Vom Flüchtlingskind zur Einser-Abiturientin: Bünderin legt Erfolgsgeschichte hin

Bünde. Tara Saljooghi hat eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte hingelegt. Aus Angst vor der Regierung sind sie und ihre Eltern vor zehn Jahren, als Tara Saljooghi neun Jahre alt war, aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet. Als Christen waren ihre Eltern im islamisch regierten Iran eine gefährdete Minderheit. &bdquo;Und mein Vater hat sich damals offen gegen die Regierung ausgesprochen“, erzählt die heute 19-Jährige. Das war schon damals eine Gefahr in dem autokratisch regierten Land. &bdquo;Meine Eltern hatten Angst, dass mein Vater verhaftet wird“, sagt sie. &bdquo;Das kann im Iran lebensbedrohlich sein.“ Auch um die Zukunft ihrer Tochter sorgten sich die Saljooghis – die Frauenrechte im Iran sind extrem eingeschränkt. Und so packte die Familie 2015 ihr Leben in Koffer, ließ Angehörige, Freunde und Jobs hinter sich und buchte einen Flug nach Deutschland – ohne Rückflug. &bdquo;Meine Tante wohnte schon in Deutschland und mein Vater war früher hin und wieder auf Geschäftsreisen hier und konnte deshalb ein bisschen Deutsch“, erklärt Tara Saljooghi die Entscheidung ihrer Eltern, nach Deutschland zu kommen. Überfordert in der Grundschule Aufgewachsen in der Millionenstadt Karaj im Iran, baute sich die Familie schließlich im kleinen Bünde ein neues Leben auf. Und damit begann die Erfolgsgeschichte von Tara Saljooghi. Nach knapp drei Monaten in der Elsestadt hatte sie ihren ersten Tag in der Grundschule. Sie startete in der dritten Klasse, ohne jegliche Deutschkenntnisse. &bdquo;Ich war überfordert“, erinnert sich die gebürtige Iranerin heute. In ihrem Heimatland sei sie ein sehr extrovertiertes Kind gewesen. Die anfängliche Sprachbarriere habe ihr das in ihrer neuen Heimat erst einmal genommen. Da sie gut Englisch sprechen konnte – ihre Eltern haben im Iran beide Englisch studiert und viel auf Englisch mit ihr gesprochen – konnte sie sich immerhin mit ihren Lehrern verständigen. Doch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler nicht verstehen zu können, sei ein komisches Gefühl gewesen. &bdquo;Und ich weiß noch, dass ich es vermisst habe, lesen zu können“, sagt die 19-Jährige, die heute akzentfrei Deutsch spricht und vor rund einem Monat ihre offizielle Einbürgerung in Herford feiern konnte. Lehrer in Deutschland überraschend nett Glücklicherweise bekam sie mit anderen Schülern Sprachförderkurse an der Grundschule. Dadurch wurden ihre Noten gut genug, um in der 5. Klasse auf die Realschule Bünde-Mitte zu wechseln. Und trotz ihrer zu der Zeit noch sehr eingeschränkten Deutschkenntnisse fand sie schnell Freunde. &bdquo;Wir verständigten uns mit einem Mix aus Deutsch und Englisch“, erinnert sich Tara Saljooghi lachend. Der Unterricht an der Realschule fiel ihr am Anfang dennoch nicht leicht, das Fach Deutsch war verständlicherweise am schwierigsten für sie. Sprachförderung bekam sie auf der weiterführenden Schule nicht mehr. &bdquo;Es war Learning by Doing“, sagt sie. &bdquo;Und ich hatte wirklich tolle Lehrer.“ Letzteres war für sie eine ganz neue Erfahrung. Im Iran seien die Lehrer sehr streng, wie sie sagt. Der pädagogische Aspekt spiele im Schulalltag keine Rolle. Oft habe sie dort Angst gehabt, ihre Hausaufgaben vorzustellen. &bdquo;Ich war überrascht, dass sie Lehrer in Deutschland so nett waren“, sagt die 19-Jährige schmunzelnd. Hobby hatte größten Einfluss bei Integration Den größten Einfluss auf ihr Leben und ihre Integration in Bünde hatte laut Saljooghi aber nicht die Schule, sondern ihr Hobby. &bdquo;Ich habe acht Jahre Handball gespielt bei der SG Bünde-Dünne“, erzählt sie stolz. Mit elf Jahren haben ihre Eltern sie in dem Verein angemeldet. Lesen Sie auch: &bdquo;Die Menschen haben aufgegeben“: Iranerin aus Bünde zum Krieg in ihrer Heimat &bdquo;Das hat mir sehr geholfen, Freunde zu finden und die Sprache zu lernen“, sagt sie. Je besser ihr Deutsch wurde, desto besser wurden auch ihre Noten. Und die wurden so gut, dass sie in der 8. Klasse von der Realschule aufs Gymnasium wechselte. Mitten in der Corona-Zeit startete sie am Gymnasium am Markt. Glücklicherweise kannte sie bereits zwei Mädchen in ihrer neuen Klasse – ebenfalls vom Handball – und so sei es ihr überhaupt nicht schwergefallen, Anschluss in der wieder neuen Umgebung zu finden. Abitur mit Einser-Schnitt Der Unterricht am Gymnasium war ihr zufolge deutlich anspruchsvoller als der an der Realschule, vor allem in Mathe und Französisch habe sie viel Lernstoff nachholen müssen. &bdquo;Aber das selbstständige Lernen hat mir gefallen“, sagt Saljooghi. Und offenbar hat sie es auch mit Bravour gemeistert. Denn nun, vier Jahre später, hat sie ihr Abitur in der Tasche – mit einem Notenschnitt von 1,2 und keiner einzigen 3 auf dem Zeugnis. Trotz des Abistresses engagierte sich Saljooghi noch für das Projekt &bdquo;Sprache verbindet“. Mittlerweile unterstützt sie einmal pro Woche eine Grundschülerin mit Migrationshintergrund, die Probleme mit der deutschen Sprache hat. &bdquo;Das ist selbstverständlich für mich, weil ich weiß, wie es ihr geht“, sagt Tara Saljooghi, die in den vergangenen zehn Jahren eine wahre Erfolgsgeschichte hingelegt hat. Bünderin hat besonderen Studienwunsch Und die ist noch lange nicht vorbei. Die nächsten großen Pläne stehen schon auf ihrer Agenda: Die 19-Jährige möchte studieren, am liebsten Medizinphysik. Medizinphysikerinnen arbeiten in medizinischen Einrichtungen – insbesondere in der Radiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin. Sie steuern physikalische Methoden und Technologien in Kliniken, wie MRT- und CT-Systeme, kontrollieren sie und entwickeln teils auch neue Technologien in dem Bereich. Das findet Saljooghi spannend. Aktuell schreibt sie Uni-Bewerbungen für das kommende Semester. Sie freut sich auf das neue Kapitel in ihrem Leben. Und sie ist ihren Eltern dankbar. &bdquo;Es war die richtige Entscheidung, nach Deutschland zu kommen“, sagt die 19-Jährige. Der Iran werde im Herzen immer ihre Heimat bleiben, doch ihre Zukunft ist in Deutschland. Lesen Sie auch: Nahost-Konflikt im Überblick - Liveticker

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