Interne Streitigkeiten eskalieren: Herforder CDU-Fraktion halbiert sich

Herford. Auch wenn viele es schon geahnt hatten, schlägt die Nachricht doch ein wie eine Bombe: Acht von vierzehn Mitgliedern der CDU-Fraktion im Herforder Stadtrat haben am Samstag ihren Austritt aus der Partei erklärt. Sie wollen in Zukunft eine eigene Fraktion bilden. Unter ihnen sind alle CDU-Ausschussvorsitzenden. Die CDU im Stadtrat rückt damit von einer der beiden größten Fraktionen auf Rang vier. Vorausgegangen seien jahrelange Anfeindungen durch den Vorstand des CDU-Stadtverbandes und ihm nahestehende CDU-Mitglieder in Mitgliederversammlungen und Ortsunionstreffen, fortwährende persönliche Angriffe und dadurch verursacht eine große menschliche Enttäuschung. Das wurde beim Pressegespräch am Montagmittag deutlich, an dem fünf der acht Ausgetretenen teilnahmen. Die drei fehlenden Ratsmitglieder waren beruflich verhindert. Fast 200 Jahre Mitgliedschaft gehen der CDU verloren Ausgetreten aus der CDU sind der stellvertretende Bürgermeister und Vorsitzende des Bau- und Umweltausschusses, Werner Seeger, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Meike Voßmerbäumer, der stellvertretende Fraktions- und Sportausschussvorsitzende, Oliver Galling, der Verkehrsausschussvorsitzende, Hans-Henning Warnecke, der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Jürgen Berger, die langjährigen Ratsmitglieder Marion Maw und Mario Stach sowie Maria Röhrig. Insgesamt gingen der Partei damit fast 200 Jahre CDU-Mitgliedschaft verloren, so Galling. Nicht angeschlossen hat sich den acht Ratsmitgliedern der Fraktionsvorsitzende Thomas Helmerking. Das sei aber nichts Persönliches, wie Seeger, Galling, Voßmerbäumer, Maw und Warnecke beim Pressegespräch betonten. Helmerking sei bei jedem Schritt, den sie gemacht hätten, eingebunden gewesen. Der Austritt nach vielen Jahren CDU-Mitgliedschaft – Jürgen Berger ist zum Beispiel gut 40 Jahre dabei gewesen – sei ein schwerer Schritt, so Seeger, der nicht einfach zu gehen sei. Er selbst habe sich sehr schwer damit getan. &bdquo;Ich kann viel ertragen und habe auch schon viel in meinem Leben ertragen müssen“, sagte Seeger. Irgendwann seien aber die Grenzen erreicht gewesen, an denen er sich habe eingestehen müssen: Es geht nicht mehr. Lesen Sie auch: Ärger im Herforder Stadtrat - Wie einzelne Politiker den Wählerwillen aushebeln &bdquo;Überhaupt keine Wertschätzung für die geleistete Arbeit“ Die geleistete Arbeit sei überhaupt nicht geschätzt worden, sagte der stellvertretende Bürgermeister. Und zum Stil des Umgangs ergänzte er: &bdquo;So etwas habe ich in den vergangenen 25 Jahren nicht erlebt.“ Seeger vermisst Geradlinigkeit und das Bemühen um eine &bdquo;vernünftige Lösung“ beim CDU-Stadtverband. Er erinnerte an die – gelogene – öffentliche Behauptung, nach der eine Machbarkeitsstudie den Bau des OWL-Forums am Standort Janup erlaubt. Statt Rückhalt vom CDU-Stadtverbandsvorstand hätten sie in Mitgliederbriefen immer wieder erfahren, wie sie abzustimmen hätten. Und der CDU-Kreisvorsitzende Joachim Ebmeyer habe sich in dem Konflikt weggeduckt. Warnecke sprach von einer Heckenschützen-Mentalität des Stadtverbandsvorstands, die er verabscheue. Da hätten sie an einem Tag zusammengesessen und sich ausgetauscht, in der Zeitung am nächsten Tag habe der CDU-Stadtverbandsvorstand eine Breitseite gegen die Fraktion abgeschossen. In den Krisen an gemeinsamen Lösungen gearbeitet Voßmerbäumer zufolge, die ganz wesentlich das Wahlprogramm der CDU Herford miterarbeitet hatte, hat die Fraktion 80 bis 90 Prozent dieses Programms auch umgesetzt. Sie erinnerte daran, dass in die jetzige Wahlperiode die Coronakrise und der Ukrainekrieg fielen. Die immensen Herausforderungen, die damit einhergingen, seien der Grund für die Bildung der Großen Koalition gewesen. Unter anderem hätten CDU und SPD drei gemeinsame Haushalte verabschiedet. Eine solche Einigkeit der großen Parteien habe es auch in Enger, Spenge und Bünde gegeben, werde ihnen aber in Herford vom CDU-Stadtverband vorgeworfen. Der Herforder CDU-Stadtverband habe nicht zur Kenntnis genommen, was die Fraktion alles herausgehandelt habe. Die Kommunalpolitiker erinnerten unter anderem an die erste Stadtverbandsversammlung nach der Kommunalwahl, in der sich die Fraktion – ohne Ankündigung und unter Ausschluss der Öffentlichkeit – plötzlich einem Misstrauensantrag ausgesetzt sah. Lesen Sie auch: Herforder SPD steigt aus der Großen Koalition aus - so geht es weiter Die Ausgetretenen wollen christdemokratische Politik fortsetzen In einer Pressemitteilung haben die acht Ausgetretenen es moderat formuliert: &bdquo;Der seit vielen Jahren schwelende Streit zwischen Fraktion und Stadtverband war trotz verschiedener Versuche, die Situation zu klären und zu verbessern, nicht erfolgreich.“ Die Stadt stehe vor zahlreichen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen, die sie nur gemeinschaftlich und parteiübergreifend lösen könnten. Wichtig sei dabei, sich auf Sachthemen zu konzentrieren. &bdquo;Demokratie und Populismus passen nicht zusammen“, heißt es in der Mitteilung weiter. Populismus behindert den politischen Prozess, macht Einigungen schwieriger und führt zu weiterer Politikverdrossenheit. Auf kommunaler Ebene ringt man jedoch auf Basis von Faktion um den bestmöglichen Kompromiss, wobei sich alle Gesprächspartner achten und respektieren.“ Die CDU und den Bürgermeister haben die acht Kommunalpolitiker über ihre Schritte informiert. Die nächsten Sitzungen – der Haupt- und Finanzausschuss, der Stadtrat und der Sportausschuss – können stattfinden, das ist rechtlich abgeklärt, sagte Galling. Über die künftige Besetzung der Ausschüsse und der Aufsichtsräte werden die Fraktionen miteinander beraten. Falls sie zu keinem Ergebnis kommen, werden die Gremien nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren neu besetzt, voraussichtlich in einer Sondersitzung des Stadtrats. Am Montagabend will die neue Fraktion zusammenkommen, um sich eine Geschäftsordnung, einen oder eine Fraktionsvorsitzende und einen Namen zu geben. Mit acht Politikern wird die Gruppe zweitstärkste Kraft nach der SPD (14) im Stadtrat. Sie plant, ihre christdemokratische Politik der vergangenen Jahre fortzusetzen, und das respektvoll im Umgang. Ob sie sich zur nächsten Kommunalwahl zu einer Wählergemeinschaft formiert, der auch weitere Mitglieder beitreten könnten, ist noch nicht entschieden.

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