Spenger Bürgermeister: „Ich weiß nicht, ob die Leute wieder in einer Diktatur leben wollen“

Enger/Spenge. Die Bürgerinnen und Bürger aus Enger und Spenge haben gewählt: Mit rund 30,1 Prozent der Stimmen in Enger und 29,4 Prozent in Spenge hat sich die CDU bei der Europawahl durchgesetzt. Gegenüber der vergangenen Europawahl 2019 konnte sie sich um etwa fünf Prozentpunkte steigern. Aber auch die AfD konnte mehr Wähler als noch 2019 von sich überzeugen: 15,7 Prozent der Stimmen bekam die rechtsextreme Partei in Enger, 14,5 Prozent in Spenge. Bei zwei Wahlbezirken geht die AfD sogar als stärkste Kraft hervor: im Wahlbezirk Grundschule Belke-Steinbeck/Besenkamp in Enger, mit 25,2 Prozent und in 10.0 Spenge, einem von fünf Wahlbezirken der Spenger Innenstadt, mit 25,3 Prozent. Rückschlüsse auf die Ortsteile lassen sich aber nur bedingt ziehen, denn gezählt werden nur die Stimmen im Wahllokal selbst, nicht aber die der Briefwähler aus den einzelnen Ortsteilen. Die Stimmen der Briefwähler wurden gesondert erfasst und sind nicht nach Wahlbezirken unterteilt. Bei den Briefwählern schneidet die AfD deutlich schlechter ab. Dieses Jahr gab es in beiden Städten wieder sehr viele Briefwähler. CDU bekommt deutlich &bdquo;mehr Zuspruch von den Wählern“ &bdquo;Ich freue mich, dass die CDU nach einer Schwächephase wieder deutlich mehr Zuspruch von den Wählern bekommt“, sagt Spenges CDU-Fraktionsvorsitzender, Lars Hartwig. Das führt er unter anderem auch auf den aktuellen Kurs der Bundes-CDU zurück. Der Zuwachs für populistische Parteien beunruhige ihn &bdquo;schon ein wenig“, sagt Hartwig. Europaweit sei festzustellen, dass Parteien Zuspruch finden, die &bdquo;einfache, plakative Lösungen anbieten“. &bdquo;Als seriös arbeitende Partei kann man da weniger versprechen“, sagt Hartwig. Dass eine Partei, die im Wahlkampf mit &bdquo;verbalen Entgleisung zur NS-Zeit“ aufgefallen sei, trotzdem &bdquo;noch so viele Prozente“ bekommen, versteht Hartwig nicht. &bdquo;Die hätten gar keine Prozente verdient.“ Der Vorsitzende des CDU-Stadtverbands Enger Philip Kleineberg freut sich über das gute Ergebnis für seine Partei und sieht die CDU auf dem richtigen Kurs. &bdquo;Was mir aber zu denken gibt, ist das Ergebnis bei den jungen Wählern“, sagt Kleineberg. Eine Wahlgruppe, bei der nicht die etablierten Parteien, sondern eher AfD und das Bündnis Sarah Wagenknecht sowie Kleinparteien punkten. Es werde sehr schwer sein, diese Gruppe wieder zu erreichen. &bdquo;Nur mit Tiktok und Instagram alleine ist das nicht getan“, sagt Kleineberg. Es ginge darum zu zeigen: &bdquo;Unsere Antworten sind zwei Sätze länger, aber dafür sind sie richtig.“ Wahlergebnis der SPD &bdquo;grottenschlecht“ Die SPD hat mit 19,8 Prozent in Enger und 21,4 Prozent in Spenge jeweils um die zwei Prozentpunkte im Vergleich zu 2019 verloren. Bernd Dumcke, Bürgermeister von Spenge, findet klare Worte: &bdquo;Grundsätzlich ist das Wahlergebnis meiner Partei grottenschlecht.“ Dafür sei die aktuelle Koalition die Ursache. &bdquo;Was mich besorgt, sind die Tendenzen nach rechts. Ich weiß nicht, ob die Leute wieder in einer Diktatur leben wollen.“ Über das gute Ergebnis für das Bündnis Sarah Wagenknecht wundert Dumcke sich. &bdquo;Ich kann nicht nachvollziehen, wie man so einem Personenkult hinterherlaufen kann.“ &bdquo;Es ist beruhigend, dass wir den zweiten Platz verteidigen konnten“, sagt Anika Eltgen, Vorsitzendes des SPD-Ortsvereins Spenge. Der Rest des Ergebnisses &bdquo;mache einem aber schon Sorge“. &bdquo;Wie können demokratische Parteien zeigen, dass demokratische Konzepte die Antwort sind, wird die große Frage für die Zukunft sein“, so Eltgen. Sarah Karczewski, SPD-Ortsvereinsvorsitzende in Enger, sagt dazu: &bdquo;Das ist natürlich ein bitteres Ergebnis.“ Die Zugewinne für die AfD nennt sie &bdquo;einfach erschreckend“. Es habe sich gezeigt, &bdquo;dass unsere Themen nicht rüberkommen.“ Diese seien weiterhin soziale Gerechtigkeit, Frieden und der Kampf gegen Rechts. Thomas Meyer, Bürgermeister von Enger, freut sich zwar über die hohe Wahlbeteiligung, findet die Ergebnisse allgemein jedoch &bdquo;beunruhigend“. &bdquo;Dass die SPD an zweiter Stelle liegt, tröstet nicht. Die Parteien der Regierungskoalition müssen erkennen, dass sie die Entscheidungen ihrer Politik nicht an die Wählerinnen und Wähler bringen können.“ Die Grünen: &bdquo;Damit haben wir nicht gerechnet“ Die Grünen haben im Vergleich zu 2019 die größten Verluste gemacht: Lediglich 11,7 Prozent bekommen sie in jeweils beiden Städten. &bdquo;Mit dem Ergebnis haben wir wirklich nicht gerechnet“, sagt Regina Schlüter-Ruff, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Enger. Sie sorge sich wegen des Rechtsrucks in Deutschland und in anderen Ländern. Die Altparteien müssen sich mehr auf den sozialen Medien präsentieren, sagt sie. &bdquo;Wir müssen noch mehr in politische Bildung und in die Erinnerungsarbeit investieren.“ Und vor allem: &bdquo;Weiterhin Widerstand leisten gegen Rechts auf allen Ebenen.“ Ähnlicher Ansicht über die Präsenz populistischer Parteien in den sozialen Medien ist auch André Schröder, Vorsitzender der Grünenfraktion in Spenge. &bdquo;Scheinbar fühlte sich die Jugend von unseren Themen nicht angesprochen. Aber ich vermute eher, wir haben sie nicht erreicht.“ FDP: Ergebnis ist nicht überraschend Die FDP rutscht in beiden Städten um nur 0,2 Prozent ab, in Enger liegt sie bei 5,4 Prozent und in Spenge bei 5 Prozent. &bdquo;Zufrieden sind wir mit dem Ergebnis nicht. Aber es ist auch nicht überraschend“, sagt Markus Wiesecke, Vorstandsvorsitzender der FDP Spenge. Dass die AfD so an Zuwachs gewonnen hat, halte er für &bdquo;traurig und gefährlich“. &bdquo;Alle Demokraten müssen jetzt daran arbeiten zu zeigen, dass das kein Weg ist“, sagt Wiesecke. Die FDP müsse unter Berücksichtigung der gesamten Zustände mit der Wahl zufrieden sein, sagt Norbert Busch, Fraktionsvorsitzender der FDP in Enger. Er denkt, die Ergebnisse seien der Krisen der vergangenen Jahre geschuldet. &bdquo;Da müssen die etablierten Parteien ein Auge drauf haben.“

Meistgelesen