Vom Wirtschaftswunder zum Sammlerstück: Bünder restauriert Mercedes „Ponton“

Kreis Herford. Sieht man sich die Erklärung des Begriffes &bdquo;Ponton“ in den gängigen Nachschlagewerken an, dann wird auf den lateinischen Wortstamm &bdquo;pons“ verwiesen, was so viel wie &bdquo;die Brücke“ heißt. Doch im Gegensatz zu einem solchen ortsgebundenen Bauwerk, ist ein Ponton als Schwimmkörper zwar ebenfalls in der Lage, Lasten zu tragen und Wasserwege zu überspannen, verfügt dabei aber über keinen eigenen Antrieb und ist damit an sich auch wenig mobil. Warum ausgerechnet dieser Begriff eines der beliebtesten deutschen Automobile der Wirtschaftswunderjahre zugedacht wurde und warum es sich dabei um eine Art &bdquo;Brücke“ zwischen Vor- und Nachkriegszeit handelt, soll in nachfolgenden Zeilen im Mittelpunkt stehen. Wie bei den meisten deutschen Automobilherstellern bestand auch bei der Daimler-Benz AG die Angebotspalette der frühen Nachkriegsjahre aus Modellen der Vorkriegszeit. Das heißt genau genommen aus einem einzigen, dem bereits von 1936 bis 1942 produzierten Typ mit der Bezeichnung &bdquo;170 V“. Wobei 170 auf den Hubraum von 1,7 Litern des Vierzylinder-Motors Bezug nahm und das V die Anordnung des Antriebsaggregates unter der vorderen Haube umschrieb. Nahezu 50.000 Exemplare in sechs Jahren verkauft Wenngleich dieser &bdquo;170er“ am unteren Ende der Preisskala der ehemaligen Premiummarke angesiedelt war, war es doch das einzige Modell, mit dem man sich auf dem noch schwächelnden Markt der Wiederaufbaujahre überhaupt Verkaufschancen ausrechnen konnte. Lesen Sie auch: Kunterbunter VW Käfer: 21-Jährige belebt Oldtimer-Szene im Kreis Herford Eine Rechnung, die aufging, denn von 1947 bis 1953 fanden nahezu 50.000 Exemplare der viertürigen Limousine ihren Käufer. Und dass bei Preisen von zunächst 6.200 Reichs- und zuletzt 7.900 D-Mark, was mehr als dem Doppelten des jährlichen Durchschnittseinkommens eines Bundesbürgers entsprach. Dass der Kunde dafür eine Konstruktion erhielt, die nahezu zwei Jahrzehnte auf dem Buckel hatte, war dabei zweitrangig. Schließlich war man froh, wenn man überhaupt ein neues Automobil erwerben konnte. Dennoch entsprachen die freistehenden Kotflügel und die dazwischen verbauten Trittbretter sowie aufgesetzte Scheinwerfer und Rückleuchten nicht mehr dem Zeitgeschmack. US-Markt setzt neue Maßstäbe Dieser wurde damals in erster Linie vom amerikanischen Markt diktiert und bereits in den 1940er Jahren bot eine Reihe von US-Herstellern erste Modelle in der damals modernen Pontonform an. Diese zeichnete sich durch ihre glattflächige Gestalt aus, sowohl die Kotflügel waren in den Karosseriekörper integriert, als auch die Leuchten und die Trittbretter entfielen ganz. Lesen Sie auch: 50 PS und 1,1-Liter-Motor: Ein Bünder und sein Opel Kadett aus den 1970ern Als erstes deutsches Modell mit diesen optischen Attributen galt der &bdquo;Hansa 1500“, der 1949 vom Bremer Borgward-Konzern vorgestellt wurde. Der Mitbewerber mit dem Stern auf der Kühlerhaube benötigte noch vier weitere Jahre, ehe 1953 mit dem Typ &bdquo;180“ auch in Stuttgart das Einstiegsmodell eine Pontonkarosserie trug. Obwohl sich auch die weiteren bundesdeutschen Hersteller diesem Trend anpassten, wird heutzutage bei Oldtimer-Liebhabern der Begriff &bdquo;Ponton“ als Synonym für die Daimler-Benz-Baureihe verstanden. Doch das war alles lange Zeit bevor Oliver Nolte in Bünde das Licht der Welt erblickte. Als der heute 56-Jährige im Kirchlengeraner Teil von Südlengern seine ersten Schritte tat, da war diese Baureihe schon längst Geschichte. Bünder kauft ersten Ponton in den 1990ern Erhaltene Exemplare prägten zwar – insbesondere im Taxigewerbe – auch zu Beginn der 1970er Jahre noch das Bild des Verkehrsaufkommens, doch erst mit dem sogenannten &bdquo;Oldtimer-Boom“ im Folgejahrzehnt reiften die guterhaltenen Überlebenden &bdquo;Pontons“ zu Sammlerstücken. Auch der nun wenig mehr als zwei Jahrzehnte alte Oliver war auf den Geschmack gekommen, als er sich zu Beginn der 1990er Jahre erstmals einem eigenen Oldtimer widmen wollte. Die Baureihe gefiel ihm schon damals sehr gut und eine passende Offerte aus Privathand verhalf ihm schon bald zu seinem ersten eigenen Oldie. Doch fehlte dem heutigen Kfz-Meister noch die nötige Erfahrung und vor allem das erforderliche &bdquo;Kleingeld“. Denn das von ihm preiswert erworbene Fahrzeug war in sehr schlechtem Zustand, sodass nach wenigen gefahrenen Runden der betagte Viertürer abgemeldet wurde und der Plan einer Restaurierung in Eigenregie reifte. Der Plan war gewiss gut und ambitioniert, doch wie so oft in diesen Fällen schlichtweg nicht umsetzbar. Angefangen von den passenden Räumlichkeiten, dem richtigen Werkzeug und nicht zuletzt den finanziellen Mitteln, so ziemlich alles was es für eine ordentliche Wiederbelebung eines solchen automobilen Wracks bedurfte, stand gar nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung. So trennte sich der Südlengeraner schweren Herzens von seinem Ponton und widmete sich seinem beruflichen und privaten Fortkommen in Form von Meisterschule und Familiengründung. Oldtimer aus Schweden erworben Doch einmal &bdquo;infiziert“ mit dem &bdquo;Oldtimer-Bazillus“ ließen auch Oliver Nolte die Träume aus &bdquo;Blech, Lack und Leder“ nicht mehr los. Über die Jahre hatte er die Szene und das Angebot beobachtet, bis ihm im Jahre 2011 – bei einem auf klassische Mercedes-Automobile spezialisierten Händler – im Sauerland sein heutiges Ponton-Modell ins Auge fiel. Dabei handelte es sich um einen 1957 gebauten Typ 190, der bei gleicher Karosserie und Fahrwerk, eine bessere Ausstattung und vor allem einen 1,9 Liter großen Vierzylindermotor vorweisen kann. Dieses Aggregat, das zunächst für den sportlichen 190 SL entwickelt worden war, leistet in der Limousine immerhin 75 PS und vermag das leer bereits 1,4 Tonnen wiegende Fahrzeug noch heute auf fast 140 km/h zu beschleunigen. Obwohl Olivers Neuerwerb zuvor in Schweden beheimatet war, was sich häufig an improvisierten Reparaturen ablesen lässt, erwies sich dieses Fahrzeug als erstaunlich original. Als &bdquo;Full matching numbers“ bezeichnet der Experte einen solchen Zustand, bei dem alle werkseitig mit Nummern gekennzeichneten Bauteile, wie Motor und Getriebe, dem Auslieferungszustand entsprechen. Dennoch gab es nach und nach noch einiges zu tun, wie sich der Mitarbeiter eines großen Mercedes-Benz-Autohauses erinnert. Kleinere Restaurierungsarbeiten standen immer mal wieder auf dem Programm, ehe in der Corona-Zeit dann eine komplette Überarbeitung in Angriff genommen wurde. Nur das nachgerüstete Radio ist mordern Dazu wurde dann eigens eine Hebebühne im Garten des Einfamilienhauses platziert, die – so schmunzelt der stolze Oldie-Besitzer – nach dem Veto der Ehefrau von Werkzeugblau auf ein unauffälligeres Gartengrün umlackiert werden musste. Alle Arbeiten – bis auf Chrom, Lack und Polster – hat der Meister seines Handwerks mit großer Leidenschaft selbst ausgeführt, was sich am tadellosen Ergebnis ablesen lässt. Obwohl auch er beim nachgerüsteten Radio einen kleinen Kompromiss einging, er verbaute ein Blaupunkt, hat er sehr großen Wert auf Originalität gelegt. So spendierte er dem fertigen Schmuckstück auch einen Satz Weißwandreifen, die zwar neuer Produktion, aber nach altem Vorbild als sogenannte Radialreifen hergestellt wurden. Bei dieser früher gängigen Reifenbauart ist weniger Stützgewebe in der Gummimischung vorhanden, was sich in einer weniger stabilen Straßenlage äußert. Das dadurch etwas &bdquo;schwammige“ Fahrverhalten nimmt Oliver Nolte jedoch mit Humor, schließlich sind bei all den positiven Reaktionen der Passanten solche Kleinigkeiten schnell vergessen.

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