Briten-Baby kommt ungeplant in Herford zur Welt: Ausreise wochenlang nicht möglich

Herford/Lage/Winchester. Als Luka Hawkins während eines kurzen Heimatbesuchs überraschend ihren Sohn Ruben zur Welt bringt, scheint das Glück perfekt: Mutter und Kind sind wohlauf, das Krankenhauspersonal des Mathilden-Hospitals reagiert schnell und herzlich. Doch was dann folgt, wird zur Bewährungsprobe für die ganze Familie und endet in einer Odyssee durch die deutsche Bürokratie. Doch von Anfang an: Vor acht Jahren wandert Luka Hawkins für ein Studium nach Großbritannien aus. Sie lernt wenig später ihren heutigen Mann Daniel kennen. Im Sommer 2025 erwarten die beiden ihr erstes Kind. Mit dem Wissen, dass sie nach der Geburt für eine gewisse Zeit nicht mehr reisen wird, will Luka Hawkins noch einmal ihre Familie in Lage (Kreis Lippe) besuchen. Ihre Hebamme gibt dafür grünes Licht. Unerwartet setzen nach der Hälfte des geplanten zehntägigen Aufenthalts Wehen ein. &bdquo;Da wir eine Reisekrankenversicherung hatten und ansonsten in Großbritannien versichert sind, entschieden wir uns, sicherheitshalber ins Krankenhaus zu fahren“, sagt Hawkins. Und tatsächlich: Die Geburt steht unmittelbar bevor und nur eine Stunde später hält sie ihren Sohn Ruben in den Armen. Nur mit Reisepass zurück nach Großbritannien Die ganze Familie ist überglücklich. Doch das soll sich schon bald ändern. Denn für den Rückflug benötigt das Baby einen Reisepass und dafür wiederum eine Geburtsurkunde. Zuständig für Letzteres ist das Standesamt Herford. Dort erfährt Peter Wiens, Opa von Ruben, dass für die Urkunde nicht nur die Reisepässe der Eltern nötig seien, sondern auch deren Geburts- und Heiratsurkunden. &bdquo;Unser Schwiegersohn rief daraufhin Freunde in England an, die einen Hausschlüssel haben. Er bat sie, die Urkunden einzuscannen und per E-Mail zu schicken. Immerhin leben wir in 2025 und das Internet ist kein Neuland mehr.“ Am nächsten Tag geht es für den Großvater des kleinen Ruben erneut zum Standesamt. Nun erklärt ihm die Standesbeamtin, dass sie die Urkunden im Original brauche. &bdquo;Meinen Hinweis, dass uns von den Originalen vier Ländergrenzen und der Ärmelkanal trennen, wischte sie vom Tisch. Sie benötige die Originale“, so der 55-Jährige. Auch spannend: Fast ein Tag im Bus: Seniorentruppe erlebt &bdquo;Kreuzfahrt-Odyssee“ – Ehepaar aus OWL berichtet Großvater und Schwiegersohn auf dem Weg nach Winchester Also reisen Wiens und sein Schwiegersohn kurzerhand nach Winchester in Südengland, um die Originale zu holen. Nach stundenlanger Fährfahrt und einer schlaflosen Nacht kehren sie zurück – mit allen Unterlagen und erleichtert, endlich alles Nötige in Händen zu haben. Doch die Freude währt nur kurz. &bdquo;Die Apostillen fehlen“, erklärt die Standesbeamtin. Also internationale Beglaubigungen der Echtheit der Urkunden. Ohne diese könne keine Geburtsurkunde ausgestellt werden. &bdquo;Dass sie das in den vorangegangenen Telefonaten und bei meinen Besuchen nicht erwähnt hat, scheint ihr nebensächlich gewesen zu sein“, ärgert sich Wiens. Zuständig für die Apostillen sind die Behörden in Großbritannien. Also beauftragt die Familie eine dort ansässige Agentur, die die erforderlichen Dokumente beschafft – für viel Geld. Auch interessant: Ava wurde als 600. Baby im Mathilden-Hospital in Herford geboren Standesamt fordert beglaubigte Übersetzungen Auch das reicht nicht. Als die Familie Tage später erneut mit allen Papieren im Herforder Standesamt vorspricht, werden sie ein weiteres Mal abgewiesen: Nun seien auch beglaubigte Übersetzungen aller Dokumente erforderlich – inklusive der international anerkannten englischsprachigen Apostillen. Verzweifelt verlässt die Familie das Amt. &bdquo;Obwohl ich sonst immer überzeugt bin, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt: Diesmal habe ich nicht mehr dran geglaubt“, sagt Wiens. Ruben, mittlerweile drei Wochen alt, bekommt von all dem Trubel nichts mit. Seine Eltern und Großeltern dagegen kämpfen mit den Tränen. &bdquo;Wir waren alle gerädert“, sagt Wiens. &bdquo;Niemand von uns hat mehr gut geschlafen.“ Mit den übersetzten Dokumenten macht sich die Familie wenige Tage später ein weiteres Mal auf den Weg nach Herford. &bdquo;Wir waren alle nervös“, so Luka Hawkins. Die Standesbeamtin prüft jedes Dokument akribisch: &bdquo;Ich hatte das Gefühl, sie vergleicht jeden Buchstaben.“ Dann die erlösende Nachricht: Die Geburt von Ruben kann beurkundet werden. Keine Kopien: Nur Originale akzeptiert Endlich hatte die Odyssee ein Ende. Am meisten ärgert sich Peter Wiens darüber, dass keine der mühsam und teuer beschafften Unterlagen beim Standesamt Herford geblieben sind. &bdquo;Nichts wurde kopiert, nichts eingescannt, nichts abgeheftet. Nur angesehen. Ich fühlte mich verhöhnt“, so der 55-Jährige. Insgesamt habe die Familie für die Ausstellung der Geburtsurkunde samt Reisen einen niedrigen vierstelligen Betrag ausgegeben. Dass es auch anders geht, zeigt die Bürgerberatung im benachbarten Lage, wo die Familie Wiens wohnt. Eigentlich ist die Botschaft in London für die Ausstellung eines Reisepasses zuständig. Fachteamleiter Jan-Philipp Peitzmeier telefoniert, so erzählt es Wiens, mit der deutschen Botschaft, bietet Amtshilfe an. Lesen Sie auch: Hebammen als Kulturerbe: Verband kämpft weiter für Anerkennung und gerechte Planung So reagiert die Stadt auf die Ämter-Odyssee Und 20 Minuten nachdem der Großvater mit Rubens Geburtsurkunde im Bürgerbüro angekommen ist, stellt Peitzmeier den Reisepass für den Enkelsohn aus. &bdquo;Der Bürgerservice in Lage zeigt, was Verwaltung eigentlich sein sollte: für Bürger da sein und unterstützen.“ Aus Datenschutzgründen kann die Stadt Herford nicht auf alle Einzelheiten des Falls eingehen und verweist auf gesetzliche Vorgaben: Ausländische Urkunden müssten im Original und im Fall von Großbritannien mit Apostille vorgelegt werden. &bdquo;Eine Bearbeitungszeit bei Beurkundungen mit ausländischem Bezug von drei Wochen ist als eher gering anzusehen“, so die Stadt. Noch am Abend der Pass-Ausstellung bucht die kleine Familie ihre Rückreise nach Großbritannien. Auch das Ehepaar Wiens nimmt sich nach diesen nervenaufreibenden Wochen eine kurze Auszeit. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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