Rassismus gegen Polen und Kinderarbeit: Enger und Spenge in der NS-Zeit

Enger/Spenge. In der Region wurden im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges auch Rüstungsgüter produziert. Doch dafür brauchte es Arbeitskräfte. Um dem größer werdenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, scheute sich das NS-Regime nicht, auf Zwangsarbeiter oder sogar Kinder zurückzugreifen. Im zweiten Teil der neuen NW-Serie zu 80 Jahren Kriegsende geht es darum, wie in Enger und Spenge polnische Zwangsarbeiter gegängelt wurden und Kinderarbeit als Kriegspropaganda instrumentalisiert wurde. Verschiedene regionale Unternehmen richteten in ihren Betrieben eigene Rüstungsabteilungen ein. So wurde unter anderem in der Gemeinde Westerenger eine Betriebsabteilung des für die Rüstungsproduktion relevanten Bochumer Vereins in der Möbelfabrik &bdquo;Fleer & Schüler“ untergebracht. In den für die Rüstung wichtigen Industriebetrieben wurde die wöchentliche Arbeitszeit zum Teil drastisch erhöht. Im weiteren Verlaufe des Krieges verschlechterte sich die Ernährungslage der Bevölkerung weiter, allerdings nicht so drastisch wie gegen Ende des Ersten Weltkrieges. Die mit der Niederlage der 6. Armee bei Stalingrad Anfang 1943 immer häufiger eintreffenden Todes- oder Vermisstennachrichten trugen ebenfalls dazu bei, dass die Bevölkerung den Glauben an den von der Partei propagierten Endsieg verlor. Lesen Sie auch: Der Zweite Weltkrieg in Enger und Spenge: Von Fliegeralarm, Brandbombe und Fahrradverbot 1940: Alkoholverbot und Kennzeichnung mit einem &bdquo;P“ für Polen Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges hatte sich der Arbeitskräftemangel noch weiter verschärft. Zunächst wurden polnische Kriegsgefangene in der Landwirtschaft eingesetzt. Bald darauf ging die Reichsregierung dazu über, auch zivile Arbeitskräfte aus den besetzten Gebieten anzuwerben. Die Fremdarbeiter kamen jedoch nur zu einem geringen Teil freiwillig ins Deutsche Reich. Ihre Meldung zum Arbeitseinsatz wurde von den deutschen Verwaltungsstellen in den besetzten Gebieten erzwungen. Im Unterschied zu den Zivilarbeitern aus den westeuropäischen Staaten, die eine den deutschen Arbeitnehmern vergleichbare Bezahlung erhielten, waren die Löhne für die osteuropäischen Arbeiter deutlich geringer. Kreisbauernführer Haversiek aus Bardüttingdorf teilte dem Herforder Landrat am 26. März 1940 mit, dass für den Kreis Herford 500 polnische Landarbeiter angefordert worden seien: &bdquo;Ich halte es dringend für erforderlich, daß bei einer so großen Anzahl von Polen gewisse Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Vor allen Dingen ist es notwendig, daß für die Polen ein generelles Alkoholverbot im Kreise ausgesprochen wird, da sonst bei der bekannten Zuneigung der Polen für Schnaps und sonstige hochprozentige alkoholische Getränke schlimme Folgen befürchtet werden müssen. [. . .] Bei der großen Anzahl wird es meines Erachtens nicht zu umgehen sein, durch eine besondere Kennzeichnung an der Kleidung den Polen erkenntlich zu machen.“ Die polnischen Zivilarbeiter durften sich nur mit Einschränkungen frei bewegen. Zur besseren Kontrolle durch die örtliche Polizei mussten sie ein Stoffabzeichen mit einem aufgedruckten P deutlich sichtbar an der rechten Brustseite ihrer Kleidung tragen. Bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift wurden Geld- oder Haftstrafen verhängt. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel war nur nach vorheriger Genehmigung durch die zuständige Ortspolizeibehörde erlaubt. Um ihre Mobilität einzuschränken, war ihnen auch der Besitz von Fahrrädern untersagt worden. Der Besuch von Gaststätten war verboten. Mehr zum Thema: Als der Krieg im Lübbecker Land zum Alltag wurde Kriegsgefangenen- und Arbeitslager in Enger und Spenge Die ersten Zivilarbeiter waren in der Landwirtschaft beschäftigt worden. Sie wohnten in der Regel auch bei der betreffenden Bauernfamilie. Aber auch die Industriebetriebe verlangten nach Arbeitskräften, da immer mehr Arbeiter zur Wehrmacht eingezogen wurden. Nach Kriegsbeginn wurden deshalb auch in den Ämtern Enger und Spenge mehrere Kriegsgefangenen- und Arbeitslager eingerichtet. Die zur Zwangsarbeit eingesetzten Kriegsgefangenen kamen aus dem Kriegsgefangenenstammlager &bdquo;326 (VI/K) Forellkrug/Paderborn“. Die Kriegsgefangenen in der Stadt Enger – zunächst Polen, dann Franzosen – waren im Saal der Gaststätte Kleine (später das Kino in Enger) an der Bielefelder Straße untergebracht. In den Gemeinden des Amtes Enger gab es noch weitere kleinere Lager. Viele Zwangsarbeiter waren in den Gemeinden Herringhausen und Westerenger untergebracht. Kinder werden spielerisch für den Krieg begeistert Sehr rasch nach Kriegsbeginn waren auch Schulkinder in den Sommer- und Herbstmonaten zur Arbeit in der Landwirtschaft eingesetzt worden, ihre Tätigkeit wurde von den Lehrern als &bdquo;Kampf an der Heimatfront“ deklariert, wie in der &bdquo;Chronik der Bürgerschule Enger“ festgehalten wurde: &bdquo;Die Kinder leisten die Arbeiten bei dem Bauern mit großer Hingabe, denn es ist ihnen in der Schule immer wieder gesagt worden, daß das Feld des Bauern ihr Frontabschnitt sei, an dem sie mitzukämpfen hätten zur Erringung des Sieges. [. . .] Die Kinder erweisen sich als sehr geschickt und flink bei der Arbeit. Immer wieder erklingt im Chor ihr Kampfruf: ’Dieses Feld ist unser Frontabschnitt, an dem wir zu kämpfen haben und siegen werden.’ Jedes Mal, wenn bei der Arbeit ein gewisses Teilziel erreicht ist, gibt der Rektor eine Sondermeldung durch, daß der Feind geschlagen sei und daß viele seiner Toten das Schlachtfeld bedecken. Das macht den Kindern immer große Freude. Sie sehen die ausgezogenen Rüben als die Feinde an, die das Schlachtfeld in großer Zahl bedecken. Auf diese Weise bleiben die Kinder während des ganzen Nachmittags bei guter Stimmung, ihr Arbeitswille läßt nicht nach.“ Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie wurden auch dadurch gewonnen, dass etwa zwei Drittel der Fabrik- und ein Viertel der Heimarbeiter aus der Zigarrenindustrie abgezogen wurden, was möglich war, da das Verarbeitungskontingent an Tabak in Folge geringerer Importe nach und nach auf etwa 45 Prozent des Vorkriegsniveaus herabgesetzt wurde. In den Zigarrenfabriken wurden zudem wieder Maschinen eingesetzt. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

Meistgelesen