Stillstand bei Störmer: Küchenfirma verkauft Maschinen und leiht sie anschließend

Rödinghausen/Berlin. Die für den Deutschen Fernsehpreis nominierten Schauspieler und Regisseure steigen vor einem Hotel in der Nähe des Kurfürstendamms in Berlin aus den Autos. Nur wenige Meter entfernt hat das Unternehmen NIU Invest, das seit einiger Zeit die Kontrolle beim Küchenhersteller Störmer aus Rödinghausen übernommen hat, seinen Sitz. Während der Glamour der Berliner Prachtmeile nur einen Steinwurf entfernt liegt, ist vom einstigen Glanz bei Störmer kaum noch etwas übrig. Die Produktion des Küchenherstellers steht bereits seit mehr als zehn Wochen still. Dennoch strömen die verbliebenen Mitarbeiter und Angestellten täglich ins Firmengebäude im Rödinghauser Industriegebiet. Sie müssen ihre Arbeitskraft anbieten, nur so haben sie weiter Anrecht auf Löhne und Gehälter. Gegenüber der Neuen Westfälischen hat ein Störmer-Mitarbeiter den Produktionsstopp bereits bestätigt, nun hat die Redaktion weitere Informationen aus dem Umfeld des Betriebs erhalten. So sollen Mitarbeiter in den Produktionshallen aus Stangen, Seilen und Folie ein Federballfeld gebaut haben, um sich beim Spielen die Zeit zu vertreiben. &bdquo;Dort wird derzeit die Firmenmeisterschaft im Federball ausgetragen“, sagt ein Insider gegenüber dieser Zeitung. Weitere Angestellte sollen ihre Laptops und Smartphones mit in den Betrieb nehmen, um dort Filme und Serien zu schauen. Anstatt zu arbeiten, sollen Angestellte in den Büros mittlerweile Bücher lesen. Maschinen verkauft und wieder geleast Doch warum steht die Produktion bei Störmer eigentlich seit mehr als zwei Monaten still? &bdquo;Wir bekommen seit mehreren Wochen kein Material mehr“, hat ein Störmer-Angestellter zuletzt gegenüber der NW erklärt. Wie die Redaktion aus dem Umfeld des Unternehmens erfahren hat, soll Störmer hohe Verbindlichkeiten bei Lieferanten haben. Dabei soll es sich um Außenstände von etwa 1,8 Millionen Euro handeln. Da viele Lieferanten nur noch gegen Vorkasse Material liefern, benötigt Störmer laut dem Kenner des Unternehmens für den Neustart des Betriebs etwa vier Millionen Euro frisches Kapital. Ein internes Firmengutachten habe diese Zahl nach einer Prüfung im Frühjahr ausgespuckt. Sollte das Geld aufgetrieben werden, dürfte die Wiederaufnahme der Produktion für die Führungsspitze sowie die Angestellten aber eine Herkulesaufgabe werden. &bdquo;Eine Firma, die zehn Wochen vom Markt ist, da lässt sich jedes Insolvenzunternehmen besser sanieren“, sagt der Insider. Um an Geld zu kommen, hat Störmer in den vergangenen Jahren die Immobilie und das Grundstück in Rödinghausen bereits verkauft. Mittlerweile soll die Halle erneut den Eigentümer gewechselt haben. Wie die NW aus dem Firmenumfeld erfahren hat, sollen auch große Teile der Maschinenstraße nicht mehr der Störmer AG gehören. Die Anlagen sollen verkauft und dann wieder geleast worden sein. Sale-Lease-Back nennt man dieses Geschäftsmodell, das einem angeschlagenen Unternehmen im ersten Moment frisches Geld bringt. Anschließend sind jedoch hohe Leasinggebühren zu zahlen, die den Verkaufspreis irgendwann übersteigen werden. Firma fährt 600.000 Euro an Verlusten im Monat ein Unbestätigt ist die Aussage aus der Arbeitnehmerschaft, dass auf dem Gelände an der Industriestraße zwischenzeitlich der Strom abgestellt worden sein soll. Klar ist aber, dass ein Unternehmen, das über Monate nicht produziert, Verluste macht. Schließlich müssen Mieten und Leasinggebühren sowie Löhne und Gehälter bezahlt werden. Ein zwischenzeitlicher Antrag auf Kurzarbeit wurde bereits abgelehnt. Laut des Störmer-Insiders soll die Küchenfirma derzeit Verluste von etwa 600.000 Euro im Monat einfahren. Zurück zum Hochhaus in der Nähe des Kurfürstendamms, wo die Strippen bei Störmer mittlerweile von den Investoren der NIU Invest gezogen werden. 60 Prozent der Störmer-Aktien gehören bereits dem erst im Jahr 2022 gegründeten Unternehmen, dessen Geschäftsführender Direktor der Engländer Michael Cox ist. Dieser ist zeitgleich Vorstandsvorsitzender der Störmer AG. Die weiteren 40 Prozent hält derzeit noch Christoph Fughe. Laut einem Schreiben der NIU Invest, das der Redaktion vorliegt, möchte der aus Bad Salzuflen stammende Küchen-Manager seine Anteile aber veräußern – an NIU Invest. Nach NW-Informationen soll der Deal aber noch nicht abgeschlossen sein. Es soll noch um Geld gefeilscht werden. Hinter NIU Invest steckt die luxemburgische Firma Caner S.A., die alle Aktien des Unternehmens hält – und damit der Immobilien-Investor Cevdet Caner aus Österreich. Die Wirtschaftswoche beschreibt den 49-Jährigen in einem Artikel aus dem Jahr 2021 als &bdquo;Geschäftsmann mit zweifelhaftem Ruf“. Das Handelsblatt nennt ihn einen der &bdquo;umstrittensten Berater in der deutschen Immobilienwirtschaft“. Caner lebt unter anderem in Monaco und London und sorgte zuletzt im Umfeld des milliardenschweren Immobilienkonzerns Adler für Schlagzeilen. Geschäftsleitung nicht zur Mitarbeiterversammlung erschienen Christoph Fughe soll Caner vor einigen Jahren kennengelernt haben, wie die Branchenseite &bdquo;Inside Küche“ berichtet. Gemeinsam soll sich das Duo zum Ziel gesetzt haben, das verstaubte Image der heimischen Küchenfirma abzuschütteln und Störmer zu digitalisieren. Im Mai 2022 stellten Caner und Fughe ihre Version unter dem Namen &bdquo;Architecto“ in Berlin vor. Mehr als ein Jahr später ist von der Idee wohl wenig übrig. Am Freitag hat es im Werk in Rödinghausen um 11 Uhr eine erneute Mitarbeiterversammlung gegeben. Rechtsanwalt Klaus Pahde sowie Vertreter der IG Metall sind vor Ort gewesen sein. Zudem sollte die Geschäftsleitung zur &bdquo;wirtschaftlichen Lage und zu sonstigen Vorgängen und Vorhaben“ Stellung nehmen – ist aber nicht erschienen. Der NW ist ein Fragenkatalog zugespielt worden, den man Michael Cox stellen wollte. Die Belegschaft wollte Informationen über Finanzpläne haben und wissen, ob ein Konzept zur Rettung der Küchenfirma bestehe. Fragen, auf die die Mitarbeiter nach wochenlangem Stillstand ernsthafte Antworten erwarten.

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