A30, B239 und Bahn-Krach: Jeder Sechste in Kirchlengern leidet unter Lärm

Kirchlengern. Lärm kann krank machen. Er kann zu Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Hörschäden führen. Das ist nichts neues. Neu ist hingegen, dass die Gemeinde Kirchlengern eine Lärmkartierung erstellen und der Öffentlichkeit zugänglich machen muss, um Lärm im Gemeindegebiet zu finden und das Leben erträglicher zu machen. &bdquo;Das ist für die Gemeinde Kirchlengern ein Novum“, sagt auch Michael Doemke, Fachbereichsleiter für Planen, Bauen und Technische Dienste bei der Gemeinde Kirchlengern. Diese Lärm-Karten werden im Rahmen der &bdquo;EU-Umgebungslärmrichtlinie“ erstellt. Schon seit 2002 wird daran EU-weit gearbeitet. &bdquo;Die Gemeinde war bisher nicht betroffen, weil es sich um Lärmquellen handelt, auf die die Gemeinde keinen Einfluss hat“, erklärt Doemke. Es gehe nämlich hauptsächlich um Autobahn und Eisenbahn. Seit einem Gerichtsurteil muss das Verfahren dennoch in Kirchlengern umgesetzt werden. &bdquo;Alle Kommunen, in denen eine Kartierung stattgefunden hat, müssen jetzt mitmachen“, führt Doemke aus. Für Kirchlengern hat das Büro &bdquo;RP Schalltechnik jetzt ein entsprechendes Gutachten erstellt. Darin heißt es: &bdquo;Unter Umgebungslärm sind unerwünschte oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien zu verstehen, die durch Aktivitäten von Menschen verursacht werden. Dazu gehört der Lärm, der von Verkehrsmitteln, Straßenverkehr, Eisenbahnverkehr, Flugverkehr sowie Geländen für industrielle Tätigkeiten ausgeht.“ Wie laut die Grenzwerte sind Um das Problem besser analysieren zu können, hat die Landesregierung Grenzwerte festgelegt. Demnach wird als grenzwertig eine Belastung von mindestens 70 Dezibel während eines gesamten Tages oder mindestens 60 Dezibel während der Nachtstunden angesehen. So verursacht ein leises Flüstern Lärm von etwa 30 Dezibel. Ein Fernseher, der mit Zimmerlautstärke betrieben wird, erzeugt Lärm von etwa 55 Dezibel. Ein Staubsauger kommt auf etwa 70, eine Kreissäge auf 100 Dezibel. &bdquo;Ab 70 Dezibel ist es eine unzumutbare Belastung“, sagt Pröpper. Auf Lärmkarten ist jetzt zu sehen, wo diese Werte überschritten werden. Dabei sind sie aber ziemlich theoretisch. &bdquo;Es finden keine Messungen statt. Es gibt nur Berechnungen“, erklärt Ralf Pröpper von &bdquo;RP Schalltechnik“ in der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses. In die Karten eingeflossen sind Straßen, auf denen mehr als drei Millionen Fahrzeuge pro Jahr unterwegs sind, also Bundesstraßen, Autobahnen und Landstraßen. Das bedeutet 8.000 Fahrzeuge pro Tag. Für die Berechnungen der Schiene werden diejenigen Strecken berücksichtigt, auf denen es 30.000 Zugbewegungen pro Jahr gibt. In Kirchlengern sind es sogar fast 60.000, sagt Pröpper. Auch Nachtzüge sind auf den hiesigen Schienenstrecken unterwegs und machen fast 50 Prozent aus. In Kirchlengern sind insbesondere Anwohner an der A30, der B61, der B239 und der L45 (Südlengerstraße) betroffen. Dabei wird genau aufgeschlüsselt, wie viele Menschen in der Gemeinde unter Lärm leiden. Laut Lärmaktionsplan sind es insgesamt etwa 2.500 Einwohnerinnen und Einwohner, nachts rund 1.300 Einwohner.Besonders stark betroffen sind 62 Einwohner, die ganztägig sehr hohen Belastungen ab 70 Dezibel ausgesetzt sind, und 97 Einwohner, denen nachts eine Lärmbelastung ab 60 Dezibel zu schaffen macht. Ein bekanntes Problem in Südlengern Burkhard Scheiding (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßt diese Karte und erinnert an die Debatten von vor 25 Jahren: Die Anlieger der Südlengerstraße hatten sich über Lärm beschwert, &bdquo;der von der Brandhorststraße rüberkommt.“ Eine Lärmschutzgemeinschaft gründete sich und setzte sich für einen Lärmschutzwall ein – vergeblich. Stattdessen sei vor zwei Jahrzehnten sogenannter &bdquo;Flüsterasphalt“ aufgetragen worden, um den Lärm zu reduzieren. &bdquo;Der nimmt aber von Jahr zu Jahr durch Reibung ab – und der Lärm nimmt wieder zu“, so Scheiding. Das könnte sich jetzt ändern. Denn das Ziel dieser Pläne soll schon sein, dass der Lärm entsprechend reduziert werden muss. Für die Züge ist das Eisenbahnbundesamt in der Pflicht und beteiligt die Gemeinde Kirchlengern. &bdquo;Die Bahn versucht, alle alten Waggons aus dem Verkehr zu ziehen, die deutlich lauter sind – und sie auch mit moderneren Bremsen auszustatten“, erläutert Pröppel. Jetzt aber können sich zunächst die betroffenen Bürgerinnen und Bürger informieren und beteiligen (Infobox). &bdquo;Dann werden die Eingaben bewertet, der Plan wird neu aufgestellt oder fortgeschrieben“, so der Ingenieur weiter. Zudem müssen die Bürger über anstehende Maßnahmen gegen den Lärm informiert werden. Zeit, um den aktuellen Plan fertigzustellen, also mitsamt der Eingaben der Bürger, ist bis Juli 2024. Nach Auswertung eingegangener Hinweise und Anregungen ist vorgesehen, über den Lärmaktionsplan der Gemeinde Kirchlengern im ersten Quartal 2024 zu beschließen.

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