Hochwasserschutz in Herford: Hier wird die Werre vom Betonkorsett befreit

Herford. Die Werre soll ihren natürlichen Verlauf zurückerhalten. Dafür haben Arbeiter im vergangenen Jahr am Rischmüllerufer auf Höhe des Friedrichs-Gymnasiums bereits die einengenden Betonelemente entfernt. Ein gutes Jahr später folgt nun die andere Seite des Flusses. Für die Renaturierung galt es hier mehr vorzubereiten, da das Grundstück in privater Hand ist. Jetzt sind die Arbeiten im vollen Gange. Dadurch soll nicht nur die Artenvielfalt steigen, die Renaturierung kommt auch dem Hochwasserschutz zugute. Doch eben dieser Schutz vor Hochwasser war es, dem die Werre einst die Freiheit nahm und ihr einen kanalartigen Charakter verpasste. Heinrich Linnert, der als Biologe das Gewässerentwicklungsprojekt Weser-Werre-Else in Herford betreut, kennt die Hintergründe. Nach dem verheerenden Hochwasser 1946 seien die Flussränder einbetoniert worden. Allein vom 8. auf 9. Februar 1946 waren 130 Liter Regen pro Quadratmeter niedergegangen, die ohnehin von Bomben zerstörte Innenstadt stand erheblich unter Wasser. "Durch dieses Jahrhunderthochwasser ist die Angst vor dem Fluss entstanden", sagt Linnert. Mit dem Betonkorsett wollten sich die Menschen vor weiteren Überflutungen schützen. "Wir müssen uns auf Hochwasser vorbereiten" Doch es kam anders. Linnert: "Seitdem hat es nie wieder solch ein Hochwasser gegeben." Dennoch bleibe der Schutz vor Wassermassen ein wichtiges Thema. Schließlich sind die Starkregenereignisse in der jüngsten Vergangenheit immer häufiger aufgetreten. Zudem gehen Experten davon aus, dass solch katastrophale Hochwasser wie 1946 etwa alle 100 Jahre geschehen. Linnert: "Alles was wir jetzt machen, um Platz für Flüsse zu schaffen, hilft uns bei Hochwasser und Starkregen. Darauf müssen wir uns vorbereiten." Die Arbeiten am Rischmüllerufer in Herford seien ein erster Schritt, auch wenn der renaturierte Abschnitt recht klein ist. Auf etwa 140 Metern hat der Bagger den Beton entfernt, im vergangenen Jahr hat die Stadt Herford bereits rund 200 Meter auf der anderen Seite am Friedrichs-Gymnasium renaturieren lassen. Durch die Aktion gewinnt die Werre auf beiden Seiten je einen Meter Fläche hinzu. Der Fluss kann sich damit von zehn auf zwölf Meter verbreitern. Oder wie es der Biologe beschreibt: "Wir können ihn hier einfach mal machen lassen." Zudem könne sich der Fluss auf städtischer Seite weitere zehn Meter nehmen, ohne dass es einen Verlust gebe. Neben dem Hochwasserschutz steht die Diversität von Flora, Fauna und der Tierwelt im Fokus. Linnert hofft, dass sich auf der jetzt renaturierten Fläche künftig ein Sand- und Kiesstrand entwickle. Auf der anderen Uferseite ist es bereits eher strudelig und tief. "Dadurch wird mehr Lebensraum entstehen", sagt Linnert. "Und wir wissen, je mehr und unterschiedlichen Lebensraum es gibt, desto höher ist die Artenzahl." Der Fluss muss in der Stadt gelenkt werden Doch wenn die Renaturierung der Werre so viele positiven Auswirkungen mit sich bringt, warum werde dann nur auf diesem kurzen Abschnitt der Beton entfernt und dem Fluss wieder mehr Freiraum gelassen? "Wir haben hier in Herford eine ganze Reihe von Zwangspunkten", sagt der Projektkoordinator, der auch für Enger, Hiddenhausen, Kirchlengern und Spenge zuständig ist. Etwa Brücken. Zudem fließt die Werre durch die Stadt und da gebe es nur begrenzt Platz. Der Fluss müsse gelenkt werden, sonst "würden wir Gebäude verlieren und das werden wir nicht tun", so der Experte. Zudem kommen daher auch nur kleine händische Eingriffe in Frage. Gemeinsam mit der Stadt, die laut Linnert bei diesem Themenfeld personell aufgerüstet hat, gebe es bereits weitere Überlegungen, wo der Fluss renaturiert werden könnte. Etwa in Richtung Kaufland. Dort gibt es viel Vorland, das sich der Fluss zurückerobern könnte. Zum Beispiel durch den Einsatz von Totholz, formuliert Linnert eine Idee. Eine schöne Ecke, um das Gewässer zu erleben, ist oberhalb des Bergertors. Hier kann man die Füße bereits ins Wasser strecken, auch der Hang werde gern zum Entspannen genutzt. Die Stadt baut in Kürze das Bergertor-Wehr zurück, die Werre soll auch hier renaturiert werden. Bernd Meier-Lammering, der Kreisvorsitzende des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) appellierte an die Planer, auch die Situation flussabwärts und flussaufwärts zu betrachten - vor allem mit Blick auf Starkregen-Ereignisse.

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