Nach fast 50 Jahren: Löhner aus dem Rat verabschiedet

Löhne. Günter Willig hat zum Gespräch ein leicht vergilbtes DIN-A4-Blatt mitgebracht. Den Flyer mit SPD-Wahlwerbung hat er aufgehoben. Er stammt aus dem Jahr 1975. Damals trat Günter Willig zum ersten Mal für die Kommunalwahl an und wurde auf Anhieb in den Rat gewählt. Nach 48 Jahren hat er Ende 2023 sein Mandat als Ratsherr niedergelegt. Für Willig stand schon vor der letzten Kommunalwahl fest, dass er noch während der Legislaturperiode ausscheiden würde. &bdquo;Das haben wir so abgesprochen, damit sich meine Nachrückerin Carolin Weltschinski bis zur nächsten Kommunalwahl gut einarbeiten kann“, sagt Willig. Der Zeitpunkt sei genau richtig. &bdquo;Noch sagt keiner, endlich hört der auf.“ Zum Treffen hat Willig in den Alten Wartesaal im Bahnhof eingeladen. Der Dritte Ort ist an diesem Nachmittag gut gefüllt. Zum ersten Mal wird vom Bahnhofsverein zum Kaffeeklatsch eingeladen. Viele Löhnerinnen und ein paar Löhner sind da und kommen bei Kaffee und Kuchen ins Gespräch. Genau so soll es sein, sagt Willig. &bdquo;Wir haben hier einen Ort der Begegnung geschaffen.“ Die treibende Kraft Wenn sich Günter Willig und viele andere nicht massiv für den Bahnhof stark gemacht hätten, dann gäbe es diesen dritten Ort nicht. Klar ist auch, dass Günter Willig über Jahre die treibende Kraft des Projekts war. &bdquo;Es wollte keiner machen, da habe ich mich gekümmert“, sagt er. Das Kümmern stand schon ganz am Anfang seiner Karriere als Kommunalpolitiker. In den 70er Jahren herrschte Aufbruchstimmung. Das Interesse vieler Bürger war groß, sich zu engagieren. Vereine hatten großen Zulauf. Auch in die Politik zu gehen war für viele eine reizvolle Aufgabe. &bdquo;In den 70er Jahren hatten wir alleine in der SPD Obernbeck 220 Mitglieder, heute sind es knapp 50. Damals gab es Kampfkandidaturen um die Listenplätze für die Kommunalwahlen. Heute wird jeder aufgestellt, der sich nicht wegduckt.“ Um die große Politik ist es ihm nie gegangen. &bdquo;Für mich war es wichtig, die Verhältnisse in Obernbeck und in der Stadt Löhne zu verbessern“. Mit dieser Haltung trat er auch sein Ratsmandat im Mai 1975 an. In den ersten Jahren sei es viel um das Thema Straßenbau gegangen. Damals habe die Stadtverwaltung die Bürger in der Regel vor vollendete Tatsachen gestellt. &bdquo;Sehr von oben herab wurde agiert. Wir haben das geändert und als SPD-Obernbeck die ersten Bürgerversammlungen organisiert und uns gekümmert“, erinnert er sich. Kurze Wege für den Ratsherrn Nicht nur auf den Bürgerversammlungen wurde der Kontakt zu den Obernbeckerinnen und und Obernbeckern gepflegt. &bdquo;Ich bin immer viel unterwegs. Oft werde ich angesprochen. Ob beim Sonntagsspaziergang oder beim Bäcker. Du, hör mal - so fangen die Gespräche oft an“, sagt er. Häufig ergebe sich ein Thema, das er dann auf dem kurzen Dienstweg mit den jeweiligen Verantwortlichen bei der Stadt bespricht. &bdquo;Für ein Ratsmitglied sind manche Wege kürzer“, sagt er. Wichtige Entscheidungen im Rat waren in den 48 Jahren zu fällen. &bdquo;Kontrovers wurde damals die Fusion der Sparkassen zur Kreissparkasse Herford diskutiert“, erinnert er sich. Kritiker gab es auch, als es draum ging, die Landesgartenschau 2000 nach Löhne und Bad Oeynhausen zu holen. &bdquo;Das war richtig und hat sich als sehr gut für die Stadt erwiesen.“ Schlimmeres verhindert haben die Politiker als es Pläne gab, die Werretalhalle zugunsten eines groß angelegten Umbaus der Innenstadt abzureißen. &bdquo;Dann wäre dort heute eine große Brücke, auf der viele Autos fahren würden. Gut, dass es dazu nicht gekommen ist. Es wäre sehr schade, wenn wir die Werre als kulturelles Zentrum von Löhne nicht hätten.“ Das Herzensprojekt Klar spricht er sich gegen die Schuldenbremse aus. &bdquo;Wir sind nicht dazu da, den Mangel zu verwalten. Wir müssen an die Zukunft unserer Kinder denken und dürfen ihnen nicht eine marode Stadt übergeben.“ Dieser Ansatz hat ihn sicherlich auch beim Bahnhof getrieben. Viele Jahre Arbeit stecken in diesem Herzensprojekt. Er kann sich noch gut an die Anfänge erinnern. Während einer Klausurtagung der SPD im Bahnhof sei es vor Jahren um Themen wie Vandalismus und Angsträume gegangen. &bdquo;Das können wir nicht so laufen lassen“, sei die einhellige Meinung gewesen. Und Günter Willig kümmerte sich. &bdquo;Mit ein paar Mitstreitern haben wir begonnen, heute hat der Bahnhofsverein mehr als 100 Mitglieder und der Umbau des Gebäudes startet 2025“, zeichnet er mit wenigen Worten die Erfolgsgeschichte. Und an der will er weiter mitarbeiten, wenn auch nicht mehr in der ersten Reihe. Der Verein habe einen besseren Lauf als die Parteien. &bdquo;Im Bahnhofsverein erleben wir das bürgerschaftliche Engagement, das den Parteien fehlt.“ Nach 48 Jahren in der Politik ist Günter Willig nicht mit Groll oder Wehmut gegangen. Im Gegenteil. &bdquo;Diese Arbeit und der Kontakt mit den vielen engagierten Menschen hat mein Leben immer bereichert.“

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