Kämmerer muss in Herford auf Buchungstricks und Steuererhöhungen setzen

Herford. Die gute Nachricht vorweg: Herford rutscht nicht in die Haushaltssicherung, weder 2025 noch 2026. Die Liste der guten Nachrichten ist damit aber auch schon fast zu Ende. &bdquo;Die Situation ist nicht gut“, sagt Kämmerer Jochen Strieckmann. Er hat den Entwurf des Doppelhaushalts für 2025 und 2026 am Freitagabend, 8. November, dem Stadtrat vorgelegt. Die Konjunktur ist nicht angesprungen. Land und Bund haben an der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen nichts geändert. Von 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen hätten nur noch acht einen ausgeglichenen Haushalt, sagt Bürgermeister Tim Kähler. Die Stadt Herford entgeht der Haushaltssicherung nur mit Buchungstricks und Steuererhöhungen. Online einsehbar Für jeden Politiker und jeden Bürger ist der Haushalt erneut online einsehbar: Er liegt mit anschaulichen Grafiken zum Durchklicken im Internet vor. Abrufbar ist er über die Internetseite der Stadt. Die Nutzerinnen und Nutzer können dort unter anderem nach Positionen suchen, die sie besonders interessieren. Hohes Defizit Das strukturelle Defizit hat sich – entgegen den Erwartungen im Februar, als Strieckmann den Haushalt für 2024 einbrachte – noch deutlich verschärft: Das vorausberechnete Defizit für 2025 liegt bei 43,5, das für 2026 bei 33,6 Millionen Euro. Im Februar hatte der Kämmerer das Minus für 2025 noch auf 18,1 Millionen Euro berechnet, für 2026 auf 19,6 Millionen Euro. Strieckmann hat für den Doppelhaushalt alle Buchungstricks genutzt, die das Land ermöglicht: den zweiprozentigen globalen Minderaufwand. Er entsteht zum Beispiel durch Stellen, die im Laufe des Jahres nicht besetzt werden können. Auch den Verlustvortrag: Für die Jahre 2027 (Jahresergebnis: minus 30,2 Millionen Euro) und 2029 (Jahresergebnis: minus 26 Millionen Euro) will die Stadt die Verluste drei Jahre in die Zukunft vortragen. Sie müssen damit erst in der Zukunft ausgeglichen werden, für 2027 also 2030. &bdquo;Nur damit haben wir es geschafft, einen Haushalt vorzulegen, der keine Haushaltssicherung nach sich zieht“, sagt Strieckmann und ergänzt: &bdquo;Das Jahr 2030 taucht in diesem Haushaltsentwurf nicht auf.“ Aus gutem Grund. Die Haushaltssicherung hätte die Folge, dass alle freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand kämen, darunter die Kultur, Zuschüsse für Schulen und Kitas, der kostenloser Zugang zu Sporthallen, die nicht kostendeckenden Tickets für den Öffentlichen Personennahverkehr, die Friedhofsgebühren, die von der Stadt bezuschusst werden, so Kähler. Lesen Sie auch: Minus 20 Millionen in diesem Jahr: Düstere Finanz-Aussichten für Herford Steuererhöhungen Die Gewerbesteuer steigt ab 2025 von 430 auf 445 Punkte und ab 2028 weiter auf 459 Prozentpunkte. Damit fließen ab 2028 1,5 Millionen Euro jährlich in die Stadtkasse. Bei der Grundsteuer B für bebaute und bebaubare Grundstücke sowie Gebäude ist es komplizierter. Sie steigt nach 2024 – sie wurde von 440 auf 501 Punkte angehoben – erneut. Geplant war schon Anfang 2024, dass sie 2025 auf 650 Punkte steigt, falls die Konjunktur nicht anspringen sollte. Die Grundsteuerreform macht aus den 650 Punkten 961 Punkte, was für die Stadt aber keine Mehreinnahmen bedeutet. Ab 2028 soll die Steuer dann jedoch weiter auf 1.016 Punkte steigen, was ab dem Jahr dann ebenfalls jährlich 1,5 Millionen Euro in die städtische Kasse spült. Auch wenn die Grundsteuerreform der Stadt finanziell nicht weiterhilft: Die Mehrbelastung für Privatgrundstücke ist größer als für gewerbliche Grundstücke. Die Stadt hätte den Hebesatz differenzieren können, verzichtete aber darauf, weil sie sich damit auf der rechtlich sichersten Seite sieht. Der Stadtrat kann das noch anders entscheiden. Lesen Sie auch: Wohnen wird teurer: Grundsteuer könnte in Herford um bis zu 55 Prozent steigen Ertragslage Die Ertragslage der Stadt ist unerfreulich, auch wenn die Steuereinnahmen in Herford nach wie vor gut sind: Geplant waren für 2024 Einnahmen aus der Gewerbesteuer in Höhe von 62,4 Millionen Euro. Der zweite Controllingbericht für 2024 lässt 59 Millionen Euro erwarten. Für 2025 hat Strieckmann Gewerbesteuereinnahmen von 60 Millionen Euro angesetzt, für 2026 von etwa 63 Millionen Euro. Schlüsselzuweisungen 2025 fallen die Schlüsselzuweisungen vom Land deutlich niedriger aus als 2024: minus 8,5 Millionen Euro. Kreisumlage Nächstes Jahr zahlt die Stadt 58,5 Millionen Euro Kreisumlage, im Jahr darauf 57,1 Millionen Euro. &bdquo;Wenn wir mit 60 Millionen Euro Gewerbesteuer rechnen und dann die Gewerbesteuerumlage ans Land abführen, reicht unsere Gewerbesteuer nicht aus, um den Kreis zu bezahlen“, sagt Strieckmann. Unterfinanzierung Grund für das finanzielle Dilemma der Kommunen ist, Strieckmann und Kähler zufolge, dass Bund und Land Ansprüche gesetzlich festlegen, die Mehrkosten aber nicht übernehmen. So steigen in den drei Bereichen Innere Verwaltung, Schulträgeraufgaben und Kinder-, Jugend- und Familienhilfe die Ausgaben zwischen 2019 und 2029 um rund 44 Millionen Euro. Im Bereich Grundschulen steigen die Kosten im gleichen Zeitraum von 5,6 auf 10,3 Millionen Euro, während das Land seine Zuweisung nur um 1,8 Millionen erhöht. Der Aufwuchs entsteht durch neue Standards, im Bereich Schulen beispielsweise durch Inklusionsklassen, Randstundenbetreuung, differenzierten Unterricht und Ähnlichem. Pädagogisch sei das sinnvoll, sagt Kähler, den Mehrbedarf an Räumen zahle den Kommunen aber niemand. Lesen Sie auch: Betreuungsboom in Herford - Offener Ganztag an Grundschulen stark gefragt Die Kostensteigerungen ließen sich Strieckmann zufolge kompensieren, wenn die Konjunktur und die Steuereinnahmen mitwüchsen. Aber das Gegenteil sei der Fall. Kähler: Und zugleich sollten die Kommunen die Digitalisierung, die Verkehrs- und die Energiewende, die Schwammstadt und Ähnliches umsetzen. Weitere Ausgaben Auf der Ausgabenseite schlagen zahlreiche Investitionen zu Buche. Teuer sind zum Beispiel die Ausleihen an die städtische Holding (HVV), die den städtischen Etat 2025 mit 46,6 und 2026 mit 38,4 Millionen Euro belasten. Nicht immer hat die Stadt Einfluss auf die Ausgaben, Stichworte: Pensionsansprüche und Tariferhöhungen. Investitionskredite Zahlreiche Investitionen plant die Stadt, allein auf dem Bildungscampus 30,4 Millionen Euro im Jahr 2025 und 45,4 Millionen Euro im Jahr 2026. Das Geld soll unter anderem in die Sanierung von Kasernengebäuden, Neubauten und ein Parkhaus fließen. Auch den Bike-Park will sie angehen. Dafür sind Kredite nötig, die allerdings Gegenwerte schaffen: Die Netto-Neuverschuldung im Bereich der Investitionen liegt 2025 bei 87 Millionen Euro, 2026 bei 88,2 Millionen Euro. Dem Etat-Entwurf zufolge könnten die Investitionskredite bis 2029 auf 607,4 Millionen Euro steigen. Liquiditätskredite Die größten Risiken bergen demgegenüber die Liquiditätskredite, die sich unter anderem aus den Jahresdefiziten ableiten und keine Gegenwerte schaffen. Für sie wird sich die Stadt nach dem Etat-Entwurf 2025 um 41,5, im Jahr 2026 um 35 Millionen Euro neu verschulden. Die Liquiditätskredite Herfords könnten nach dem Etat-Entwurf bis 2029 auf insgesamt 202,3 Millionen Euro anwachsen.

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