Praktische Lösungen gegen Personalmangel bei der Polizei: Herforder CDU-Politiker im Interview

Kreis Herford. Herr Schönbeck, Sicherheit ist traditionell ein Thema der CDU. Warum haben Sie den Landrat wenige Tage vor dem Bekanntwerden der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung zu dem Thema angeschrieben? Der Anlass unserer Initiative war ein gemeinsames Vorgehen zur Stärkung des Sicherheitsgefühls im Kreis. Wir nehmen hier eine zunehmende Gewaltbereitschaft wahr. Hinzu kommt, dass es in den vergangenen Wochen in Deutschland wiederkehrend zu Situationen wie in Solingen kam, die auch die Leute hier verunsichern. Das hat zu vielen Gesprächen mit den Bürgern geführt. Was hören Sie in den Gesprächen? Sowohl von Eltern als auch von jungen Menschen im Alter von 16 bis 24 Jahren hören wir ganz häufig, dass sich viele Leute heute aus bestimmten öffentlichen Räumen zurückziehen, weil sie permanent Konflikte erleben und Angst haben. Die Menschen wünschen sich eine stärkere Präsenz der Polizei in der Fläche. Der Landrat verweist auf mangelndes Personal bei der Polizei. Was er da macht, ist ein Schwarzer-Peter-Spiel: Er verweist auf die CDU, die an allem Schuld sei. Das ist in der Situation nicht angemessen. Wir, die CDU im Kreistag und im Kreis, haben durch unsere Anfrage beim Landrat deutlich machen wollen, dass wir leisten wollen, was wir leisten können, damit die Menschen hier – ja, wir haben gesagt: ein besseres Sicherheitsgefühl haben, inzwischen müssen wir sagen, dass sie hier sicherer sind. Der Landrat kreidet den Personalmangel bei der Polizei vor allem Jürgen Rüttgers an, der von 2005 bis 2010 CDU-Ministerpräsident in NRW war. Widersprechen Sie ihm? Natürlich kann man zurückschauen und über Rüttgers meckern. Ob das sinnvoll ist, will ich gar nicht beurteilen. Es hat sicherlich Gründe, warum der Landrat ausklammert, dass wir lange einen Innenminister Jäger hatten (Ralf Jäger, von Juli 2010 bis Juni 2017 SPD-Innenminister NRW, Anm. d. Red.), aber ich will das Schwarze-Peter-Spiel gar nicht weiterspielen. Sondern? Unsere Motivation war und ist mehr Sicherheit und mehr Sicherheitsgefühl. Darin wollen wir als CDU den Kreis unterstützen. Das habe ich Herrn Müller nach der Sitzung des Kreisausschusses, in der er mich hochemotional zusammengefaltet hat, auch noch einmal gesagt. Dass er nach dem Vorfall am Go Parc formell-bürokratisch über Zuständigkeiten spricht – das war für mich unvorstellbar. Das ist das zentrale Ereignis der Woche gewesen. Darüber ist deutschlandweit berichtet worden. Sich dann im Kreisausschuss, der nach dem Kreistag das höchste Gremium im Kreis ist, auf ein so relevantes Thema gar nicht einzulassen... Was hätten Sie erwartet? Natürlich kann er zu laufenden Ermittlungen nichts sagen. Aber das wäre für den Landrat die Chance gewesen, darzustellen, was er tut, um Sicherheit herzustellen. Er beklagt ja, dass er nicht genug Leute kriegt, kommuniziert aber auf der anderen Seite, im Kreis Herford sei es sicher, wir hätten kein Problem. Herr Müller sagt, er habe mehrfach Kontakt zu Herbert Reul gesucht – mit konkreten Vorschlägen und Forderungen. Ihm zufolge gibt es eine Schwerpunktgruppe mit 23 Polizeibeamten, die vor allem an den Wochenenden um den Herforder Bahnhof im Einsatz sind. Das scheint ja alles keinen Erfolg zu zeigen. Er muss dem Land schon deutlich sagen, dass er mit der Anzahl seiner Leute nicht zurechtkommt und mehr braucht. . . Das hat er, sagt er. Natürlich muss er in der Polizeiorganisation die Schwerpunkte entsprechend setzen . . . Das hat er gemacht, sagt er. . . . und daraus dann Bedarfe ableiten. Aber dann muss er sich den Schwerpunkten auch widmen. Ich habe nicht den Eindruck, dass er das tut. Eine sorgfältige Dokumentation und die Anzeige von Delikten sorgen auch für mehr Personalzuweisung. Uns Populismus vorzuwerfen, fand ich schon ziemlich daneben. Was könnte Herr Müller denn aus Ihrer Sicht machen? Vorab: Weder Joachim Ebmeyer noch ich sind Leiter einer Kreisverwaltung oder einer Kreispolizeibehörde. Das heißt, im Zweifel hat der Landrat natürlich einen Kenntnisvorsprung, was er wie machen kann. Wir haben im Kern zwei Dinge angeregt. Das eine ist der Funktionsbesetzungsplan, über den sich Schwerpunkte und Schwerpunktzeiten definieren lassen, sich also auf Grundlage der vorhandenen Ressourcen planen lässt. Ich habe großes Verständnis dafür, dass auch Polizeibeamte ein Wochenende haben wollen. Wenn ich aber am Wochenende abends ein Problem mit Gewalt und Kriminalität habe, muss ich dem irgendwie begegnen. Da muss der Landrat im Zweifel auch nochmal zu einer Kraftanstrengung aufrufen. Aber das Personal scheint doch nicht zu reichen. Und dann führt Herr Müller an, dass das Problem mit mehr Personal auch nicht zu lösen ist, weil nicht immer Beamte gerade dort sind, wo es Probleme gibt. Sind Sie anderer Meinung? Dass wir insgesamt mehr Personal brauchen, ist unstrittig. Aber das Angstgefühl ist ja da. Und nach diesem Vorfall (der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung, Anm. d. Red.) hätte ich schon erwartet, dass Jürgen Müller nochmal nachlegt und sein Schwerpunkt im Bahnhofsumfeld das notwendige Gewicht erhält. Und das Zweite? Wir müssen sehen, ob wir mit der Kreisverwaltung die Polizei so entlasten können, dass mehr Beamte draußen sind. Beispiel: Einsatzberichte. Wir müssen uns doch fragen, ob Polizisten diese im Büro schreiben müssen oder ob sie die Berichte zum Beispiel diktieren können und vielleicht Mitarbeiter der Kreisverwaltung sie dann – eventuell mit Hilfe künstlicher Intelligenz – schreiben. Sie wollen einer KI Personal- und Täterdaten anvertrauen? Solche Programme können ja auch im geschlossenen System auf einem geschützten Server laufen. Dann bleibt die Frage, ob der Innenminister da mitmachen würde. Seit Herbert Reul Innenminister ist, tut er jedenfalls alles, um mehr Polizisten in den Dienst zu bekommen. Wenn der Landrat als Leiter der Kreispolizeibehörde Vorschläge hat, wie er für eine höhere Polizeipräsenz sorgen kann, im Zweifel mit kreiseigenen Mitteln, wäre Herbert Reul sicherlich der Letzte, der sich auf formalrechtliche Positionen zurückzieht. Ich glaube, er wäre sehr bereit, Pilotprojekte mit dem Landrat abzustimmen. Braucht nicht auch die Kreisverwaltung immer mehr Personal? Wir sehen, dass es dort immer mehr Personalaufwuchs gibt. Die einzige Chance, dem zu begegnen, ist die, dass wir Technologie einsetzen zur Prozessautomatisierung und in Form künstlicher Intelligenz. Die CDU-Fraktion hat ja schon im Haushaltsbegleitantrag 2021 einen Schwerpunkt auf Digitalisierung gelegt, leider ohne Umsetzung. 2023 haben wir eine Stabsstelle für den digitalen Wandel gefordert, um endlich zur Umsetzung zu kommen, die vom Landrat eingerichtete Stabsstelle Digitales (CDO) entspricht dieser Idee. Ich bin mal gespannt, ob die Digitalisierung jetzt endlich Fahrt aufnimmt. Und sie stehen bereit für die Suche nach einer Lösung, zum Beispiel in einer Arbeitsgruppe? Ja, wir müssen gemeinsam weg von Verweisen auf Zuständigkeiten und hin zu Lösungen. Nur zu sagen, das Land schickt nicht genug Polizisten, ist jedenfalls echt sparsam. Damit vermittelt Jürgen Müller den Bürgerinnen und Bürgern nur, dass alles so weitergeht wie bisher. Von mir aus kann er auch ohne uns handeln. Meine Erwartungshaltung ist aber, dass er schon konkrete Ideen hat, was wir hier im Kreis machen können. Wir haben jedenfalls das Angebot gemacht, Teil der Lösung zu sein.

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