Volle Erwachsenen-Windeln müffeln in der Sonne von Kirchlengern

Kirchlengern. &bdquo;Dann kommen wir jetzt zu den Filetstücken“, sagt Hermann Vogt süffisant, als er die Zweige zur Seite zieht. Was dahinter in rund zwei Metern Abstand zum Vorschein kommt, ist nichts für zartbesaitete Seelen. Ein Haufen mit vollen Windeln, darunter Modelle für Erwachsene, liegt in dem Gebüsch hinter einem Glascontainer in Kirchlengern. Unbekannte haben sie dort entsorgt. Es ist Sommer und bei Temperaturen jenseits der 30 Grad ist in Sachen Geruch das Schlimmste zu befürchten. Hermann Vogt hat die Windeln am Tag zuvor entdeckt und die NW eingeladen, ihn bei der Entsorgung zu begleiten. Seit 2021 sammelt der 70-jährige Rentner fast täglich sogenannten &bdquo;Wilden Müll“ in Kirchlengern ein. Er macht das ehrenamtlich. Weil er wenigstens in seinem näheren Umfeld etwas für eine saubere Natur tun möchte. Im Gebüsch hinter dem Glascontainer wird es nun langsam ernst. Schließlich lautete die Verabredung, die Windeln gemeinsam einzusammeln. Am Tag zuvor seien diese allerdings noch in zehn Säcken verpackt gewesen, erzählt Vogt. Von wem und vor allem warum sie jetzt ausgepackt worden sind, kann er sich auch nicht erklären. In Kirchlengern können Windel-Tonnen beantragt werden Es ist nicht das erste Mal, dass Vogt an dieser Stelle volle Erwachsenen-Windeln gefunden hat. Vor rund einem Jahr hatte er die NW ebenfalls über einen ähnlichen Fund informiert. Dabei gibt es in der Gemeinde sogar die Möglichkeit, Extra-Mülltonnen für Erwachsenen-Windeln zu beantragen. &bdquo;Vielleicht wissen das die Leute nicht oder sie schämen sich dafür“, vermutet Vogt gesellschaftliche Gründe. Zum Thema: Mann aus Kirchlengern findet 75 benutzte Erwachsenen-Windeln hinter Glascontainer Im Gebüsch interessieren diese eher akademischen Überlegungen nicht: Was hier zählt, ist die Annäherung an den Windel-Haufen. Dort angekommen, müffelt es unverkennbar. Eine deutliche Fäkal-Brise liegt in der Luft. Einige halb geöffnete Exemplare gewähren zudem ungeschönte Einblicke. Ganz so schlimm, wie anfangs befürchtet, ist es aber nicht. Auf seinen Touren habe er &bdquo;bis auf eine Leiche schon so gut wie alles gefunden“, erzählt Vogt. Schwarzer Humor muss sein. Denn ohne den sei das alles nur schwer zu ertragen. Der Kirchlengeraner dokumentiert seine Funde akribisch mit der Kamera. Mehrere Ordner füllen die mit Datum ausgedruckten Fotos mittlerweile. Wilder Müll in Kirchlengern verursacht hohe Kosten &bdquo;Wilder Müll“ ist deutschlandweit in den vergangenen Jahren zu einem immer größeren Problem geworden. Daran ändern auch verschärfte Bußgelder nichts. Viele Städte melden steigende Entsorgungskosten. Denn ohne Menschen wie Hermann Vogt bleiben die Mitarbeiter der Bauhöfe darauf sitzen. Zwischen 30.000 und 40.000 Euro kostet der Spaß alleine die Gemeinde Kirchlengern pro Jahr. Zum Thema: Riesiger Haufen entsorgter Erdbeeren gammelt in Kirchlengern vor sich hin Zurück ins Gebüsch: Mit Handschuhen und Müllzange allein ist es hier nicht getan. Das erkennt Vogt sofort. Daher will er erst Gummistiefel aus dem Auto holen. &bdquo;Bei den Temperaturen kann sich schnell alles verflüssigen“, weiß er aus Erfahrung. Für den Reporter ist an dieser Stelle die rote Linie überschritten. Beschämt, nicht durchgehalten zu haben, verlässt er das Gebüsch. Vogt kann das verstehen. Er weiß, dass sein &bdquo;Hobby“ nicht jedermanns Sache ist. Es gibt im Umkreis aber auch noch weniger eklige Sachen, die eingesammelt werden können. Im Maisfeld in Kirchlengern liegen durchwühlte Kleidersäcke Zielstrebig geht Vogt in ein benachbartes Maisfeld. An dem Wall, der das Feld von einem Parkplatz abgrenzt, liegt rund zehn Meter von der Straße entfernt der erste blaue Sack mit Kleidung. Dieser stammt offenkundig aus einem Altkleidercontainer, der unweit der Glascontainer aufgestellt ist. &bdquo;Man kennt seine Pappenheimer, daher gucke ich hier“, sagt Vogt. Hier sei eigentlich immer was. Wenn er an der Stelle mal nichts finde, sei das ziemlich unnormal. Er vermutet, dass bedürftige Menschen die Säcke aus der Altkleidersammlung fischen, um sie im Schutz des Feldes nach brauchbaren Sachen zu durchsuchen. Das Lagebild deutet darauf hin, dass er damit richtig liegen könnte. Im Abstand von wenigen Metern liegen fünf solcher durchwühlten Säcke am Rand des Maisfeldes. Die übrig gebliebenen Klamotten sind darum verteilt. Zu zweit dauert das Einsammeln rund 15 Minuten. Und auch ein großer Teppich, der noch an der Straße liegt, packt sich mit vier Händen leichter in den Kofferraum als mit zwei. Alleine würde er für all das deutlich länger benötigen, sagt Vogt. Daher sei er mit den Touren im näheren Umfeld seiner Wohnung auch gut ausgelastet. Zwei, drei weitere Hotspots habe er zwar noch im Blick, aber &bdquo;als Einzelperson reicht mir das dann auch“. Solange es die Fitness zulässt, wolle der 70-Jährige aber weitermachen und den Müll fremder Leute einsammeln. Sagt er und geht zu seinem Auto, um die Gummistiefel zu holen.

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