DDR-Oldtimer in Herford: 17-Jähriger rettet Simson Schwalbe vor Verschrottung

Kreis Herford. Als Schüler des August-Griese-Berufskollegs in Löhne darf der im August 2007 in Bünde geborene Lennard gewiss noch als Nachwuchs in der Oldtimerszene bezeichnet werden. Betrachtet man jedoch seine Vita, so ist er im Verhältnis zu den noch sparsam angesammelten Lebensjahren vermutlich einer der ganz alten Hasen. Fast neunzig Prozent seines bisherigen Daseins hat er – mehr oder minder aus eigenem Antrieb – mit altem Blech verbracht. Natürlich haben da schon die Altvorderen ihre Finger im Spiel gehabt, Eltern- und Großelterngeneration war bereits vom &bdquo;Oldtimer-Virus“ befallen und so wurde es dem kleinen Lennard gewissermaßen mit in die Wiege gelegt. Lieber Oldtimer als Pokémon &bdquo;Ich bin auf dem Rücksitz eines Alfa Romeo Montreal aufgewachsen“, sagt der sympathische Teenager im Endstadium lachend und kann es dabei doch selbst kaum Abwarten, sich endlich auch unbegleitet hinter das Lenkrad eines Pkw setzen zu dürfen. Während es bei anderen Kleinkindern vielleicht ein lebenslanges Trauma hervorgerufen hätte, wenn bei den ersten Autofahrten die Sitzschale durch die Vibrationen eines kräftigen Achtzylinder-Aggregates stimuliert wurden, so hat es bei Lennard den Grundstein für sein heutiges Hobby gelegt. Oder vielleicht bleiben wir doch besser bei dem Begriff &bdquo;Leidenschaft“, trifft es doch vermutlich eher den Stellenwert der KFZ-Historie in seinem Leben. Für Liebhaber: Oldtimer-Treffen im Kreis Herford: Hier können Auto-Klassiker bewundert werden Als Kind war der heute 17-Jährige zunächst nur Begleiter, wenn die Familie zum Beispiel das Auto-Museum in Melle besuchte. Dessen Mitbegründer Heiner Rössler leistete dabei dann aber ganze Arbeit, was die Nachwuchsförderung angeht: &bdquo;Ich durfte in Melle immer mit allerlei Tretautos herumkutschieren.“ Und während seine Grundschulfreunde sich mit Pokémons oder Dinosaurierbüchern beschäftigten, verschlang Lennard alle Infos zu sogenannten Oldtimern. So etwas weckt natürlich Begehrlichkeiten. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford Das erste Auto war ein DAF 3 Während kleine Mädchen ihre Eltern mit dem Wunsch nach dem eigenen Pony malträtieren war es bei Familie Niederstadt ein sogenanntes &bdquo;Cyclecar“, das schließlich in Bünde Einzug hielt. Und als auf Lennards Geburtstagstorte 15 Kerzen brannten, da kam dann schon das erste eigene Auto – ein niederländischer DAF 33 – hinzu. Doch damit ließ sich der Alltag des Teens ja noch nicht bestreiten. Und so schön es auch ist, sich vom &bdquo;Eltern-Taxi“ chauffieren zu lassen, Lennard wollte möglichst bald auf eigenen Beinen. Dass dann eine Schwalbe ins Spiel kam, war aber doch reiner Zufall. .responsive23-gNzuyh5LBJRzlZ9M-bar-vertical-oldtimer-in-deutschland { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-gNzuyh5LBJRzlZ9M-bar-vertical-oldtimer-in-deutschland { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-gNzuyh5LBJRzlZ9M-bar-vertical-oldtimer-in-deutschland { padding-top: 142.86%; } } Gut vernetzt wie Heranwachsende heutzutage nun mal sind, berichtete ein Bekannter, dass in Mönchengladbach ein solcher Vogel auf zwei Rädern verschrottet werden solle. Lennard überlegte nicht lange, fuhr mit elterlicher Unterstützung an den Niederrhein und sicherte sich das arg verstaubte Zweirad. Die Vorbesitzerin hatte das gute Stück ziemlich genau zwei Jahrzehnte unbewegt in einer Tiefgarage schlummern lassen, wie das Versicherungskennzeichen aus dem Jahre 2005 belegte. Sie fand den Kaufinteressenten aber sehr sympathisch und war sich sicher, dass mit dem Verkauf der grünmetallic lackierte Kleinroller in gute Hände kam. Eine ganz besondere Schwalbe in Herford Zwar war die Farbgebung, wie auch einige andere Details, nicht ganz original, doch das tat der Freude an der Neuerwerbung keinen Abbruch. Insbesondere als sich herausstellte, was für ein seltener Vogel da aus dem Rheinland nach Ostwestfalen geflattert kam. Zunächst parkte Lennard das Kleinkraftrad im Depot des Automuseums Melle, wo er mittlerweile ehrenamtlich mitarbeitete. Und als er den offiziell als KR 51/1 S bezeichneten Zweisitzer von seiner Staubschicht befreit hatte, stellte er fest, dass es sich bei dem &bdquo;S“-Modell um eine recht wenig gebaute Variante mit einer halbautomatischen Schaltung handelte. Obwohl von der gesamten Schwalben-Baureihe zwischen 1964 und 1986 rund eine Million Exemplare auf die Straßen des real existierenden Sozialismus entlassen wurden, war Lennards &bdquo;S-Klasse“ nur in knapp 45.000 Einheiten zur Auslieferung gekommen. Einzylinder Zweitaktmotor Hergestellt wurden alle Schwalben im Thüringischen Suhl. Im &bdquo;IFA-Kombinat VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk Ernst Thälmann“ bzw. deren Vorläufer, dem &bdquo;VEB Fahrzeug- und Gerätewerk Simson Suhl“, entstanden über Jahrzehnte nahezu alle in der ehemaligen DDR produzierten Mopeds, Mokicks und Kleinroller. So auch im Jahre 1979 die Neuerwerbung des jungen Bünders. Ausgestattet mit einem gebläsegekühlten Einzylinder Zweitaktmotor vom Typ M53, der aus knapp 50 ccm Hubraum satte 3,6 Pferdestärken mobilisiert, die dann – wie bereits erwähnt – ohne manuelle Kupplungsbetätigung über ein Dreiganggetriebe auf die Straße gebracht werden, &bdquo;fliegt“ die Schwalbe mit einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h über den Asphalt. Da Kleinkrafträder im Allgemeinen jedoch nur 45 km/h erreichen dürfen, war für die Simson-Zweiräder – Schwalbe und S 50 bzw. 51 – sogar eine Ausnahmegenehmigung im sogenannten &bdquo;Einigungsvertrag“ zwischen der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik erforderlich, die bis heute gültig ist. Fahren ab 15 Jahren erlaubt Kein Wunder, dass sich alle vor dem 28. Februar 1992 gebauten Simson-Zweiräder, bis heute großer Beliebtheit erfreuen. Sie dürfen bereits mit 15 Jahren, dem Führerschein der Klasse AM und einem vergleichsweise preiswerten Versicherungskennzeichen bewegt werden und sind dann auch noch 15 km/h schneller als ihre Mitbewerber aus aktueller Produktion. Da stört es auch nicht, dass die Zuladung von 100 Kilogramm – bei einem Eigengewicht von rund 80 Kilogramm – nach heutigen Maßstäben für zwei Personen etwas dürftig erscheint. Auch Lennard Niederstadt ist meist allein mit seinem rasanten Vogel unterwegs. Wenn, ja wenn genug Sprit im Tank ist, lacht der stolze Schwalben-Pilot. Die Restauration der Schwalbe Wie zuvor bereits erwähnt, parkte Lennard seine Neuerwerbung zunächst im Museum in Melle, wo er sich zweimal wöchentlich ehrenamtlich engagiert. Dort wollte er das Zweirad auch ganz behutsam zu neuem Leben erwecken und gab zunächst etwas Öl in den Zylinder, bis er sich sicher sein konnte, dass Kolben und Laufbahn durch die lange Standzeit keinen Schaden genommen hatten. Etwa zwanzig Mal musste er dann den Kickstarter in Richtung Boden treten, bis das DDR-typische Moped-Motorengeräusch erklang und lautstark signalisierte, dass es Zeit wurde, endgültig ins neue Zuhause umzuziehen. Stolz wie Oskar machten sich Moped und Fahrer auf in Richtung Kreis Herford. Doch kurz nach der Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen begann der Motor zu stottern und versagte die Weiterfahrt. &bdquo;Wer seine Schwalbe liebt, der schiebt!“, lautete dann die Devise und so kam ein etwas enttäuschter Jung-Biker nach zahlreichen, geschobenen Kilometern in Südlengern an. Zu groß war sein Vertrauen in die Qualität und vor allem die ausreichende Menge an mehr als zwei Jahrzehnte altem Kraftstoff gewesen. Er hatte schlicht und einfach kein Benzin mehr im Tank gehabt. Doch es ging nicht immer so glimpflich ab. Einmal brach der Hebel des Kickstarters beim Anlassversuch ab, ein anderes Mal machte das Getriebe Probleme. Letzteres natürlich genau in der Zeit, in dem die Eltern auf Reisen waren und den Kolleg-Schüler nicht mal eben &bdquo;notfallmäßig“ zur Schule hätten bringen können. Immerhin gelang es Lennard die Schwalbe soweit wieder herzurichten, dass sie gefahren werden konnte. Allerdings ausschließlich im zweiten Gang! Die notwendige Reparatur führte der Siebzehnjährige anschließend auch ein Eigenregie durch, was das Zerlegen und wieder Zusammensetzen der kompletten Motor-/Getriebeeinheit gleichkam. Enkel hält Erbstück in Ehren Bei der Technik geht der Schwalben-Freund keine Kompromisse ein, bei Farbe und Ausstattung schon eher. Denn, dass die grün metallic farbene Lackschicht nicht dem Auslieferungszustand entspricht, stört den Besitzer ebenso wenig, wie die nicht originale Sitzbank. Darunter verbirgt sich aber ein weiteres Ausstattungsdetail, dass erst später zu Lennards Kleinroller fand. Die Luftpumpe gehörte einst zu einem Schwalbe-Vorläufer, einer Simson SR1, mit der der Großvater noch kurz vor Mauerbau die damalige DDR verlassen hatte. Selbstredend hält der Enkel dieses Erbstück besonders in Ehren. Genau wie seine Schwalbe, deren Nest einst in der Deutschen Demokratischen Republik gestanden hat. 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