihe gedacht. Auch für das nächste Jahr seien die Vorbereitungen bereits in vollem Gange. Vormerken darf sich das Spenger Publikum wie gewohnt den Karnevalsfreitag um 19.30 Uhr. Auf der Bühne stehen wird dann wieder ein männlicher Künstler, denn die Veranstaltungsreihe lebt von einem jährlichen Geschlechterwechsel. (lex)